rheinische ART
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rheinische ART 09/2010

Archiv 2010 - Menschen

Menschen


 

 

Titelbild des Katalogs (Ausschnitt)/ Gerhard Hoehme-Ausstellung Kulturforum Alte Post Neuss 2009

Die rheinischen Kunstsammler Harald und Helga Bongartz

 

Ein Bote brachte es ihm, sein erstes Werk der Kunstrichtung Informel. Der Bote war der Vater des damaligen Schriftführers der Gruppe 53, Fritz Bierhoff, der im selben Unternehmen wie der junge Harald Bongartz beschäftigt war. Als Hausbote brachte er Post, Akten und Informationen von Raum zu Raum. Und die Begeisterung für die Kunst seines Sohnes und dessen Freunde. Die Faszination dafür sprang über und blieb, wie Harald Bongartz heute sagt „... bei mir eben hängen.“

 

DIE Kunstrichtung Informel mit ihren großen malerischen Gesten, viel bewundert doch auch verschmäht, beherrschte als gegenstandslose Malerei mit ihren Abstraktionen die Kunstszene der Nachkriegszeit. Das Sammlerehepaar Bongartz schenkte 2009 dem Museum Kurhaus Kleve cirka 100 Arbeiten von verschiedenen deutschen Künstlern des Informel. Grund genug für die rheinische ART., sich mit Harald und Helga Bongartz Ende August zum Gespräch über Kunst und Künstler, ihre Sammlung und den Kunstmarkt zu treffen.

 

rheinische ART.: Sie sind bekannt als Sammler Bongartz. Wenn man aber etwas über Sie sucht und recherchiert, findet man praktisch nichts.

Harald Bongartz: Das ist möglich und auch gut so. Wie sagt man? Wie ein Fisch im Wasser. Kein Fisch im Wasser ist bekannt. Man kennt die Gattung, man weiß aber sonst nicht viel.


Aber inkognito wollen Sie auch nicht durch die Welt schwimmen.
Harald Bongartz: Nein, das tue ich auch nicht. Ich finde es nur nicht so wichtig, dass ich mich nach vorne schiebe. Wenn andere das machen, gut. Aber ich bin lieber im Hintergrund.


Nun gibt das Museum Kurhaus Kleve eine Pressemeldung heraus, dass eine Ausstellung aus der Schenkung Bongartz von den drei berühmten Künstlern Götz, Hoehme und Sonderborg zu sehen ist.
Harald Bongartz: Andere Künstler gehören ebenfalls zur Schenkung dazu. Peter Brüning zum Beispiel, auch Winfried Gaul und andere aus der Gruppe 53. Manche dieser Werke sind meines Erachtens schwierig zu präsentieren, aber sie sind halt so zusammen. Kunsthistorisch wertvoll, aber für sich genommen so keine Reißer.

Gerhard Hoehme - Abbildung aus dem Katalog: submarines Zeichen/verwischtes Ereignis 54-05

 

Die Bilder in Kleve sind keine Reißer?
Harald Bongartz: Doch, natürlich. Ich meine bestimmte Werke aus der Schenkung, zum Beispiel die „Poême Visibles“. Diese Werke sind sehr zurückhaltend, relativ wenig malerisch. Einfach wenig Painture. Diese Werke sind auch nicht in der jetzigen Ausstellung.


Das museum kunst palast in Düsseldorf präsentierte in diesem Sommer eine vielbeachtete Informel-Ausstellung.
Harald Bongartz: Ja, das war eine großartige Ausstellung.


Da müsste doch halb Düsseldorf jetzt pflichtgemäß nach Kleve pilgern.
Harald Bongartz: Hoffentlich.


Müsste es aber, theoretisch.
Harald Bongartz: Als die Hoehme-Ausstellungen 2009 in Düsseldorf und Duisburg zum 20. Todestag des Künstlers liefen, der übrigens in Neuss verstarb, habe ich zeitgleich meine Hoehme-Kollektion im Kulturforum Alte Post in Neuss gezeigt. In der Presse wurde von den drei Ausstellungen in Düsseldorf, Duisburg und Neuss gesprochen, aber insgesamt gab es wenig mediale Resonanz über Neuss. Natürlich ist aber eine Schar Kunstinteressierter und Museumsdirektoren in die Alte Post gekommen, um sich die Show anzusehen.


