rheinische ART
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rheinische ART 12/2012

 

ARCHIV 2012

Canalettos Veduten im Doppelpack

 

Schöne Aussichten in Paris

 

Es ist ungewöhnlich, dass in einer Kulturmetropole zwei renommierte Museen gleichzeitig demselben Künstler ihre Aufwartung machen. In Paris kann der Besucher dies über die Jahreswende erleben. Der Star der Herbst-Wintersaison heißt dort ohne Zweifel Giovanni Antonio Canal, genannt Canaletto. Der Venezianer ist der berühmteste und erfolgreichste unter den Vedutisti des 18. Jahrhunderts, den Malern von fotografisch anmutenden Stadtansichten und Landschaften. Vedutenfans können sich freuen, ist es doch eine großartige Gelegenheit, die besten Gemälde Canalettos zu bewundern.

 

Canaletto (Antonio Canal), The Grand Canal and the entrance to Cannaregio, Oil on canvas, 46 x 78.4cm, London, The Royal Collection, lent by her Majesty Queen Elizabeth II, Supplied by Royal Collection Trust © HM Queen Elizabeth II 2012 (im Musée Jacquemart-André)

 

Die beiden sehenswerten Schauen stehen jedoch nicht - wie zu vermuten wäre - in Konkurrenz. Eher ergänzen sie sich, da die Kuratoren unterschiedliche Sichtweisen auf die Werke des gefeierte Meisters Canaletto (1697-1768) wählten. Was ist das Besondere der Veduten, dieser speziellen Unterart der Gattung Landschaftsmalerei?


Meister der Perspektive

 

Veduten (von ital. veduta = Ansicht, Aussicht) sind linearperspektivisch in die Tiefe gerichtete, farblich präzise und extrem detailgenaue Stadt- oder Landschaftspanoramen. Stil und Motive wie etwa Plätze, Gebäude, Flüsse oder reizvolle Landstriche, erinnern an die später populären Ansichtskarten oder Landschaftsfotografien. Und in der Tat können sie als deren Vorläufer „in Öl“ gesehen werden. Seinen grandiosen Erfolg verdankt dieses Genre dem Italientourismus junger englischer Aristokraten im frühen 18. Jahrhundert. Für sie war die „Grand Tour“, so hieß damals eine ausgedehnte Bildungsreise durch Kontinentaleuropa, ein „must have“. Die finanzstarken Traveller kauften nicht nur bedeutende Kunstwerke, sie fanden auch zunehmend Gefallen daran, Bilder mit Motiven ihrer italienischen Reiseziele als Souvenirs fertigen zu lassen und als Kunst zu Hause aufzuhängen. Canaletto war zwar nicht der Erfinder dieser weitwinkelartigen Ansichtsbilder, jedoch zweifellos ihr geschäftstüchtigster und umsatzstärkster Produzent.

 

Die Mäzene

 

Die Begeisterung für Veduten wurde im frühen 18. Jahrhundert maßgeblich durch den britischen Bankier und späteren Konsul in Venedig Joseph Smith geschürt. Der Kaufmann und Kunstkenner vermittelte gemeinsam mit seinem Bruder John zahlreiche Gemälde Canalettos an die adlige Landsmannschaft. Die Smith-Brüder waren es auch, die Canaletto 1746 nach London holten, wo seine Malerei vom Duke of Richmond gefördert wurde. Vor diesem Hintergrund ist es kein Wunder, dass sich heute Kennern zufolge rund 200 Werke Canalettos - und damit etwa die Hälfte aller ihm zugeschriebenen Veduten - in Sammlungen in Großbritannien befinden. Selbst in der Gemäldekollektion des englischen Königshauses befinden sich Werke des Venezianers.

 

Canaletto (Antonio Canal), Piazza San Marco, looking East, Oil on canvas
141,5 x 204,5 cm, Madrid, Museo Thyssen-Bornemisza © Thyssen-Bornemisza Museum, Madrid (im Musée Jacquemart-André)

 

 

Die Ausstellungen

 

Das private Musée Maillol hat rund 50 Canaletto-Veduten versammelt und präsentiert sie unter dem Titel „Canaletto in Venedig“ (Canaletto à Venice). Die erstmals in Frankreich gezeigte Schau ist allein den venezianischen Stadtansichten des Malers gewidmet. Es ist eine großartige Betrachtung der berühmten Dogenstadt mit den Augen eines Meisters der Perspektive. Bekanntlich war Venedig eine jener Städte, die vielen Künstlern als Motiv diente. Aber der berühmteste von allen bleibt Giovanni Antonio Canal. Seine streng konstruierten, weitwinkelhaft und präzise inszenierten urbanen Landschaften, besonders die venezianischen Stadtportraits mit ihren majestätischen Palästen und Kanälen, setzten die Maßstäbe für die Kunst der Vedutenmalerei.

 

  Das Musée Jacquemart-André zeigt ebenfalls rund 50 großartige Stadtansichten Venedigs, aber nicht nur von Canaletto, sondern ebensolche seines Schülers Francesco Guardi (1712-1793). In der Ausstellung „Canaletto – Guardi. Die zwei Meister von Venedig“ (Canaletto-Guardi. Les deux Maîtres de Venise) werden beide Ansichtenmaler gegenübergestellt. Canal und Guardi malten als Vertreter der venezianischen Schule vorzugsweise Veduten ihrer Heimat, der „allerdurchlauchtesten Republik des Heiligen Markus“ (La Serenissima Repubblica di San Marco), so der offizielle Staatstitel der Republik Venedig zu jener Zeit. Der Vergleich zeigt, dass in Frühwerken Guardis der Einfluss seines Lehrers bei Akkuratesse, Detailfreude und Perspektive unverkennbar ist. Später weicht Guardi von der klassischen Vedutenmalerei ab und wechselt in eine eher impressionistisch-orientierte und impulsive Malweise. Neben Canaletto und Guardi, dessen 300. Geburtstag diesjährig gefeiert wird, zeigt das Museum ferner Veduten anderer Maler wie Gaspar Van Wittel, Luca Carlevarijs, Michele Marieschi und Bernardo Bellotto, dem Enkel Canalettos.
Claus P. Woitschützke

 

Die Ausstellung „Canaletto à Venice“ ist bis zum 10. Februar 2013 geöffnet.

Musée Maillol – Fondation Dina Vierny
59/61, Rue de Grenelle
75007 Paris
Tel. + 33 (0) 1 42 22 59 58

Öffnungszeiten:
Täglich von 10.30 – 19.00 Uhr
Freitagabend bis 21.30 Uhr


 

Die Ausstellung „Canaletto - Guardi. Les deux Maîtres de Venise“ dauert bis zum 14. Januar 2013.

Musée Jacquemart-André
158, Boulevard Haussmann
75008 Paris
Tel. +33 (0)1 45 62 11 59
Öffnungszeiten:
Täglich von 10 – 18Uhr
Montagabend und Samstagabend bis 21 Uhr

 

 

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