rheinische ART
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rheinische ART 07/2025

EXPRESSIONISMUS
In aller Freundschaft!

 

Heinrich Campendonk war der jüngste Künstler im Kreis des „Blauen Reiters“ und aktives Mitglied im Deutschen Werkbund.

 

Heinrich Campendonk (Entwurf) und Anna Pahde (Ausführung), Liegende Frau und Tiere, 1920er-Jahre, Bildwirkerei, 75 × 168,5 cm, Kunstmuseen Krefeld, © VG Bild-Kunst, Bonn 2025, Kunstmuseen Krefeld – ARTOTHEK, Foto Sebastian Koehler

 

Zum ersten Mal seit fast zwei Jahrzehnten widmet sich eine umfassende monografische Ausstellung in Nordrhein-Westfalen diesem international hochgeschätzten Expressionisten. Der Rheinländer Heinrich Campendonk (1889–1957) zählt zu den vielseitigsten und faszinierendsten Künstlerpersönlichkeiten der Moderne.

 

 

Photopostkarte des Sturm-Künstlers Nr. 6 Heinrich Campendonk, 1916, Bildquelle © Wikipedia gemeinfrei

 

 

Heinrich Campendonk Tiere des Waldes und Jäger, 1915. Aquarell & Deckfarben auf Bütten, 55,5 x 41,5 cm, Kunstmuseum Gelsenkirchen, © VG Bild-Kunst, Bonn 2025. Dauerleihgabe des Landes Nordrhein-Westfalen, Foto: Martin Schmüdderich. Bildquelle © GLM Hamm

 

„In aller Freundschaft!“ – so der Titel der Ausstellung – nimmt die künstlerischen Beziehungen Campendonks in den Blick: Seine Freundschaften mit bedeutenden Vertretern der Avantgarde wie Franz Marc, Helmuth und August Macke, Heinrich Nauen (mehr) oder seinem Lehrer Johan Thorn Prikker wirkten nachhaltig auf seine Entwicklung.

     Die Schau beleuchtet die produktiven Wechselwirkungen zwischen diesen künstlerischen Weggefährten und zeigt, wie tief persönliche Nähe und ästhetische Inspiration miteinander verwoben waren.

     Dass Campendonk gleichwohl als rheinischer Expressionist gilt, beruht vor allem auf der Tatsache, dass er stets engen Kontakt zur hiesigen Avantgarde hielt und 1913 im Rahmen der berühmten, von August Macke initiierten „Ausstellung Rheinischer Expressionisten“ in Bonn mit Werken vertreten war.

 

Die Ausstellung eröffnet überraschende Blicke auf ein weniger bekanntes Werk, was angesichts Campendonks Lebensweg eigentlich selbstverständlich erscheint.
     Im Blickpunkt steht eine Moderne, die sich abseits des Bauhauses ebenfalls mit Ideen der Gestaltung aller Lebensbereiche, der Angewandten Kunst, beschäftigte.

     Mit über 100 Arbeiten von Campendonk und den bereits genannten Wegbegleitern sowie ferner Paul Klee, Anna Pahde oder Edith van Leckwyck dokumentiert die Ausstellung dieses fruchtbare Netzwerk.

 

Andrea Firmenich, Generalsekretärin der Kunststiftung NRW, betont: „Mit der Unterstützung dieser Ausstellung würdigt die Kunststiftung NRW einen Künstler, der über den Rheinischen Expressionismus und den Blauen Reiter hinaus gewirkt hat. Heinrich Campendonk steht für eine Kunstidee, die nicht nur auf Malerei beschränkt ist, sondern Gestaltung als gesellschaftliches Anliegen versteht. Dieses spartenübergreifende Denken fördern wir mit Überzeugung.“

Campendonk ist vor allem als Schöpfer farbintensiver, oft als „mystisch“ empfundener Bilderwelten bekannt – bevölkert von Tieren, Pflanzen, Menschen und Symbolen, in expressiver Farbgebung und suggestiver Formensprache.

     Die aufwendig kuratierte Ausstellung bringt zentrale Werke seines malerischen Œuvres im Dialog mit seinem bislang weniger bekannten Schaffen im Bereich der Angewandten Kunst: Bühnenbilder, Glasfenster, Möbel, Textilien, Bucheinbände und Plakate eröffnen neue Perspektiven auf einen Künstler, der die Grenzen zwischen freier und angewandter Kunst souverän überschritt.

