rheinische ART
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rheinische ART 04/2024

PLAKATE
Ausstellung mit Aussicht(en)

 

Reisen ist ein wunderbare Sache. Was früher ein Privileg war, ist heute mehr oder weniger eine Selbstverständlichkeit - zu allen Jahreszeiten.

 

 P. Z. (Photoglob Zürich) Promenade de la Croisette Cannes, Frankreich 1897, Photochromdruck, 16,5 x 22,2 cm, Bildquelle Foto © Museum Folkwang

 

Die Sommerreisezeit steht an und rechtzeitig ist im Essener Museum Folkwang eine Schau zu sehen, die nicht nur einen großartigen Blick auf die historische und zeitgenössische Reisekultur bietet, sondern auch noch – gewollt oder ungewollt – die Lust aufs Reisen verstärkt.

 

Roger Broders (1883–1953) Antibes, Frankreich um 1927, Imp. Lucien Serre, Paris Farblithografie 106,5 x 76,7 cm, Bildquelle Foto © Museum Folkwang

 

Abel Faivre Sports d'Hiver Chamonix (Mont Blanc), Frankreich 1905, Bildquelle Foto © Museum Folkwang

 

Es ist eine opulente Präsentation unter dem Titel „Ferne Länder, ferne Zeiten. Sehnsuchtsfläche Plakat“. Denn sie versammelt rund 300 Reiseplakate, Photochrome und Postkarten sowie den Nachbau eines Kaiserpanoramas (s. unten).

     Da kann sich der Besucher nostalgisch in der bunten, vielfältigen Reisewelt von damals bis heute regelrecht verlieren.

     Die Geschichte der Reiseplakate reicht bis in das vorletzte Jahrhundert. Denn bereits ab Ende des 19. Jahrhunderts wurde mit Plakaten für luxuriöse Reiseziele, vor allem in Europa und Nordafrika, geworben. Das Aussehen der häufig farbfrohen Blätter verändert sich bis in die 1930er Jahren deutlich.

 

Zunehmend wurden technische Aspekte wie die Geschwindigkeiten und der Komfort der Eisenbahnzüge als Motive und Reise-Attraktionen zum Gegenstand der Werbung.

     Die „zugkräftigen“ Argumente hießen nun: nobles Reisen auf technisch höchstem Stand! Das non plus ultra war der Orient-Express (mehr).

     In den 1950er Jahren schließlich, als sich das Jet-Zeitalter  mit Fernreisen langsam durchsetzte, beauftragten einige Fluggesellschaften namhafte Künstler, Motive für ganze Plakatserien zu entwerfen, wie es in Essen heißt (mehr).

 

 A.M. Cassandre Chemin de Fer du Nord / Nord Express, Frankreich 1927, Farblithografie, 105 x 75,2 cm, Bildquelle Foto © Museum Folkwang

 

Harold Percy Forster BOAC Speedbird Routes... across the World, Great Britain  1946, Offset print, 76 x 51 cm, Bildquelle Foto © Museum Folkwang

 

 Das dürfte nicht das Werbeende für fliegende Reisegenüsse sein! Denn die NASA legte bereits im Jahr 2019 eine Plakatserie für fiktive Reisen zu fernen Planeten auf. Da werden derartige Plakatentwürfe, wie im Folkwang zu sehen ist, zu Projektionsflächen des Unvorstellbaren.

     Und es gibt bereits die eine oder andere Ausstellung, wie etwa jene immersive Show in London mit berühmten Namen (mehr), die das Unvorstellbare zum Thema machen.

 

Fernweh, Sehnsucht nach Abenteuern und der Wunsch zur Flucht aus dem Alltag: Bekanntlich blieb das Reisen bis in das 20. Jahrhundert vielen Menschen verwehrt, es galt als elitäres Vergnügen. Die berühmte Grand Tour der Aristokraten im späten 16. Jahrhundert, mit denen sich Begüterte Länder und Sprachen erschlossen und Kunst und Kultur suchten, ist bestes Beispiel. Der teure Spaß veranlasste viele, auch kluge Köpfe wie etwa Immanuel Kant, die Reisen im Kopf vom heimischen Lehnstuhl aus per Lesebuch anzutreten. Als „armchair travelling“ (mehr) wurde diese Reiseform bekannt.

