rheinische ART
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rheinische ART 08/2015

Archiv 2015

BISMARCK-GEDENKJAHR
Der Alte im Sachsenwald

 

E. Behrendt Bismarck in Kürassier-Uniform mit seinem Reichshund Tyras II (Ausschnitt), Ölgemälde, Dessau um 1890, Foto © Otto-von-Bismarck-Stiftung Schönhausen 2015

 

Franz Krüger Bismarck als elfjähriger Schüler, Kreidezeichnung Foto © Bismarck-Museum Schönhausen 2015

 

Vor 200 Jahren wurde Otto von Bismarck geboren. Ausstellungen in London, Sankt Petersburg und zuletzt im Goethe-Institut in Paris erinnerten im Ausland an den deutschen Politiker, der eine Schlüsselfigur der nationalen und internationalen Geschichte des 19. Jahrhunderts war.

 

wer im Rheinland anlässlich des Geburtsjahres des Staatsmannes, erzkonservativen Monarchisten und Reichsgründers nach einer Präsentation, musealen Aufarbeitung oder vergleichbaren Würdigung sucht, wird nicht fündig.

     Der Interessierte muss zu Museen reisen: etwa nach Friedrichsruh bei Hamburg, dem Ex-Landsitz Bismarcks, oder nach Bad Kissingen, dem langjährigen Kurort des Politikers.  Empfehlenswert ist ein Museumsbesuch im altmärkischen Schönhausen bei Stendal, dem Stammsitz der Familie, wo Otto von Bismarck am 1. April 1815 geboren wurde.
     Denn im dortigen Bismarck-Museum wird weniger der Politiker ausgebreitet als vielmehr Interessantes, Amüsantes und Bemerkenswertes aus dem familiären Umfeld. Der junge Otto war zum Beispiel für manches Bubenstück gut. Wo sonst erführe man, dass der pubertierende Knabe im Schlosspark mit Schrot auf das Hinterteil einer Herkules-Steinfigur schoß. Und der Corps-Student in Göttingen, wo er in drei Semestern 28 Mensuren geschlagen haben soll, über sein Geburtshaus lästerte, es gäb dort "Ratten in Masse, Camine in denen der Wind heult", und überhaupt alles geeignet sei, einen tüchtigen Spleen zu unterhalten.

     In den drei Memorial-Häusern werden mit Sonderausstellungen derzeit Leben und Leistungen des Politikers gewürdigt. Die Schauen werden von der Otto-von-Bismarck-Stiftung unter dem Titel „Bismarck: Familie - Politik – Mythos“ koordiniert. Je Museum wird einer der drei Themenkomplexe präsentiert.

 

Im Schloß Schönhausen (I), um 1700 im Barockstil erbaut, wurde Otto von Bismarck als viertes Kind des Rittmeisters Ferdinand von Bismarck und dessen Ehefrau Luise Wilhelmine geboren. Er wurde in der nahen spätromanischen Dorfkirche auf den Namen Otto Eduard Leopold getauft. Farblithografie, um 1870. Foto © Bismarck-Museum Schönhausen 2015

 

Bismarck-Kult Für die meisten Deutschen war Otto von Bismarck (1815-1898), der „Eiserne Kanzler“, schon zu Lebzeiten die herausragende Symbolfigur des Reiches, ja geradezu seine menschliche Verkörperung.

     Der grummelnde und zornige „Alte im Sachsenwald“ - wie er gerne volkstümlich genannt wurde - hatte sich nach seiner Entlassung als Reichskanzler im März 1890 schmollend auf seinen Landsitz Friedrichsruh im Sachsenwald bei Hamburg zurückgezogen. Lebensabend hin oder her: der adlige Pensionär, höchst enttäuscht von seinem politischen Ende, war noch ständig für gepfefferte Kritik am Berliner Politikbetrieb und dem ganzen Kaiserreich gut. Es machte ihn letztlich zur Kultfigur, geliebt und gehasst, und als aktiver wie demissionierter Politiker zum Adressat unzähliger gesellschaftlicher oder persönlicher Huldigungen.