Bei dieser Ausstellung in Neuss sind ausschließlich Werke aus Ihrer Sammlung gezeigt worden.
Harald Bongartz: Richtig. Es ging im Wesentlichen um Installationen. Es ging um das späte Werk von Hoehme.


Sie haben Gerhard Hoehme persönlich gekannt. Gut gekannt?
Harald Bongartz: Gut gekannt? Zwischen uns bestand doch ein erheblicher Altersunterschied. Allein von daher schon: nicht gut gekannt. Aber wenn wir uns sehen wollten, haben wir uns gesehen und uns aufeinander gefreut. Wir kannten uns seit den 70er Jahren.

 

 

Gerhard Hoehme -Abbildung aus dem Katalog

"... und wisse das Bild erst im Zwischenbereiche ..." (Rilke) 68-37

Was hat Sie dazu bewogen, ausgerechnet das Informel zu sammeln, eine Kunstrichtung, die vielen Menschen nichts sagt und im ersten Moment auch nicht als Kunst interpretiert wird?
Harald Bongartz: Ich habe mir, sagen wir von meinem ersten Lehrlingsgeld, ein Bild gekauft. Es war eins von Fritz Bierhoff. Vielleicht wollte ich auch im Freundeskreis ein wenig revolutionär sein. Auf jeden Fall entwickelte sich in mir der Wunsch, die Gruppe 53 näher kennenzulernen.


Was Sie dann auch taten.
Harald Bongartz: Ja. K.O. Götz, dessen Werke einen großen Teil unserer Schenkung ausmachen, war da allerdings kein Mitglied, der war in der Quadriga in Frankfurt. Hoehme aber schon. Und wie das Sammeln halt so ist. In der epischen Breite einer Sammlung macht man irgendwann nicht weiter, sondern konzentriert sich auf die für einen selbst wesentlichen künstlerischen Maßstäbe. Man kann wählen und zum Beispiel in die Bildhauerei gehen, in die Malerei, Drucke, oder, oder, oder. Als Sammler hofft man auf ein eigenständiges Sammlungsprofil.


Und Sie?
Harald Bongartz: Ich habe mich anfänglich auf Hoehme und Brüning konzentriert. Es hat sich so entwickelt. Und uns ereilte das Schicksal aller leidenschaftlichen Sammler: aus Grafiken werden Zeichnungen, aus Zeichnungen Gouachen, Collagen, dann Bilder und es werden mehr und immer mehr und mehr. Tja. Und dann? Dann bekommen Sie ein Stauproblem und schaffen sich vielleicht ein Lager an.


Haben Sie auch den Künstler Wols gesammelt?
Harald Bongartz: Nein. Wenn ich Wols gesammelt hätte, hätte ich auch unter anderen die Vorinformellen Theodor Werner, Willi Baumeister, u.s.w. sammeln müssen. Die haben in den 1930 und 40er Jahren schon abstrakt gemalt. Das ist eine ganz andere Gruppe. Der Weg aus der Abstraktion ist bei denen eigentlich ein anderer. Das konnte ich nie so realisieren. Wenn Sie bedenken, dass es Anfang der 1960er und 70er Jahre noch für wenige hundert Mark sehr schöne Arbeiten von den Informellen zu kaufen gab. Die waren sehr breit gestreut. Überall war irgendwie noch etwas zu finden. Was mich damals nicht interessiert hatte, war z.B. ZERO. Das hat mich nie gereizt.


Diese Gruppe erlebt derzeit viel Zuspruch.
Harald Bongartz: Ja, aber warum denn? Weil italienische Händler in Amerika den Markt erst einmal teuer gemacht haben. Deutschland ist für die deutsche Nachkriegskunst kein Kunstmarkt.


Deutschland ist für Sie kein Kunstmarkt?
Harald Bongartz: Nein. Nicht für deutsche Kunst nach 1945. Zum Beispiel das italienische Informel mit Emilio Vedova, wenn man das mit dem deutschen Informel vergleicht, kostet es richtig viel Geld. Schauen Sie sich die Franzosen, die Belgier und die Niederländer an, schauen Sie sich die Engländer, die Amerikaner an. Alle erzielen Wahnsinnspreise. Der schweizer Markt? Sehr hohe Preise. Nur das deutsche Informel stagniert, weil es in Deutschland kaum einer kauft.


