rheinische ART
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rheinische ART 02/2010

Archiv 2010: aus "Kunst erleben" 

Bernd und Hilla Becher: Bergwerke und Hütten

 

Und alle Räder stehen still

 

 

Immer, wenn Bernd und Hilla Becher den Auslöser ihrer Kamera drückten, hielten sie auf den Fotoplatten Besonderes fest. Ihre Fotoarbeiten zum Thema Industrielandschaften mit Bergwerken und Hütten sind im Museum Quadrat Bottrop zu sehen

 

     

    Damit werden die exzellenten Fotografien an einem Ort gezeigt, wo viele von ihnen vor Jahrzehnten entstanden: dem Ruhrgebiet. Mit dem Land zwischen Rhein und Ruhr werden immer noch rauchende Schlote, rußgeschwängerte Luft, Dichte und Enge im Leben und nur wenigen Spuren von Ästhetik in der Umgebung verbunden. Noch heute ist diese Einschätzung des Ruhrgebiet als Lebensraum (leider) weit verbreitet.

       Auch die Fotografien der Bechers zeichnen kein anderes Bild. Ihre Aufnahmen sind von einer konkreten, weil wahren und ungeschminkten, Aussage. Eine die Region prägende  Industriekultur, mit der jahrzehntelang das „schwarze Gold“, die Steinkohle, aus der Erde geholt und verarbeitet wurde, ist von dem Künstlerpaar seit den 1950er Jahren nach ganz eigenen Kriterien festgehalten worden. Ihre Fotoarbeiten lassen uns die technischen Anlagen dieser Schwerindustrie ganz mit ihren Augen sehen zu einem Zeitpunkt, als diese (fast) schon Geschichte waren. Die Zechenanlagen wirken in ihrer Architektur wie stille Monumente. Oft sind sie das Gesicht der Landschaft. Eine unverkennbare Stimmung geht von diesen Bildern aus.

     

    Fast schon Geschichte

     

    Blick in die Ausstellung, die an einem prominenten Ort gezeigt wird: Dem Museum Quadrat Bottrop

    Fördertürme ragen gleichsam als Symbol der Bergwerksarbeit mit weithin sichtbaren Strebengerüsten und charakteristischen Förderrädern in den Himmel. Doch die Räder stehen still, aufwärts strebende Schlote rauchen nicht und Menschen sind auf den Bildern der Bechers nicht zu entdecken. Die Spur von Leben zeigt sich seltsam zurückgezogen mal in Form einer bestückten Wäscheleine, mal mit Autos auf einem Parkplatz oder mit der Anlage eines Kleingartens. Um die höchstmögliche Objektivität der Darstellung zu gewährleisten, fotografierte das Künstlerpaar die Industriebauten unter annähernd gleichen Voraussetzungen. Bevorzugte Jahreszeiten waren der Frühling und der Herbst. Gedämpftes Licht und ein grau verhangener Himmel, ohne Sonne und somit Schatten, lassen die Objekte bis ins Detail für sich selbst sprechen.

       Um die riesigen Objekte in der Totalen zu erfassen und eine Verzerrung zu vermeiden, wählten die Bechers stets einen leicht erhöhten Standpunkt in der Umgebung. Die nahezu identischen Bedingungen erlauben einen interessanten Vergleich. So werden in der Ausstellung auch die Bilder von Industrieanlagen der Bergwerk- und Hüttenkultur aus den USA, England  und Belgien aufschlussreich präsentiert.

       1969 prägten die beiden Fotografen den Begriff der „Anonymen Skulptur“, um auf die formalen Qualitäten der Industriearchitektur hinzuweisen. Die Baumeister solcher Industrieanlagen folgten dem Zweck und nicht den Maßgaben einer Architektur, die schön sein will. Gebäude waren so hoch, Förderbänder so lang und Bahngleise so viele, wie sie gebraucht wurden. Der Zweck bestimmte das äußere Erscheinungsbild der Zechen. Fürwahr eine Hochkultur der Technik, die von den Bechers dokumentarisch wie ästhetisch festgehalten wurde. Zitat Hilla Becher: „Wir haben uns diese anonyme Architektur richtig erarbeitet. Objekt für Objekt, bis wir begriffen haben, welche unglaubliche Vielfalt in diesem Sujet steckt.“

     

    Hilla Becher während der Eröffnung der Ausstellung

    Bernd Becher, im Siegerland geboren, musste in seiner Heimat erleben, wie schnell die landschaftsprägenden Berg- und Hüttenwerke in den 1950er Jahren verschwanden. Beim Zeichnen der Industrieanlagen seiner Heimat konnte er mit dem Abriss nicht Schritt halten. Er nutzte daraufhin seine Fotografien als Vorlage und erkannte dabei ihre darstellerische Qualität. 1957 wechselte er von Stuttgart an die Staatliche Kunstakademie in Düsseldorf und entwickelte seine ersten fotografischen Arbeiten. Die Fotografie als Medium und die Dokumentation als Thema bestimmten von nun an seine Arbeiten. Seine Frau Hilla, die zeitgleich an der Düsseldorfer Akademie die erste Fotoabteilung der Hochschule einrichtete, lernte er dort kennen und bereits 1959 begann ihre künstlerische Zusammenarbeit. Bernd Becher kehrte 1976 als erster Professor für künstlerische Fotografie an die Akademie zurück. Er etablierte ein Fotografieverständnis, das man heute mit dem Schlagwort „Becher-Schule“ beschreibt. So prominente Schüler wie Andreas Gursky, Candida Höfer, Thomas Ruff und Thomas Struth gingen aus dieser Schule hervor. Bernd Becher verstarb 2007. Hilla Becher lebt und arbeitet in Düsseldorf.

    Irmgard Ruhs-Woitschützke                   

     

    Die Ausstellung präsentiert sich bis zum 2. Mai 2010

    im Rahmen der Ruhr 2010:

    Bergwerke und Hütten von Bernd und Hilla Becher

    Josef Albers Museum. Quadrat Bottrop

    Im Stadtgarten 20

    46236 Bottrop      

    Tel. 02041 / 29716

     

    Fotoinformationen:

    Bilder oben 1 bis 5, Fotos © Bernd und Hilla Becher

    1 Zeche Concordia, Oberhausen, 1967

    2 Zeche Consolidation, Gelsenkirchen, 1974

    3 Zeche Hannover 1/2/5, Bochum-Hordel, 1973

    4 Zeche Hannibal, Bochum-Hofstede, 1973

    5 Gutehoffnungshütte, Oberhausen, 1963


    Bild Mitte und unten: Fotos ruwoi

     

    ©rheinische-art.de


     

     

     

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