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rheinische ART 03/2024

NACHRUF
Richard Serra – master of steel


Vor über einem halben Jahrhundert stellte ein US-amerikanischer Künstler namens Serra in Köln seine Werke aus. Das passierte in der Galerie Rolf Ricke. Jetzt ist der Schöpfer von Stahl-Skulpturen im Alter von 85 Jahren gestorben.

 

Richard Serra 1-1-1-1, Skulptur 1969/1992. Blei, Antimon, 4 Platten je 122 x 122 x 2,5 cm und eine Rolle ca. 213 cm lang, Durchmesser 10 cm. Gesamtabmessung ca. 130 x 250 x 340 cm Bildquelle © Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen. Foto: Werner Hannappel, Essen, © VG Bild-Kunst, Bonn 2021

 

Richard Serra (1938–2024) war einer der bedeutendsten Künstler seiner Generation. Sein kreatives Spezifikum: großformatige, ortsspezifische Skulpturen für architektonische, städtische und landschaftliche Umgebungen. Und dies weltweit, von Island bis Neuseeland – und auch im Rheinland!

     Die seinerzeitige Präsentation in Köln ist schon bemerkenswert. Denn die Ausstellung 1968 in den Räumen der Galerie Ricke, die Serra und der Installationskünstler Keith Sonnier (1941–2020), dessen Spezialität Neonröhren, Glas, Latex, Fett und Aluminium waren, gemeinsam bespielten, waren ihre ersten Expositionen überhaupt. Galerist Rolf Ricke zählte damals zu jenen Avantgardisten, denen zahlreiche Kreative ihre Entdeckung und Etablierung am Kunstmarkt verdankten.

 

Richard Serra und eines seiner Werke - © Richard Serra (Instagram)


Richard Serra hatte in den frühen Sechzigerjahren begonnen, Skulpturen aus Materialien wie Draht, geschmolzenem Blei, Papier und vulkanisiertem Gummi zu schaffen. Es waren minimalistische und abstrakte Werke. Das Material wurde zum Markenzeichen seiner Kunst, vor allem, als er sich dem Stahl zuwandte.

     Mit seinen raumgreifenden Stahl-Konstruktionen, die er bog und „kurvte“ wie etwa das gewellte Standbild „Snake“ im Bilbaoer Guggenheim Museum, wurde er zu einem der führenden Vertreter der Land-ART und Prozesskunst.

     Seine Kunst sei „das Ergebnis von Erfahrungen, die nicht in Worte gefasst werden“ könnten, sagte er einmal über seine schwergewichtigen Exponate. Das sahen renommierte Kunstkreise ähnlich. So erklärte das New Yorker Guggenheim-Museum Serras Werk zu „monumentale Arbeiten“, die die Wahrnehmung der Betrachter „von Raum und Form verändert“ hätten.

 

Richard Serra Snake, 1994-1997, Standort Guggenheim Museum Bilbao. Bildquelle © Guggenheim Museum Bilbao Foto © 2012 Richard Serra/ Artists Rights Society (ARS) New York

 

Richard Serra Terminal, 1977, vier Corten-Stahlplatten, Bochum, vor dem Hauptbahnhof; nach der Reinigung und Restaurierung im April 2014. Bildquelle © Wikipedia gemeinfrei

 

In der Tat schuf Serra kolossale Standbilder, die ein Spiel mit Schwerkraft und Material, Licht und Schatten darstellen und die Betrachter herausfordern. Die meisten seiner Werke sind groß und tonnenschwer. Vielfach wurden sie nach Modellen in Deutschland hergestellt. Sie machten den Künstler zu einem der erfolgreichsten und wichtigsten Bildhauer der Welt.

     Serra wollte mit seiner Kunst nicht gefallen. Er war stets ein kritischer Geist, blieb umstritten und sorgte für manchen Eklat. So zog er seinen Entwurf für das Holocaust-Mahnmal in Berlin, den er in Kooperation mit dem US-Architekten Peter Eisenman eingereicht hatte, nach Unstimmigkeiten über Änderungswünsche am 2. Juni 1998 wieder zurück.


Am 2. November 1938 in San Francisco als Sohn einer russischen Mutter und eines spanischen Vaters geboren, sollen – wie die Erzählung geht – der Anblick großer Schiffe in der Bucht vor der Stadt und die Verarbeitung von Stahl die Impulse für seine spätere Karriere als Weltkünstler geliefert haben.

     Serra studierte unter anderem Kunstgeschichte und war Schüler und Assistent des deutschen Emigranten, Maler, Farbfeld-Philosophen und Bauhausschüler Josef Albers aus Bottrop (mehr). Zeitlebens fühlte sich Serra dem Milieu der stahlverarbeitenden Schwerindustrie verbunden. Er schuf Arbeiten für deutsche Standorte wie etwa dem Rhein-Ruhr-Revier sowie auch für die Saarländer Dillinger Hütte.

 

Richard Serra Bramme für das Ruhrgebiet I, 1998. Landmarke in der Emscherregion, Standort Schurenbachhalde im Essener Stadtteil Altenessen. Die Walzstahl-Stele wiegt 67 Tonnen, misst 14,5 Meter in der Höhe und 4,2 Meter in der Breite. Hersteller war der französische Konzern Creusot-Loire-Industries.

 

Skulpturen von Richard Serra sind unter anderen im Kant-Park Duisburg, in Bochum vor dem Hauptbahnhof und in Essen vor dem Folkwang Museum zu sehen, ferner in der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen. 1991 erhielt Serra in Duisburg den Wilhelm-Lehmbruck-Preis für Skulptur. Aus dem Jahr 1998 stammen seine Arbeiten „Lemgo Vectors“, drei rund 16 Tonnen schwere geschmiedete Blöcke aus wetterfestem Stahl, und die minimalistische Stele „Bramme“ auf der Schurenbachhalde in Essen.

     Richard Serra starb am 26. März 2024 in dem Weiler Orient auf Long Island, New York, an einer Lungenentzündung. Über seine Kindheitsjahre sagte der master of steel einmal mit Blick auf Kriegsschiffe, Blei und Stahl im Hafen von San Francisco: „Ich bin arm aufgewachsen, aber die Atmosphäre war reich.“
rART/cpw

 


 

 

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