 

Ohne Plakat nach Rom: Johann Heinrich Wilhelm Tischbein Goethe in der römischen Campagna. 1787, Öl auf Leinwand, 166 x 210,3 cm. Standort Städel Museum Frankfurt/Main. Bildquelle © Wikipedia gemeinfrei. Goethe war im September 1786 nach Italien aufgebrochen. Er reiste inkognito, denn er war bereits ein berühmter Autor. In Rom beherbergte ihn sein Malerfreund Tischbein. Gemeinsam unternahmen sie einen Ausflug zu den Grabstätten der Antike in der Campagna. Vor dieser Kulisse inszeniert Tischbein den Dichter. (Kein Exponat in der Ausstellung).

 

Zahlreiche Kreative auch aus dem Rheinland machten sich später auf gen Süden. Einer der Protagonisten dieser Destination: Johann Wolfgang von Goethe und seine Reise nach Italien. Zitate und Kommentierungen des Dichters prägen nicht nur das Italienbild bis heute, sondern ferner auch die Einstellung zum Reisen selbst. Goethe: „Man reist nicht, um anzukommen, sondern um zu reisen.“

 

Gustave Hastoy San Sebastian, Spanien 1900, Farblithografie, 132,5 x 94,7 cm, Bildquelle Foto © Museum Folkwang

 

Auch Theodor Fontane gab seine mobilen Erfahrungen zum Besten: „Wer reisen will, muss zunächst Liebe zu Land und Leuten mitbringen.“ Diese Ansicht dürfte, wie immer wieder zu beobachten ist, nicht bei allen Zeitgenossen angekommen sein.

     Anyway! Ob Rhein-, Donau-, Bildungs- oder Urlaubsreise, günstige Busreise mit Zitronen- und Ruinenromantik, Tages- oder Last-Minute-Pauschalreise: Sie ermöglichen es, andere Kulturen, Menschen und Orte zu entdecken und Perspektiven zu wechseln, was bekanntlich helfen kann, die Sichtweise auf die Welt zu verändern. „Reisen bildet!“ soll Goethe formuliert haben. Auch in dieser wunderbaren Plakat- und Bilderausstellung kann man so einiges lernen!
K2M

 

Literarische Begleiterin der Exposition ist die Schriftstellerin Felicitas Hoppe. Sie gilt als Spezialistin für „Reisen im Kopf”. Hoppe wirft in ihren Texten ein gänzlich neues Licht auf die Sehnsuchtsflächen der Reisenden und der Zu-Hause-Gebliebenen. Sie verfasste zu neun Kapiteln der Ausstellung exklusive „literarische Kopfreisen“, die sie selbst für die Folkwang-App eingesprochen hat und die im Katalog sowie in einem kleinen Begleitbuch nachgelesen werden können.

 

Stereoskopisches Kaiserpanorama des Fotografen August Fuhrmann (1844 –1925), Holzschnitt aus einer Werbekampagne, vermutlich zwischen 1880 und 1910. Bildquelle © Wikipedia gemeinfrei

 

► Das Kaiserpanorama ist ein ab 1880 populärer 3-D-Guckkasten, der mehreren Personen gleichzeitig erlaubt, stereoskopische Bilderserien zu betrachten. Früher wurden damit exotische und für Normalbürger unerschwingliche Reiseziele und Landschaften gezeigt. Die im Museum Folkwang installierte Stereoskopie stammt aus Celle und präsentiert 3-D-Aufnahmen aus dem Fundus des Kulturhistorischen Museums Rostock. Sie vermitteln eine Vorstellung von Sehnsuchtsorten des ausgehenden 19. Jahrhunderts, wie aus Tausendundeiner Nacht oder aus Ländern wie China, Bolivien und Peru.

 

Die Ausstellung Ferne Länder, ferne Zeiten, Sehnsuchtsfläche Plakat mit Geschichten von Felicitas Hoppe kann bis zum 7. Juli 2024 besucht werden.

Museum Folkwang
Museumsplatz 1
45128 Essen
Tel. 0201 / 8845-444
Öffnungszeiten
DI, MI, SA, SO 10 – 18 Uhr
DO + FR 10 – 20 Uhr

 

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