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rheinische ART 07/2019

Archiv 2019

MARTIN PARR
Von Eyecatchern zur Fotokunst

Der Brite Martin Parr (*1952) ist mit seinem scharfen Blick auf die Welt einer der bedeutendsten Dokumentarfotografen unserer Zeit. Wie kein Zweiter hält er den Mitmenschen fast schamlos und gleichwohl liebevoll einen Spiegel vor. Er zeigt sie im Alltag: komisch, lächerlich, dekadent oder skurril, ja manchmal fast intim.
 

Martin Parr Knokke, Belgium, 2000, aus der Serie Knokke le Zoute Foto © Martin Parr / Magnum Photos 

 

"Wenn die Leute beim Betrachten meiner Bilder gleichzeitig weinen und lachen, dann ist das genau die Reaktion, die die Bilder auch bei mir hervorrufen", sagte er bereits vor vielen Jahren. In seinen Arbeiten präsentiert er die gesellschaftliche Realität: Phänomene wie Konsum, Tourismus oder nationale Identitäten beleuchtet er aus einer unterhaltsamen Perspektive, die das Banale, Extreme und manchmal auch Abgründige im Alltäglichen sichtbar macht.

 

Martin Parr GERMANY. Dusseldorf. KGV Stoffeln. Gert Achermann, 2018, aus der Serie Kleingärtner, Foto © Martin Parr / Magnum Photos

 

Derzeit ist dieser Satiriker des zeitgenössischen Lebens in einer Retrospektive im Düsseldorfer NRW-Forum zu sehen. Seine Arbeiten der letzten Jahre zeigt das Forum in Kombination mit neuen Fotografien aus dem Düsseldorfer Kleingarten-Milieu. Das Ergebnis: Der Besucher kann sich an (fast) typisch Deutschem aus humoristisch-britischer Sicht erfreuen, auch wenn die Gartenzwerge fehlen.

     Gleichwohl fragt man sich: Ist das auch wirklich alles von Parr? Der Zyniker wirkt mit seinen Schrebergartenbildern eher zahm, ordentlich, freundlich, keine Farbexplosionen, keine hässlichen Schocker aus Düsseldorfer Vorstadtgärten! Der Meister, barfuß in bequemen Birkenstock-Tretern, kommentiert dies schlicht damit, er werde älter. "Und damit ruhiger und sanfter." Ein neuer Parr also, auch schön.


Der vielfach ausgezeichnete Fotograf wurde auf zahlreichen internationalen Ausstellungen gezeigt. Seit 1994 ist er Vollmitglied der legendären und renommierten Fotoagentur Magnum.

     Das war allerdings längst nicht selbstverständlich. Denn Martin Parrs erste Bewerbung als Magnum-Mitglied wurde abgelehnt. Einflussreiche Agenturvertreter wie der für seine perfekten Bildkompositionen berühmte Henri Cartier-Bresson (1908-2004) (mehr) oder der britische Fotojournalist und Vietnamkrieg-Chronist Philip Jones Griffiths (1936-2008) fanden den Stil ihres Berufskollegen offensichtlich nicht passend.

     Schließlich war dessen Interesse an der sogenannten profan-provozierenden Lebensrealität nicht das, was Magnum-Größen eindrucksvoll in den Slums der Dritten Welt oder auf Kriegsschauplätzen in Schwarz-Weiß dokumentierten.

 

Martin Parr Sedlescombe, England, 1995-1999, aus der Serie Think of England, Foto © Martin Parr / Magnum Photos

 

Martin Parr O´Connell Bridge, Dublin, Ireland, October 1981, aus der Serie Bad Weather, Foto © Martin Parr / Magnum Photos

 

Der Fotograf Martin Parr hat eben eine sehr eigene Philosophie. „Ich greife gerne Klischees auf, mache sie zum Ausgangspunkt meiner Arbeit und gebe ihnen eine neue Wendung.“

     Parrs Aufnahmen aus allen Schichten der  Gesellschaft seines Heimatlandes - ob Arbeiterklasse oder High Society - waren zunächst nur Eyecatcher: Grell in den Farben, verschroben in der Motivwahl und ungewöhnlich verdichtet in den Perspektiven, gleichwohl jedoch humorvoll und originell.

     Er selbst sieht die Dinge des Lebens weder als schlecht noch als gut und er sei, wie er einmal betonte, stets daran interessiert, beide Extreme darzustellen.

 

Medien und Ausstellungshäuser schätzten zunehmend Parrs Fotografierkunst, ergötzten sich an seinem als typisch britisch geltenden Humor, seiner optisch verarbeiteten Ironie und der Präzision, mit der er – anfänglich ebenfalls Schwarz-Weiß und später in Farbe sowie digital – die Gesellschaft und ihre Auswüchse schonungs- und gnadenlos portraitierte. Heute ist der 66-Jährige gerade wegen seines untrüglichen Blicks auf die Spezies Mensch längst weltberühmt, stilprägend und damit einer der Großen in der Dokumentarfotografie. Als „Großbritanniens einflussreichster Fotograf“ bezeichnete ihn einmal das Magazin Wirtschaftswoche.

 

Martin Parr Acropolis, Athens, Greece 1991, aus der Serie Small World Foto © Martin Parr / Magnum Photos

 

Martin Parr New Brighton, England, 1983-85, aus der Serie The last Resort, Foto © Martin Parr / Magnum

 

Mit der Fotografie begann Parr in den 1970er Jahren, und zwar zu der Zeit, als in Düsseldorf das Künstler-Ehepaar Bernd und Hilla Becher an der Kunstakademie ihre bahnbrechenden Typologie-Fotoarbeiten (mehr) einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich machten und die Fotografie als eigene Kunstform etablierten.

     Im Magazin des Wochenblattes DIE ZEIT äußerte sich Parr einmal zu Fragen der Fotografie und zu den Bechers. Parr: „Ich liebe die ästhetische Strenge der Bechers, sie haben auch sonst alles verändert. Sie haben die Tür zum Kunstmarkt geöffnet, davon profitieren wir Fotografen bis heute.“

     Ab 1980 wandte sich der Brite verstärkt der Farbfotografie zu und änderte seinen Stil. „Vorher hatte ich den Alltag gefeiert, dann wurden die Arbeiten kritischer“ zitierte ihn das ZEIT-Magazin. Maßgeblich war seine Fotoserie The last Resort, in der er britische Strandurlaubsszenen zeigt. Schön oder schön hässlich? Die Bildserie markierte auf jeden Fall den Zeitpunkt, an dem Parr internationales Renommee erlangte und seinen Durchbruch auf dem Kunstmarkt schaffte.

cpw

 

► Die Ausstellung in Düsseldorf bietet über 400 Werke auf. Neben berühmten Bilder-Serien wie The last Resort, Think of England, Luxury, Life’s a Beach und Common Sense umfasst sie erstmals auch frühe Fotografien seiner Debüt-Serie Bad Weather. Eigens für die Ausstellung im NRW-Forum entstand die Serie Kleingärtner, die Martin Parr im Großraum Düsseldorf fotografiert hat.
cpw

 

Die Ausstellung „Martin Parr Retrospektive“ wird bis zum 10. November 2019 gezeigt.

NRW-Forum Düsseldorf
Ehrenhof 2
40479 Düsseldorf
Tel. 0211 / 89266-90
Öffnungszeiten
DI – DO 11 – 18 Uhr
FR 11 – 21 Uhr
SA 10 – 21 Uhr
SO 10 – 18 Uhr

 

 

 

 

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