 

Museum Schönhausen, Blick in die Ausstellung. Wilhelm Geissler Enthüllung des Bismarckdenkmals vor dem Berliner Reichstag am 16. Juni 1901 (Des grossen Kaisers grossem Diener, 16. Juni 1901, Aus der Vogelschau), Öl auf Leinwand. Davor Reiterstatuette Bismarcks, dem Standbild des Leipziger Siegesdenkmals von Rudolf Siemering nachgebildet. Bronze, Geschenk Leipziger Bürger zum 80. Geburtstag. Foto ©rART

 

In Aachen, Bonn, Essen, Köln, Remscheid, Velbert und Wuppertal, um nur einige rheinländische Plätze zu nennen, stehen mächtige Bismarcktürme, diese besondere Variante der Bismarck´schen Denkmalkultur, in der Landschaft.

     Erinnert sei auch daran, dass Fürst Otto von Bismarck zu seinem 60. Geburtstag 1875 zum Ehrenbürger der Stadt Köln ernannt wurde. Und es war das ehrwürdige Köln, dass dem ersten deutschen Reichskanzler vier Jahre später das zweite öffentliche Bismarck-Denkmal im Deutschen Reich errichtete. Die Statue, aufgestellt auf dem Augustinerplatz, ging allerdings in den Kriegswirren um 1945 verloren.

 

Bronzener Ehrenbürger: Bismarck-Statue vor dem Kasino auf dem Augustinerplatz in Köln um 1900. Die 2,83 Meter hohe Skupltur entwarf der Berliner Bildhauer Fritz Schaper (1841–1919). Das Denkmal war nach der Bismarck-Figur in seinem Kurort Bad Kissingen das zweite im Deutschen Reich. Fotoquelle: Foto © Kölnisches Stadtmuseum, Fotograf unbekannt

 

Mag sein, dass im Rheinischen angesichts des derzeit schau- und aktionsreichen, ebenfalls 200-jährigen Preußen-Erinnerungsjahres mit dem Titel „Danke Berlin“ (mehr) der Blick auf den „Schmied des Reiches“ getrübt oder verstellt war.

     Und für den einen oder anderen zwischen Kleve, Koblenz und Trier ist dem Preußentum mit „Danke Berlin“ vermutlich eh genüge getan worden. Die Evangelische Akademie Rheinland richtete dem Reichskanzler termingerecht wenigsten eine Tagung mit Diskussion aus. Vielleicht ist aber auch der „Erfinder“ der gesetzlichen Sozialversicherung weniger in Erinnerung als der Machtmensch Bismarck, dessen Kölner Standbild ihn zum Beispiel als Soldat mit Waffe zeigte. Was nicht gut ankam während des Kulturkampfes!

 

Bismarck in Feldgrau, Feldpostkarte. Der Politiker, der das Deutsche Reich nach dem deutsch-französischen Krieg 1871 aus weiteren Konflikten heraushielt, wurde im Ersten Weltkrieg benutzt, um das Volk auf den Geist von 1914 einzuschwören und den Siegeswillen der Soldaten zu bestärken. Foto © Bismarck-Museum Schönhausen 2015

 

Provokation Es war schon, dies darf festgehalten werden, ungewöhnlich für das katholische Rheinland, dass Otto von Bismarck zum Geburtstag die Ehrenbürgerschaft Kölns zugesprochen wurde. War der Reichskanzler aus Berlin doch ein noch lebender Politiker, ein Protestant und kein Mitglied der Herrscherfamilie aus dem Hause Hohenzollern. Die Enthüllung des Kölner Standbildes 1879 war von allerhand Protesten begleitet, vor allem wegen des martialischen Äußeren des Geehrten - das Denkmal, so hieß es allenthalben, sei eine Provokation.

     Möglicherweise befeuerten auch die Finanziers des Reichsgründer-Standbilds die starke Ablehnung. Die erste Tranche der Förderung, 20.000 Mark, kam nämlich vom Industriellen Christoph Andreae (1819-1878), dessen Vorfahren einst aus der Stadt Köln in den nördlichen Vorort Mülheim vertrieben worden waren. Eine ebenso hohe Summe spendete öffentlich der Bonner Unternehmer Freiherr Friedrich Heinrich von Diergardt. Beide Mäzene im Übrigen dem Protestantismus verpflichtet.

