rheinische ART
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rheinische ART 11/2019

Archiv 2019

FOTOGRAFIE
Parallelwelten


Wie sich doch die Bilder gleichen! Eine Fotoschau im Louvre Lens zeigt, wie sich polnische Arbeitsmigranten ab den 1920er Jahren in der nordfranzösischen Kohleregion niederließen und ein „Klein-Polen“ schufen.

 

Kasimir ZGORECKI Footballeuses 1932 2019 (Tirage moderne) H. 50 cm ; L. 60 cm Frédéric Lefever © adagp / Frédéric Lefever

 

Die Fotografien könnten auch aus den Zechenkolonien der Ruhrgebietsstädte Bottrop, Essen oder Herne stammen. Sie wurden jedoch in der Montanregion Pas-de-Calais im Norden Frankreichs gefertigt. Ihr Schöpfer war der Pole Kasimir Zgorecki (1904 –1980).

 

Kasimir ZGORECKI Le studio de photographie de Kasimir Zgorecki à Rouvroy 1924–1926 H. 22,8 cm ; L. 16 cm Frédéric Lefever © adagp / Frédéric Lefever

 

1922, im Alter von 18 Jahren, verließ Zgorecki das Ruhrgebiet, wo sein Vater als Bergmann arbeitete, und zog nach Rouvroy im Pas-de-Calais. Als ausgebildeter Kesselbauer arbeitete er nur sechs Monate in den dortigen Minen, bevor er sich der professionellen Fotografie zuwandte.
     1924 übernahm er die Atelierbuchhandlung seines Schwagers, der ihn in die Grundlagen der Foto-Technik einführte. In der Zwischenkriegszeit erfuhr Zgoreckis Arbeit einen kometenhaften Aufstieg und eine besonders intensive Phase.

     Er porträtierte polnische Emigranten, hielt ihren Alltag in einfühlsamen Fotografien fest, dokumentierte ihre persönlichen und oft geschäftlichen Erfolge und machte so ihre Existenz für die Nachwelt greifbar. Die Ausstellung zeigt in hundert Schwarz-Weiß-Fotografien das Lebens dieser polnischen Auswanderergemeinschaft, die darauf bedacht war, ihre Integration und ihren Erfolg zu demonstrieren und ihre Traditionen aufrechtzuerhalten.

 

Kasimir ZGORECKI Elevage de lapins 1920–1930 1994 (Tirage moderne) H. 40 cm ; L. 50 cm CRP/ Centre régional de la photographie Hauts-de-France © adagp / CRP Hauts-de-France

 

Interessant ist, dass der Fotograf Zgorecki zu den fast 300.000 Polen gehörte, die nach dem Ersten Weltkrieg dem Ruhrgebiet den Rücken kehrten. Das Revier war nämlich längst nicht der Multikulti-Raum, der dieser großen Bevölkerungsgruppe eine nahtlose Integration ermöglichte. Eher das Gegenteil war der Fall. Man blieb in der Diaspora unter sich und lebte seine kulturellen Besonderheiten aus. Die Weltwirtschaftskrise der Zwanzigerjahre verschärfte die Situation.

 

Kasimir ZGORECKI Portrait de femme 1920–1930, 1994 (Tirage moderne) H. 50 cm ; L. 40 cm CRP/ Centre régional de la photographie Hauts-de-France © adagp / CRP Hauts-de-France

 

Anlass für die bemerkenswerte Fotoschau ist der 100. Jahrestag der Unterzeichnung des Abkommens zwischen Frankreich und Polen über Auswanderung und Einwanderung vom 3. September 1919.

     Ein Jahr zuvor hatte Polen seine Unabhängigkeit nach 123 Jahren Teilung wiedererlangt (mehr). Die neuen politischen Verhältnisse führten dazu, dass eine große Anzahl polnischer Arbeiter nach Frankreich, insbesondere in die Kohleregion im Norden, zog. Zwischen 1919 und 1928 wurden dort nach diesem internationalen Abkommen 280.000 Arbeitsverträge unterzeichnet.

     Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts hatte der Zuzug von Polen in Frankreich Tradition. Zunächst waren es bürgerliche und aristokratische Einwanderungen, ab 1909 kam es zu den bekannten Anwerbungen von Bergarbeitern. Das nun zum 100. Jahrestag gefeierte französisch-polnische "Übereinkommen über Auswanderung und Einwanderung" führte damals zu einer großen Zuwanderungswelle von polnischen Bürgern, die im Steinkohle-Bassin zwischen Lille und Arras die dominante ausländische Bevölkerungsgruppe bildete. Die Region ist heute UNESCO-Welterbe.
cpw

 

Die Ausstellung „Kasimir Zgorecki Photographie le Petite Pologne 1924 – 1939“ wird bis zum 30. März 2020 gezeigt. Sie ist eine Ergänzung der Hauptexposition über die polnische Malerei des 19. Jahrhunderts „Pologne 1840 –1918. Peindre l´ âme d´une nation“.

 

Museum Louvre-Lens
99, Rue Paul Bert,
F-62300 Lens
Tel +33 321 18 62 62
Öffnungszeiten
Täglich 10 – 18 Uhr
DI geschlossen
Dauerausstellung kostenlos

 

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