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rheinische ART 09/2019

Archiv 2019

PROPAGANDA & KUNST
Design unter dem Hakenkreuz


Ist es eine gewagte Ausstellung, gar eine Provokation? Oder ein Thema für ein Design Museum? Letzteres durchaus! Eine Schau über Gestaltung und Formgebung in der NS-Zeit ist derzeit im Design Museum Den Bosch in den Niederlanden zu sehen.
 

Bund Deutscher Mädel tanzt während des Reichsparteitags, 1938. League of German Girls Dancing during the Reichs Party Congress, 1938. (Hugo Jaeger/Timepix/The LIFE Picture Collection/Getty Images)

 

Ob man es wahrhaben will oder nicht: Der Volkswagen Käfer ist keine Schöpfung aus der Wirtschaftswunderzeit, er stammt in seiner serienreifen Urform aus dem „Dritten Reich“ und hieß da KdF-Wagen („Kraft durch Freude“).

     Eigentlich ist er noch älter, aber auf jeden Fall wurde er bis 2003 gebaut. Das deutsche „Gebrauchsfahrzeug“ ist nur eines von zahlreichen Beispielen für die Kunst der Formgebung im NS-Deutschland. Die interessante, im Vorfeld kritisch kommentierte Schau "Design des Dritten Reiches" verdeutlicht, wie stark Kreativität zur Entstehung der perfiden Nazi-Ideologie beigetragen hat.

 

Werbung für den KdF-Wagen 1939, später Volkswagen. Foto Bundesarchiv, Bild 146II-732 / Fotograf unbekannt / CC-BY-SA 3.0

 

Die Kuratoren begründen die ungewöhnliche Thematik wie folgt: „Wir sind es gewohnt, in Museen die gute Seite der Kultur zu sehen. Gerade Design wird oft als Beitrag zu einer besseren Welt dargestellt. Die Geschichte des Designs besteht daher aus immer wiederkehrenden Themen, in denen das moralisch Richtige zur Darstellung gelangt. Aber im Design kommen nicht nur die guten, sondern auch die schlechten Seiten der Welt zum Ausdruck.“ Das Design Museum Den Bosch positioniert sich nach eigenen Aussagen als ein Spezialmuseum neuen Stils mit einer kritischen Haltung.

 

Reklameposter mit Zeppelin, ca.1933. Commercial poster with zeppelin, ca. 1933 (Münchner Stadtmuseum, Sammlung Reklamekunst) 

 

Wahlplakat der NSDAP, 1932. Election poster NSDAP, 1932. (Münchner Stadtmuseum, Sammlung Reklamekunst)

 

In der Ausstellung ist die kreative Formgebung ein Instrument in den Händen des ultimativen Bösen. Die Nationalsozialisten waren Meister darin, Design zu nutzen, um ihr Ziel zu erreichen: Massen von Menschen politisch zu beeinflussen und sie auf ihre Seite zu bringen. Wobei so gut wie nichts dem Zufall überlassen wurde.

     Wer mit Blick auf die Nazi-Zeit unmissverständlich ein „Das nie wieder!“ fordert, der müsse sich – so heißt es in einem Statement des Museums – die Mühe machen, zu analysieren, wie die damalige Beeinflussung funktionierte. Und dieser Aufgabe sei diese Ausstellung gewidmet. Ein durchweg verdienstvoller Ansatz.


Das Design des „Dritten Reichs“ war wie die gesamte Kunst jener Zeit im Grunde voller Widersprüche. Kunstkenner, die sich mit diesem NS-Nachlass beschäftigen, haben „eine unübersichtliche, fast unsichtbare Gemengelage vor sich“, schreibt der SPIEGEL jüngst in einem Artikel mit dem Titel „Unter Verschluss“ (Nr. 33/ 10.8.2019), der sich mit verborgener Kunst aus dem Nationalsozialismus befasst.


In der Den Bosch-Schau werden die Widersprüche im Design anhand einer großen Auswahl an Exponaten aus niederländischen und deutschen Museen und Sammlungen verdeutlicht.

     So sind architektonische Elemente und Möbel aus dem Haus der Deutschen Kunst und der Reichskanzlei zu sehen. Die Entwürfe zeigen, wie das NS-System auf die klassizistische Formgebung als Machtdemonstration und Symbol einer neuen deutschen Kultur zurückgriff.

     Die vielen Zeitschriften, die präsentiert werden, vermitteln einen Eindruck von der weitreichenden und raffinierten Zielgruppenpolitik, die die NS-Machthaber in den 12 Jahren ihrer Existenz verfolgten. Von Müttern bis zu Soldaten, von jungen Mädchen bis hin zu internationalen Besuchern auf Messen und bei Sportveranstaltungen wurde jeder auf spezielle Weise angesprochen.

 

Poster für die Olympischen Spiele in Berlin, 1936. Poster for the Olympic Games in Berlin, 1936. (Münchner Stadtmuseum, Sammlung Reklamekunst)

 

Vor allem bei den Massenveranstaltungen wurde gezielt gearbeitet. Eine formvollendete Inszenierung des NS-Reiches fand 1936 mit den Olympischen Spielen in Berlin einen Höhepunkt, der letztlich auch im Medium Film – etwa von Leni Riefenstahl, wie die Schau vermittelt – eine Art filmkünstlerische und designtechnische Spitzenleistung erfuhr.


Der Nationalsozialismus baute auf der nach eigenen Vorstellungen gefilterten Geschichte auf, war aber gleichzeitig fanatisch auf die Zukunft ausgerichtet. Er war der Romantik verfallen, aber auch voller Begeisterung für moderne Technik. Design spielte dabei eine entscheidende Rolle.

cpw

 

Die Leihgaben kommen unter anderen vom Eyewitness Museum in Beek, dem Nationaal Militair Museum in Soesterberg, dem Deutschen Historischen Museum, dem Münchner Stadtmuseum, dem Haus der Kunst in München und dem Institut für Zeitgeschichte.

  

Die Ausstellung kann bis zum 9. Januar 2020 besucht werden.

Design Museum den Bosch
De Mortel 4
5211 HV ‘s-Hertogenbosch
Tel 073 62 73 680
Öffnungszeiten

DI – SO 11 – 17 Uhr 

 

 

 

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