 

Das Bismarck-Museum in Schönhausen. Die Schauräume befinden sich in dem nicht vom Abriss betroffenen Seitenflügel des Schlosses (I). Die Grasfläche und die ruinenhaften sichtbaren Fundamente markieren die Lage des ehemaligen Schlosses (I). Im Hintergrund die spätromanische Backsteinkirche St. Marien und Willibrord von 1210. Foto © rART

 

Memorialstätte Schönhausen Das Bismarck-Museum in der Elbegemeinde Schönhausen zeigt anhand zahlreicher Exponate die Bismarck`sche Familiengeschichte und die Entwicklung des landadeligen jungen Otto auf. Sichtbare architektonische Zeugnisse sind die erhaltenen und aufwendig restaurierten Teile des Schlosses I, des Geburtshauses, in der barocken Parkanlage. Ferner Ottos romanische Taufkirche sowie das Schloss II, das heute als Schule dient.

     Das Geburtshaus wurde 1958 im Zuge ideologisch motivierter Zerstörungsaktionen, die sich gegen Herrenhäuser als „Horte der Reaktion“ sowie gegen jegliche Symbole preußischen Militarismus richteten, gesprengt. Im verbliebenen Gebäuderest (Zofenflügel) befindet sich seit 1998 das neue Bismarck-Museum. Das erste wurde zu Ehren des Politikers noch zu seinen Lebzeiten 1891 im Schönhauser Schloss II eingerichtet, 1948 aber von den DDR-Behörden geschlossen.

 

Museum Schönhausen, Blick in die Ausstellung. Hängungen: links im schwarzen Rahmen Curt Stoeving „Adresse des Verbandes der deutschen Berufsgenossenschaften“ von 1895, das Exponat weist auf Bismarcks Sozialversicherungspolitik hin; dahinter Der Berliner Kongreß 1878. Lichtdruck nach einem Gemälde von Anton von Werner, 1881. Rechts: E. Behrendt Bismarck in Kürassier-Uniform, Öl auf Leinwand, 1890. Foto ©rART

 

Ausstellung In dem kleinen, eher bescheidenen aber hochinformativen Museum wird die Schau in einer einfachen chronologischen Gliederung, verteilt auf drei Räume, präsentiert. Dies hat den Vorteil, dass der Besucher schnell und überblickartig die zentralen Lebensstationen von Bismarck, ob als Politiker oder Privatmann, Schüler, Student, Ehemann und Naturfreund, erfährt.

     Der erste Raum dokumentiert Familiäres aus der Zeitspanne 1815 bis 1871, der zweite die politische Phase bis zur Entlassung als Reichskanzler 1890 und der dritte Raum bietet Exponate zur Bismarck-Verehrung nach 1890 und dem nach seinem Tode aufkommenden Personenkult.

cpw

 

Die Otto-von-Bismarck-Stiftung hat ihren Sitz in Friedrichsruh, wo der Politiker am 30. Juli 1898 starb in einem Mausoleum beigesetzt wurde. Seit 2007 ist die Stiftung mit einem Standort in Schönhausen vertreten. Friedrichsruh zeigt im Rahmen des Ausstellungsprojektes wichtige Aspekte des Mythos um den Staatsmann. Im städtischen Bismarck-Museum Bad Kissingen ist eine Sonderausstellung zum politischen Werk des Reichskanzlers zu sehen.

 

Die Sonderausstellung in Schönhausen kann bis zum 31. De­zem­ber 2015 besucht werden.
Bismarck-Museum Schönhausen

Kirchberg 4-5

39524 Schönhausen/Elbe

Tel. 03 93 23/ 3 88 74

Öffnungszeiten

DI-SO 10-18 Uhr (1. April bis 3. Oktober)

DI-SO 10-16.30 Uhr ( 4. Oktober bis 31. März)

 

 

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