Wie sammeln Sie? Um zu komplettieren oder nur das, was Ihnen gefällt?
Harald Bongartz: Hoehme zum Beispiel habe ich so gesammelt, dass ich zuerst das grafische Werk fast komplett hatte. Das waren ungefähr 130 Arbeiten. Die befinden sich heute in einem Kunstmuseum. Die Grafiken von Götz haben wir jetzt nach Kleve gegeben. Hoehme-Originale habe ich so gesammelt, dass ich über das plastische Werk aussagefähig bin und eine eigene Ausstellung damit bestücken kann.


Das Museum Kurhaus Kleve betont mit seiner Ausstellung ausdrücklich: Arbeiten auf Papier.
Harald Bongartz: Die Schenkung beinhaltet fast ausschließlich Arbeiten auf Papier. Doch das Museum hat von mir mehrere weiße Erben-Bilder, nicht als Schenkung, sondern als Leihgabe, erhalten. Ich bin über das Informel auch zu den Farbmalern Erben und Graubner gekommen. Und dann zu den Meisterschülern Erbens und Graubners, mit denen ich auch Ausstellungen bei mir im Büro ausgerichtet habe.

 

 

Gerhard Hoehme - Abbildung aus dem Katalog

Ohne Titel 83-13

 

In Ihrem Büro?
Harald Bongartz: Ja, die habe ich nur für Freunde und Geschäftspartner gemacht, denen ich den Zugang zur Kunst vermitteln wollte. Eigentlich eine spleenige Idee, für die mich viele belächelt haben. Das ganze Büro hängt voll mit Bildern. Und diese Bilder haben einen Haken in der Wand. Für jegliche weiteren Ausstellungen wurden und werden nur diese Haken oder Nägel benutzt. Es werden keine neuen Nägel in die Wand geschlagen.


Warum dieses?
Harald Bongartz: Nicht, weil ich mir nicht die Wand verschandeln möchte, nein, es hat einen viel tieferen Sinn. Wenn ich einen Raum neu gestalten will, hänge ich neue Arbeiten, neue Bilder auf, aber an die gleiche Stelle und schaffe damit eine neue Raumsituation. Ich kann die Möbel total verstellen, ich kann die Vorhänge erneuern; kann ich alles machen, aber das Schwierige ist, eine neue Raumsituation zu schaffen mit Bildern an der gleichen Stelle. Ich hatte ein großes Bild und hänge da ein kleines hin, das enorm wirkungsstark ist, also eine enorme Kraft besitzt. Der Raum zeigt sich dann völlig anders. Das habe ich in meinem Büro praktiziert. Ich habe zum Beispiel auch Paul Isenrath gezeigt, Künstler aus Hombroich, Farbmaler und Bildhauer.


Sie unterhalten ein Lager. Gehen Sie da regelmäßig hin und überlegen, wie Sie ihr Haus neu gestalten?
Harald Bongartz: Nein, ich weiß doch, was da ist.
Helga Bongartz: Mit dabei sind sehr diffizile Sachen. Da sind Eigenkartonagen von enormem Ausmaß angefertigt worden, damit die Arbeiten richtig aufbewahrt werden können. Oder eben auch transportiert.
Harald Bongartz: Zum Beispiel diese „Blasen“ bei dem Werk Hoehmes„ ... und wisse das Bild erst im Zwischenbereiche ...“, übrigens ein Zitat von Rilke. Das war auch so eine verrückte Geschichte. Von den „Blasen“, die sind aus Kunststoff, gab es noch eine einzige. Und diese eine „Blase“, die noch da war, wurde mit anderen 1968 bei der BASF in Ludwigshafen gefertigt. Aber mit nur einer „Blase“ war die ganze Arbeit nicht mehr aussagefähig. Ich habe dann einen Forschungsauftrag an die Technische Hochschule Aachen gegeben, diese nachzufertigen, natürlich mit Genehmigung und Akzeptanz von Frau Hoehme, der Künstlerwitwe.


