rheinische ART
Start | | Über uns | Anzeigen | Impressum | Kontakt | Datenschutz

rheinische ART 12/2025

ARBEIT
Traum und Trauma


Flexibilisierung der Arbeitszeit, Homeoffice, Robotik und künstliche Intelligenz – die Arbeitswelt befindet sich heute in einem tiefgreifenden Wandel. Doch bereits vor mehr als hundert Jahren veränderten technische Innovationen, neue Produktionsformen und soziale Umbrüche die Arbeitswelt fundamental.

 

Conrad Felixmüller Hochofenarbeiter, 1927. Deutsches Historisches Museum, Foto: Arne Psille © bpk / VG Bild-Kunst, Bonn 2025. Bildquelle © LVR Landesmuseum Bonn 2025

 

Ein Blick in die Historie der Industriearbeit zeigt: Wandel ist die Regel, nicht die Ausnahme. Schon im 19. Jahrhundert und verstärkt im frühen 20. Jahrhundert führten Mechanisierung, Elektrifizierung und Rationalisierung zu massiven Neustrukturierungen. Sie griffen ebenso stark in den Alltag der Menschen ein wie die gegenwärtigen sogenannten „Transformationsprozesse“.

     Eine Ausstellung im LVR-Landesmuseum Bonn zeigt nun, wie Künstler auf diese historischen Umbrüche reagierten. Die Schau eröffnet differenzierte Perspektiven auf die Arbeitswelt der Moderne zwischen 1890 und 1940 und macht sichtbar, wie Hoffnungen, Ängste und soziale Konflikte jener Epoche in Kunstwerken, Publikationen und Alltagsobjekten Ausdruck fanden.

 

Albert Renger-Patzsch Kühe an der Ruhrmündung, 1930. LVR-Landesmuseum Bonn, Foto: Jürgen Vogel © VG Bild-Kunst, Bonn 2025. Bildquelle © LVR Landesmuseum Bonn 2025

 

Leo Breuer Der Kohlenmann, 1931. LVR-Landesmuseum Bonn. Foto: Jürgen Vogel © VG Bild-Kunst, Bonn 2025. Bildquelle © LVR Landesmuseum Bonn 2025

 

Hannah Höch Mensch und Maschine, 1921. Germanisches Nationalmuseum Nürnberg © VG Bild-Kunst, Bonn 2025. Bildquelle © LVR Landesmuseum Bonn 2025

 

Ikonen der Neuen Sachlichkeit wie Leo Breuers Der Kohlenmann stehen neben Arbeiten von Otto Dix, Conrad Felixmüller, Hannah Höch und Franz Wilhelm Seiwert; ergänzt wird das Panorama durch weniger bekannte Positionen wie Magnus Zeller, Sella Hasse oder Thea Warncke.
     Unter dem Titel Schöne neue Arbeitswelt. Traum und Trauma der Moderne beleuchtet das Haus dieses historische – und zugleich höchst aktuelle – Thema in sechs Kapiteln: Gesichter, Räume, Takte, Verheißungen, Kritik und Zukunft.

 

Die Ausstellung zeigt, wie Kunstschaffende die rasante Industrialisierung, die Entstehung neuer Berufe – vom Fließbandarbeiter, Elektrotechniker bis zur Telefonistin – und die Umgestaltung ganzer Stadtlandschaften wahrnahmen.

     Fabriken, Maschinenhallen und moderne Bürogebäude wurden zu Sinnbildern einer Welt, in der maschinelle Taktungen zunehmend menschliche Lebensrhythmen bestimmten.

 

Drei Beispiele aus der Ausstellung: 

 

► Im März 1927 schuf der Dresdner Conrad Felixmüller (mehr) in Hagen-Haspe das Gemälde Hochofenarbeiter (s. oben). Die boomende Schwerindustrie und das Arbeiterleben faszinierten ihn. Vor einer imposanten, in tiefes Blau und leuchtenden Funkenflug getauchten Hochofenkulisse steht ein junger Facharbeiter, dessen rußgeschwärztes Gesicht auf eine harte Tätigkeit schließen lässt. Gleichzeitig strahlen seine Gesichtszüge Unerschrockenheit und Stolz aus. Wie ein Souverän herrscht er über das Feuer.

 

► Der Fotograf Albert Renger-Patzsch (mehr), der einige Jahre in Essen lebte, erfasste mit pointiertem Blick die Ruhrregion und ihren Wandel. In vielfältiger Weise dokumentierte er die gegenseitige Beeinflussung von Natur- und Industrielandschaft. In der Fotografie (s. oben) von 1930 treffen grasende Kühe an der Ruhrmündung auf moderne Fabriken mit rauchenden Schloten. Ein Beispiel für die sich zunehmend in die Landschaft ausbreitende Montan- und Stahlindustrie.

 

► Hannah Höch (mehr) hinterfragte kritisch die neue Arbeitswelt.  Ihr Gemälde Mensch und Maschine thematisiert das fragile Gleichgewicht zwischen technologischem Fortschritt und menschlicher Selbstbestimmung – und zeigt, wie leicht der Mensch in der modernen Arbeitswelt zum Anhängsel der Maschine zu werden droht. Der Arbeiter an der Maschine ist hier selbst zu einer Art Roboter mutiert, dessen Hand sich vom Körper gelöst hat und mit diesem nur noch durch einen Spiraldraht verbunden ist.

 

Magnus Zeller Redaktionsschluss, 1928. Axel Springer Verlag, Berlin © VG Bild-Kunst, Bonn 2025. Bildquelle © LVR Landesmuseum Bonn 2025

 

Lotte B. Prechner Jazztänzerin, 1929. LVR-Landesmuseum Bonn, Foto: Jürgen Vogel. Bildquelle © LVR Landesmuseum Bonn 2025

 

Gleichzeitig thematisiert die Kunst die sozialen Versprechen der Moderne: die Idee von sozialem Aufstieg, neuer beruflicher Selbstständigkeit und wachsender Freizeitkultur.

     Doch die Schattenseiten – Ausbeutung in Großbetrieben, Sicherheitsrisiken am Arbeitsplatz, Massenarbeitslosigkeit während der Weltwirtschaftskrise und die Entfremdung in rationalisierten Arbeitswelten – finden ebenso deutlichen Ausdruck.

     „Unsere Ausstellung führt vor Augen, wie engagiert sich die Kunst in die Debatten der Zeit einbrachte, wie mutig sie soziale Ungerechtigkeit anprangerte, wie nah sie den arbeitenden Menschen war. Es wird allerdings auch deutlich, wie sehr sich die Kunst seit den späten 1920er-Jahren zum Sprachrohr ideologischer Propaganda machen ließ“, sagte Thorsten Valk, Kurator der Ausstellung und Direktor des LVR-Landesmuseums Bonn.

rART/ K2M 


Die Ausstellung Schöne neue Arbeitswelt. Traum und Trauma der Moderne wird bis zum 12. April 2026 gezeigt.
LVR-Landesmuseum Bonn
Rheinisches Landesmuseum für Archäologie, Kunst- und
Kulturgeschichte

Colmantstr. 14–16
53115 Bonn
Tel 0228 / 2070-351
Öffnungszeiten

Di – SO 11 – 18 Uhr
Erster Freitag im Monat Eintritt frei