INDUSTRIE-MALEREI
1000 Feuer und mehr
Solche Ausstellungen sind rar! Industriemotive aus dem Ruhrrevier, dargestellt in Gemälden und Grafiken. Kunst also mit industriellem Background. Das Essener Ruhr Museum hat das Thema aufgelegt!
Fritz Gärtner Hochofenabstich, Öl auf Hartfaser/ Malplatte, 1924. Bildquelle © Ruhr Museum / Sammlung Ludwig Schönefeld, Foto: Christoph Sebastian |
Was allgemein weniger bekannt sein dürfte: Die Schwerindustrie an Rhein und Ruhr übte seit dem späten 19. Jahrhundert eine große Faszination auf Kunstschaffende aus.
In ihren Werken hielten sie die Anlagen und Areale, die Veränderung der Landschaft und die rasanten Auswirkungen auf Mensch und Umwelt, fest. Die Sonderausstellung im Ruhr Museum – auf dem Gelände des UNESCO-Welterbe Zollverein – mit dem spannenden Titel „Das Land der tausend Feuer“ zeigt, wie stark die Region bildende Künstler inspiriert hat. Sie ist in den spektakulären Kohlenbunkern auf der 12-Meter-Ebene des Ruhr Museums zu sehen.
Hans Frens Landschaft mit Industrie, Öl auf Karton, 1891. Bildquelle © Ruhr Museum / Sammlung Ludwig Schönefeld, Foto: Christoph Sebastian |
Willy Nus Walzwerk, Öl auf Leinwand, 1942. Bildquelle © Ruhr Museum / Sammlung Ludwig Schönefeld, Foto: Christoph Sebastian
Hugo Wallenius Madonna („Ruhr-Madonna“), Öl auf Leinwand, 1946. Bildquelle © Ruhr Museum / Sammlung Ludwig Schönefeld, Foto: Christoph Sebastian
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Das Thema ist insofern rar, da es in jüngerer Zeit erst zwei größere Ausstellungen zu dieser Kunstrichtung gab. Im Berliner Gropius-Bau 2002 und acht Jahre später in Oberhausen die Schau „Feuerländer“ (mehr).
Es waren nicht nur die Stadt- oder Regionalmuseen zwischen Duisburg und Dortmund, die Industriegemälde oder motivspezifische Druckgrafiken, Zeichnungen, Aquarelle oder Skizzen systematisch archivierten.
Der Sammler Ludwig Schönefeld war es, der über drei Jahrzehnte Industriedarstellungen zusammengetragen hat. Es ist die erste Ausstellung des Essener Museums zum Bild des Ruhrgebiets in der Kunst, erklärt das Haus. Die Schau lädt dazu ein, den ehemaligen Schwerindustrie- und Montanraum durch die Augen von Künstlern und einigen Künstlerinnen zu entdecken, die die massiven Veränderungen der Region zu verschiedenen Zeiten und in unterschiedlichen Stilen dokumentierten.
Ein Blick zurück ist angebracht. Zahlreiche Kreative waren mit Beginn der industriellen Revolution von deren Dynamik beeindruckt. Beeinflusst vom Impressionismus entwickelte sich in Europa die Gattung der Industriemalerei eigenständig zwischen den damals vorherrschenden akademischen Kunstströmungen und der späteren Fotografie (mehr).
In der Tat ist es aus heutiger Sicht erstaunlich, mit welch meist positivem Blick Zechen, Stahlwerke, Gießereien, Kokereien und Industriehäfen als Arbeitgeber und Stätten technischen Fortschritts dargestellt wurden. Flammen, Funken und Fabriken, die typischen Phänomene der Schwerindustrie, wurden häufig gegen den Trend zur Abstraktion auch von bekannten Künstlern mehr oder weniger realistisch thematisiert.
Dennoch hatten industrielle Bildmotive an den damaligen Akademien nur geringen Stellenwert. Obwohl gerade mit hochdetaillierte Szenen, etwa aus der Stahlproduktion, der Industriealltag mit seiner ganz eigenen Ästhetik bestechend vermittelt werden konnte. Stilistisch ist der Einfluss des Impressionismus in der Darstellung von Licht- und Farbeffekten, die an den Hochöfen, Walzstraßen und Kokereien vielfältig erscheinen, spürbar.
Hans Pütter Korngarben vor Industriegebiet, Öl auf Leinwand, 1951. Bildquelle © Ruhr Museum / Sammlung Ludwig Schönefeld, Foto: Christoph Sebastian |
Interessant ist an dieser Schau noch ein anderer Aspekt. Diese Kunst verfolgte nämlich auch unverkennbar politische Zwecke. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde die Industriemalerei zunehmend patriotisch. Ebenso glorifizierten später Werke aus der NS-Zeit die industrielle Leistung als Beitrag zur nationalen Größe, wobei eine enge Verbindung zwischen Arbeit und Patriotismus hergestellt wurde.
Unbekannter Künstler Streikende Bergleute, Öl auf Sperrholz (Gouache), um 1918. Bildquelle © Ruhr Museum / Sammlung Ludwig Schönefeld, Foto: Christoph Sebastian
Richard Gessner Hafenstadt am Rhein, Öl auf Leinwand, 1920/30. Bildquelle © Ruhr Museum / Sammlung Ludwig Schönefeld, Foto: Christoph Sebastian
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Das Bild des gestählten deutschen Arbeiters als „Held der Tat“ war Teil einer breiten nationalsozialistischen Propaganda. So wurde harte Arbeit über- oder untertage als Symbol nationaler Stärke verherrlicht und manche Gemälde waren von „Industrieromantik“, weniger von der Realität des Arbeitsalltags geprägt.
Nach Kriegsende 1945 gab es eine neue Richtung. Kreative zeigten zwar die Arbeitsbedingungen im Revier, stilisierten die „Werktätigen“ gleichsam zu heroischen Figuren. Die Motive ähnelten damit stilistisch dem „Sozialistischen Realismus“, auch Soz-Art genannt, einer jahrzehntelangen Kunstströmung in den ehemaligen Ostblockländer. Dort war sie systemkonforme Massenkunst, insbesondere auch in der DDR (mehr), mit der die „Betriebskampfgruppen“ gefeiert wurden.
Der Strukturwandel im Revier brachte schließlich wieder neue Industriebilder hervor, die verlassene Werke, zerstörte Umwelt und zunehmende Arbeitslosigkeit dokumentierten.
Das Ruhr Museum bietet mit „Land der tausend Feuer“ eine Schau der Sonderklasse, mit einer nicht alltäglichen Thematik. Denn sie verdeutlicht nicht nur die beeindruckende Bandbreite der Kunstschaffenden. Sie zeigt ferner Werke von bekannteren Künstlern, Autodidakten bis hin zu anonymen Urhebern. Damit unterstreicht sie, dass nicht allein Namen und künstlerischer Ruf über die Bedeutung eines Industriegemäldes für die Geschichte des Ruhrgebiets entscheiden, wie das Museum zu Recht betont.
rART/K2M
► Seit 2022 befindet sich die über 1.500 Objekte umfassende Sammlung Ludwig Schönefeld in der Obhut des Ruhr Museums. Ausschließlich aus dieser Kollektion wurden die 250 Gemälde und Grafiken für die beeindruckende Ausstellung ausgewählt.
Die Sonderausstellung Das Land der tausend Feuer. Industriebilder aus der Sammlung Ludwig Schönefeld wird bis zum 14. Februar 2026 gezeigt.
Ruhr Museum
12-Meter-Ebene
Gelsenkirchener Straße 181
45309 Essen
Öffnungszeiten
MO – SO 10 – 18 Uhr