rheinische ART
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rheinische ART 06/2012

 

ARCHIV 2012

Zum 200. Geburtstag des Malers Wilhelm Kleinenbroich

 

Wilhelm Kleinenbroich kurz vor seinem Tod 1895, Fotografie von Jean Schnock, Köln  © Kölnisches Stadtmuseum/Rheinisches Bildarchiv

 

Der vergessene

 

Revolutionär

 

 

Seine Vita ist bemerkenswert. Geboren im französischen Köln, aufgewachsen dortselbst während der preußischen Restauration, Aktivist der Revolution von 1848, als Folge gesellschaftlich isoliert und jahrelang in der inneren Emigration, im wilhelminischen Kaiserreich amnestiert und mit dem Heimatland versöhnt, ist er schließlich wieder angesehener Bürger seiner Geburtsstadt. Ein sozial engagierter akademischer Kunstmaler wie auch bissiger Karikaturist, dessen Werke in einer ersten Retrospektive im Kölner Stadtmuseum versammelt sind.

 

 

Von der Dekoration zur Revolution

 

Wilhelm Kleinenbroich: Die Familie des Advokaten Bernards in ihrer Wohnung mit Blick auf St. Andreas, 1837, Ölgemälde auf Leinwand
© Kölnisches Stadtmuseum/Rheinisches Bildarchiv

 

Wilhelm Kleinenbroich: Der Proletarier, 1845, Ölgemälde auf Leinwand
© Stiftung Sammlung Volmer, Wuppertal

 

DER MALER Wilhelm Kleinenbroich (1812-1895) wird gerne als typischer Kölner bezeichnet: volksnah, feierfreudig, dem Karneval ebenso zugetan wie dem Vereinsleben, der Obrigkeit gegenüber jedoch kritisch bis widerborstig eingestellt. Er ist mit Mitte zwanzig bereits ein gefragter Portrait- und namhafter Dekorationsmaler, ausgebildet bei dem Kölner Maler Simon Meister. Seine für die Karnevalssession 1834/35 ausgeführte Gürzenich-Ausmalung fand derart große Resonanz, dass sie als einzige in einer Lithographie-Serie überliefert ist.

   Seit Jahren engagierte sich Kleinenbroich auch für die unteren sozialen Schichten. Er hatte längst die Nöte und Missstände in der Bevölkerung erkannt und hielt zunehmend das soziale Unrecht im Bild fest. In seiner Zeit an der Düsseldorfer Malerschule 1842/43, die seine Politisierung stark beeinflusste, entwickelte er aus diesen Erkenntnissen heraus mit Johann Peter Hasenclever und Carl Hübner die sozialkritische Malerei als eigenes Genre. Berühmtes Werk jener Phase ist das seinerzeit Aufsehen erregende, im klassischen Akademie-Stil geschaffene Gemälde „Der Proletarier“ von 1845. Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass die aus dem Französischen in die Rheinprovinz schwappenden revolutionären Unruhen bei dem Mittdreißiger 1848 auf begeisterte Zustimmung stießen.

 

Kölner Petition

 

Im Revolutionsjahr 1848 ist Wilhelm Kleinenbroich offenbar mehr der Politik zugetan als der Malerei. Während sich in seiner alten Wirkungsstätte Düsseldorf der Künstlerverein „Malkasten“ etabliert, verwirklicht Kleinenbroich seine sozial-revolutionären Gedanken als Gründungsmitglied des Kölner Arbeitervereins und steigt auf die Barrikaden. Ein wichtiger Motor dieser frühen deutschen Arbeiterbewegung ist sein Freund Andreas Gottschalk (1815-1849), ein Armenarzt und Sozialist. Gottschalk ist es, der im März des Jahres in der roten Arbeiterhochburg Köln eine rund 5.000 Teilnehmer umfassende Versammlung initiiert und mit einem radikalen Programm, als "Kölner Petition" bekannt, den Weg in den sozialistischen Wohlfahrtsstaat fordert. Das Portrait des Kölner Arztes, der 1849 an einer Seucheninfektion verstarb, wurde von Kleinenbroich post mortem gemalt und gehört ebenfalls zu seinen herausragenden Werken.

Wilhelm Kleinenbroich - Plünderung des Offermannschen Gewehrladens in der Schildergasse am 25. September 1848, aquarellierte Zeichnung
© Kölnisches Stadtmuseum/Rheinisches Bildarchiv

 

   Kleinenbroich sympathisierte auch nach der Niederschlagung der Aufstände mit den Umstürzlern, wenn er auch Gewalt ablehnte. Seine Form des Widerstandes wird das Erfassen revolutionärer Themen in Lithographien und Aquarellen sowie in bissigen Karikaturen, in denen er sich über Politik und Herrscher lustig macht. Dies machte den heute fast vergessenen kritischen Künstler zu einer Ikone der Kölner Revolutionsgeschichte. Seine Illustrationen, von denen zahlreiche verloren gingen, dienen heute vielfach in Lehrbüchern als zeitgenössische Revolutionsabbildungen.

 

Persona non grata

 

Nach der gescheiterten Revolution ist der Chronist des Aufstands in Köln in den freiheitlich-bürgerlichen Kreisen der Stadt nicht mehr gefragt. Wilhelm Kleinenbroich zieht sich aus der Politik zurück und lebt bescheiden von Dekorations- und Portraitmalerei. Erst Jahre später nach einer Amnestie für Ex-Revolutionäre erhält er wieder offizielle Aufträge. Anlässlich des preußischen Sieges über Frankreich kann er 1870 ein Triumphtransparent anfertigen, zwei Jahre später wird er für Wagendekorationen im Kölner Rosenmontagszug „Sieg und Frieden“ geehrt. In seiner Heimatstadt gilt er von da an als angesehener Künstler, das Kölner Bürgertum schätzte ihn zudem als Ausstattungsmaler seiner neu errichteten Villen.

 

Mit der kleinen Retrospektive präsentiert erstmals ein Museum das gesamte Spektrum von Kleinenbroichs künstlerischem Schaffen: Karnevalsdekorationen von 1835, Porträts aus Museums- und Privatbesitz, sozialkritische Bilder und Motiventwürfe für den Rosenmontagszug des Jahres 1872. Den Mittelpunkt der Schau bilden Exponate aus den Beständen des Kölnischen Stadtmuseums. Darunter eine der seltenen erhaltenen schwarz-rot-goldenen Fahnen von 1848 und Kleinenbroichs Grafiken und Aquarelle zum Revolutionsgeschehen in Köln.

Klaus M. Martinetz

 

Die Ausstellung "Revolution! Dem Maler Wilhelm Kleinenbroich zum 200. Geburtstag" wird bis zum 16. September 2012 gezeigt.

Kölnisches Stadtmuseum
Zeughausstr. 1-3
50667 Köln

Tel. 0221 / 2215789


Öffnungszeiten:
DI 10 – 20 Uhr
Mi - SO 10 – 17 Uhr

 

 
 

 

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