 

Heinrich Campendonk Farbe, 1928, Plakat zur Ausstellung im Kaiser Wilhelm Museum Krefeld, Lithografie, handkoloriert auf Velin, 76,5 × 100,5 cm, Clemens Sels Museum Neuss, © VG Bild-Kunst Bonn 2025, Foto Carsten Gliese

 

Trotz seiner öffentlichen Erfolge blieb Campendonk ein eher zurückhaltender Mensch, der mit großer Leidenschaft und Ernsthaftigkeit stets neue Ausdrucksformen suchte. Sein Werk reicht von leuchtend expressiven Kompositionen bis hin zu beinahe kontemplativen, monochromen Bildfeldern – stets getragen von einem tiefen Gespür für Rhythmus, Farbe und Spiritualität.

     Besonders interessant ist ein Blick auf seine textilen Entwürfe: In Zusammenarbeit mit seiner Frau Adda Deichmann, einer gelernten Textilhandwerkerin, entstanden Stickereien, die seine Kunst ins Handwerk übertrug. Eine erhaltene Stickerei der beiden wird im Dialog mit Arbeiten von Franz und Maria Marc präsentiert und zeigt die enge gestalterische Verwandtschaft zu seinem Künstlerfreund.

 

Heinrich Campendonk (Entwurf, 1930) und Glasmalereiwerkstatt Hein Derix, Kevelaer (Ausführung, um 1965), Probescheibe für das Ornamentfenster in der Aula der Kunstakademie Düsseldorf, 1930, Bleiverglasung, 72 × 58 cm, Sammlung der Freunde Kunstmuseen Krefeld e. V., © VG Bild-Kunst, Bonn 2025

 

Ein Höhepunkt sind Campendonks Glasfenster. 1926 übernahm er die Glasmalerei-Professur in Düsseldorf – ohne je ein Fenster gestaltet zu haben. Doch er wächst rasant in die neue Rolle. Aus frühen Prikker-Anleihen entstand eine eigene, kraftvolle Bildsprache. Fenster für Kirchen in Bonn, Marienthal und Brühl zeugen davon. Originalscheiben und Ausführungen lassen seine Entwicklung in Licht und Farbe unmittelbar erleben – und sind ein eindrucksvoller Brückenschlag zu seiner Malerei.

      Das Zusammenspiel vieler Hände bei der Herstellung der Glasfenster verkörpert ideal die Prinzipien des Deutschen Werkbundes. Dieser 1907 gegründete Verband ebnete mit Ausstellungen und gezielter Förderung den Weg für moderne Gestaltung – und war ein Wegbereiter des Bauhauses. Campendonk trat 1919 bei und prägte insbesondere die Krefelder Werkbundtagungen 1926 und 1928.
     Die Schau in Hamm präsentiert ihn nicht nur als freien Künstler, sondern auch als Gestalter im Netzwerk seiner Zeit – und eröffnet überraschende Perspektiven auf eine Moderne, die hier greifbar vielfältig wird: vom kleinen Entwurf bis zum monumentalen Fenster.

 

Ausgestellte Künstler sind Adda Campendonk, Heinrich Campendonk, Heinrich Derix, Wilhelm Derix, Walter Dexel, Walter Giskes, Erich Heckel, Werner Heuser, Paul Klee, Willa Kramme, Edith van Leckwyck, August Macke, Elisabeth Macke, Helmuth Macke, Marie von Malachowski-Nauen, Franz Marc, Maria Marc, Heinrich Nauen, Anna Pahde, Johan Thorn Prikker, Walter von Wecus, Wilhelm Wieger, Egon Wilden, Alexander Zschokke

rART/ cpw


Die Ausstellung In aller Freundschaft! Heinrich Campendonk: Ein Blauer Reiter im Deutschen Werkbund kann bis zum 28. September 2025 besucht werden.
Gustav-Lübcke-Museum
Neue Bahnhofstr. 9
59065 Hamm
Tel 02381 17-5714
Öffnungszeiten
DI – SA 10 – 17 Uhr
SO 10 – 18 Uhr

 

 

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