Sie gaben den Auftrag, das Material neu zu erfinden?
Harald Bongartz: Nein, das Material ist bekannt. Das ist PVC. Ein Rohr, das an einem Ende zugekniffen ist und am anderen Ende ein Fahrradventil hat. Durch dieses Ventil wurde in einem Ofen Druckluft in das erwärmte Rohr gegeben. So entstanden die „Blasen“. Was ich damit sagen möchte: man muss als Sammler schon ganz schön verrückt sein. Übrigens habe ich dieses Werk in meinem Neusser Ausstellungskatalog mit dem Sonett an Orpheus von Rilke präsentiert. So wird deutlich, das Hoehme auch Begriffe, Sätze oder Gedichte „gemalt“ hat. Er hat sich nicht allein mit der gestischen Malerei beschäftigt, sondern in den späteren Jahren wirklich Begriffe dargestellt. Das Erkennen ist nicht leicht, aber wenn Sie den Schlüssel einmal haben, ist es manchmal etwas einfacher.


Wie ist die Versicherung von Kunst, die leicht Schaden nehmen kann oder gar vergänglich ist?
Harald Bongartz: Das können die Versicherungen teilweise nicht übernehmen. Darum werden die Werke manchmal auch gar nicht mehr ausgeliehen, das geht gar nicht. Das Risiko trägt keiner. Die Transportverpackung ist ein wahnsinniger Aufwand und manches kann man nur schwerlich transportieren. Die Hoehme-Arbeiten mit den Schnüren sind ein gutes Beispiel. Künstler haben damit kein Problem. Hoehme hatte ja damals noch Schnüre von der BASF. Heute gibt es die nicht mehr. Hoehme selbst konnte noch reparieren, aber es ist etwas anderes, wenn eine Arbeit einmal das Atelier verlassen hat. Dann muss es geschützt werden als Kunstwerk für die Nachwelt. Der künstlerische Wert ist ja vor dem Marktpreis zu sehen. Der ist erstmal das Allerwichtigste.


Geben Sie etwas in die Auktion?
Harald Bongartz: Äußerst selten. Ich kaufe lieber, da der Reiz des Neuen für die Sammlung groß ist. Aber dass ich verkaufen möchte passiert eigentlich nur, wenn etwas in der Sammlung nicht mehr gebraucht wird. Vielleicht, weil es sich ausgeguckt hat oder weil ich mich auf ein neues Sammlungsgebiet konzentriere.


Noch eine Frage zu Hoehme. Wo, vielleicht in welchem Museum, kann man so eine Installation von Hoehme auch sehen?
Harald Bongartz: Das ist es, dieses „auch“, das macht die deutschen Museen so furchtbar langweilig. Sie fahren vom Norden in den Süden, vom Westen in den Osten, Sie haben überall das Gleiche hängen. Überall „auch“ das Gleiche. Das ist so, wie die Städte heute auch austauschbar sind. Sie haben Douglas neben Kik und andere. Es ist austauschbar. Sie sehen sogar die gleichen Dekorationen. Alles ist austauschbar. Und die Museen haben alle einen Richter, einen Polke, übrigens Schüler von Götz beziehungsweise Hoehme, einen Picasso, einen Warhol, einen Kippenberger, u.s.w. Das ist unglaublich. Zu Ihrer Frage: Nein, ich weiß nicht, wo Sie in einem Museum „auch“ eine Installation von Hoehme in der ständigen Sammlung sehen können.


Zu diesem „Auch“: es gibt ja immer auch die, die es mitmachen. Sie sagen ja selbst, was habe ich davon, wenn ich so bin wie alle Anderen. Es ist besser, sich durch einen Schwerpunkt abzusetzen. Es ist doch ganz bemerkenswert, dass Sie konsequent das Informel gesammelt haben.
Harald Bongartz: Da gibt es ja mehrere, die das gemacht haben. Außerdem hat das mehr mit Leidenschaft als mit Kalkül zu tun. Meinen Grund für das Sammeln? Schwer zu sagen. Ich bekam einmal vom Museum Morsbroich die Beschreibungen eines Sammlers zugeschickt. Darin heißt es unter anderem, dass ein Sammler immer auch ein Anstifter, manchmal sogar ein Stifter sei, dass Sammler Spuren hinterlassen und Sammeln eine Leidenschaft ist, die kein Alter kennt. Da erkenne ich mich durchaus wieder.

 

Das Interview führte Irmgard Ruhs-Woitschützke

 

Mehr zur Ausstellung "Götz, Hoehme, Sonderborg" im Museum Kurhaus Kleve hier

 

Fotos: Olaf Bergmann / Bochum

          Alistair Overbruck / Köln

          ©VG-BildKunst


©rheinische-Art.de

 

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