rheinische ART
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rheinische ART 02/2014

Archiv 2014

ROYAL AKADEMY OF ARTS
Sensing Spaces

 

Er wollte nicht mit und in Imitaten leben. Die Umgebung müsse seinen Sinnen „wenigstens ein Minimum an echter Substanz...“ bieten, so Hermann Hesses Vorstellungen vom Wohnen. In kahler Nutz-Architektur, so der Dichter weiter, „inmitten von imitiertem Holz, inmitten von lauter Ersatz und Täuschung...“ könne er nicht leben und würde eingehen.

 

 

Installation by Grafton Architects
Photo (c) Royal Academy of Arts, London, 2014. Photography: James Harris

 

Schönes Wohnen erfüllte sich für Hesse (1877-1962) schließlich im Tessin. Ob der Literatur-Nobelpreisträger mit den nun in London zu sehenden Raum-Wundern in Einklang hätte leben könnte, ist ungewiss. Dort wird derzeit Wohnen als sinnliches Raumerlebnis, als „gefühlte Architektur“, mit einer ungewöhnlichen Ausstellung regelrecht zelebriert.
     Es ist eine atypische Schau, die Kuratorin Kate Goodwin in die Hallen der Londoner Royal Academy of Arts gestellt hat. Die Ausstellung will nämlich etwas, was sonst im Expositionsbetrieb eher undenkbar ist: Der Besucher soll die Exponate anfassen, sie nutzen und ausprobieren – er soll Architektur erfahren, fühlen, riechen, also Architektur mit allen Sinnen erfahren.

 

 

Umbauter Lebensraum neu gedacht Wie kann man Architektur spüren? So lautet die Frage, auf die sieben ausgesuchte internationale Architekten ihre Antworten geben: Mit sieben Ideen, sieben Installationen, die dem Besucher eine andere Wahrnehmung von Raum, Proportion, Material und Licht ermöglichen. Architektur also spürbar erfahren, neu denken und nicht konventionell präsentieren, dies waren die Vorstellungen der Kuratorin. Daher sucht der Gast vergeblich nach Blaupausen und Modellen, ebenso fehlen Skizzen, animierte Fotos oder Grund- und Aufrisse. Dafür gibt es erlebbare, begehbare, sitzbare, fühl- oder riechbare Konstruktionen und Bauten, die alle nur einem Zweck dienen: eine andere Perspektive auf Bauen und Wohnen zu liefern, losgelöst von den architektonisch- ökonomischen Nutz-Zwängen. Das ist neu und schafft ein sinnliches Erlebnis.

 

Installation by Kengo Kuma. Photo (c) Royal Academy of Arts, London, 2014. Photography: James Harris

 

Die Sache heißt schlicht Sensing Spaces: Architectur Reimagined und ist eine der ungewöhnlichsten Schauen im laufenden Jahr in der britischen Hauptstadt. Sie verzaubert die Haupträume der Kunstgalerie mit ihren verblüffenden Strukturen, Texturen, Düften, Licht- und Farbarrangements und ermutigt die Besucher zu sitzen, zu verharren, zu klettern, zu laufen und zu erkunden. Innen und Außen verschwimmen teilweise, werden eins und wirken auf Stimmung und Gefühl. Hesses Wunsch nach Beschwingtheit eben, nach schönem Wohnen, Wohlfühl-Wohnen, Wonnigkeit – aber keine Kuschel-Architektur.

 

Die Architekten Unter den sieben ausgewählten Baumeistern - darunter bemerkenswerterweise kein Brite - sind bekannte Namen. Die Altmeister Eduardo Souto de Moura und Álvaro Siza (mehr) aus Portugal, Kengo Kuma (Japan) und Li Xiaodong (China). Zur jungen aufstrebenden Architekten-Garde gehören das irische Duo Grafton Architects mit Selley McNamara und Yvonne Farrell, der in Berlin und Burkina Faso arbeitende Diébédo Francis Kéré („Kéré Architecture“) sowie die argentinisch-chilenische Gruppe Mauricio Pezo & Sofia von Ellrichshausen. Sie alle hatten freien Lauf bei ihren Kreationen und Interpretationen zur „erfahrbaren Architektur“.

 

Raumeindrücke und -gefühle Kuma baute mit zarten Bambuskonstruktionen einen Ort der Stille und Kontemplation. Kéré, in Deutschland nicht zuletzt durch seine Zusammenarbeit mit dem Künstler Christoph Schlingensief bekannt, zog einen teils transparenten Tunnel über zwei Galerieräume, Xiaodong konstruierte ein Labyrinth und Grafton Architects installierten Lichtanlagen. Die haushohe Kiefernholz- Installation von Ellrichshausen im blauen Salon kann mit ihrem Märchenschloss-Touch wohl als die überraschendste und aufregendste Konstruktion der Schau gesehen werden. Sensing Spaces bringt die Funktion eines Gebäudes, Schutz vor äußerer Unbill zu bieten, genauso in Erinnerung wie sie zeitgemäße Freiräume vermittelt und dem Bedürfnis des Menschen nach Nähe zur Natur entgegenkommt. Leben im Raum wird visionär diagnostiziert und der Besucher mit besonderen Eindrücken und Gefühlen für Lebensraumgestaltung neu sensibilisiert.
cpw


Die Ausstellung „Sensing Spaces: Architectur Reimagined“ wird bis zum 6. April 2014 gezeigt.
Royal Academy of Arts
Burlington House, Mayfair
London W1J 0BD
Tel.: 020 7300 8000
Öffnungszeiten
MO - DO 10 - 18 Uhr
SA - SO 10 - 18 Uhr
FR 10 - 22 Uhr

 

 

 

► Zitathinweis: Hermann Hesse, Die Kunst des Müßiggangs, Suhrkamp Verlag, Frankfurt a.M., 1973

 

 

 

 

 

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