rheinische ART
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rheinische ART 09/2019

Archiv 2019

GROSSER AUFTRITT 1937
Kölsches an der Seine

 

Die Stadt Köln präsentierte auf der Pariser Weltausstellung 1937 einen eigenen Pavillon. Brillante Fotografien erinnern an diese verblüffende Sonderschau der Domstadt, eine fast vergessene Episode der deutsch-französischen Geschichte.

 

Karl Hugo Schmölz Blick von der Terrasse des Kölner Pavillons auf den Eiffelturm und die Steinbogenbrücke Pont d´Ièna. Für die Weltausstellung hatte man die Brücke beidseitig durch den Anbau von Betonbögen mit passendem Profil auf 35 Meter verbreitert. Foto © Archiv Wim Cox

 

Urheber der bislang unveröffentlichten Schwarz-Weiß-Bilder sind die rheinischen Fotografen Hugo und Karl Hugo Schmölz, Vater und Sohn.

     70 ihrer Fotoarbeiten von der Weltschau werden derzeit mit anderen Exponaten in der Ausstellung „Köln an der Seine“ im Stadtmuseum gezeigt. Eine überaus lesenswerte und überzeugend bebilderte Publikation von Mario Kramp mit demselben Titel, erschienen im Greven Verlag, komplettiert die Anschauung nachhaltig (siehe Literaturverweis unten).

 

Karl Hugo Schmölz Raffinierte Innenarchitektur im Treppenhaus des Kölner Pavillons. Durch fünf Fensterbahnen von je zehn Meter Höhe ging der Blick auf die Seine, die Pavillons Belgiens und Italiens und den Eiffelturm am anderen Ufer. Foto © Archiv Wim Cox

 

Karl Hugo Schmölz Blick auf den Eiffelturm, links das "Deutsche Haus", rechts der sowjetische Pavillon mit den Monumentalfiguren einer Kolchosbäuerin und eines Arbeiters, die Hammer und Sichel in den Händen halten. Foto © Archiv Wim Cox

Die Exposition bietet im weiteren Sinne auch ein faszinierendes Panorama des Jahres 1937, das Heinrich Mann als „das eigentlich kritische Europas“ bezeichnete.

     Man bedenke: Ein Jahr nach den Olympischen Spielen in Berlin und zwei Jahre vor Beginn des Zweiten Weltkriegs gaben sich die Nationen in Paris ein scheinbar friedliches Stelldichein. Gleichzeitig wurde in München die Nazi-Feme-Ausstellung „Entartete Kunst“ eröffnet.


Bei genauer Betrachtung bot die Weltausstellung nicht nur einen Überblick über Kunst und Technik im modernen Leben, so jedenfalls ihr eigentlicher Titel (Exposition Internationale des Arts et Techniques dans la Vie Moderne), sie war auch ein (noch) waffenloser Schlagabtausch der politischen Systeme, ein Wettlauf um Größe und ein „Kampfplatz der Stile“.

     Das gefiel längst nicht allen. Ein Schweizer Beobachter stempelte sie zu einer Schau der Eitelkeiten und zu einem Parcours „von nationalen Propaganda-Pavillons“ ab. Allen voran zwei Staaten: die Sowjetunion und das nationalsozialistische Deutschland.

     Rund 31 Millionen Besucher kamen zu dem Pariser Weltschaufenster und es gab unzählige Attraktionen. Doch die Gebäude des deutschen und sowjetischen Baumeisters –„Führers“ Lieblingsarchitekt Albert Speer und Boris Michailowitsch Iofan – übertrafen architektonisch quasi alles und wurden von manchen Presseorganen als Sensation gefeiert. Die eher altmodischen und monumentalen Turmbauten wirkten wie steingewordene Machtproben gegensätzlicher Staatsideologien, und waren so wohl auch gedacht!

 

Karl Hugo Schmölz Blick auf den Kölner Pavillon, das "Deutsche Haus" und das Palais de Chaillot vom anderen Seine-Ufer aus. Foto © Archiv Wim Cox

 

Dekoriert mit mächtigem Reichsadler und Hakenkreuz stand das „Deutsche Haus“ auf der einen Seite, mit Hammer und Sichel, hochgereckt, der „Stalin-Bau“ auf der anderen. Mit Modernität, wie der Expo-Titel verhieß, hatte diese tempelartige Formensprache nichts zu tun.

     Zukunftsweisende Architektur boten andere Staaten. Japan etwa mit dem Pavillon von Junzō Sakakura oder Belgien mit Chefarchitekt Henry van de Velde (mehr). Dessen Schauhaus im „Neuen Stil“ basierte auf jenen Grundsätzen , die 23 Jahre vorher in der berühmten Kölner Werkbundausstellung (mehr) bereits formuliert und realisiert worden waren.

 

Karl Hugo Schmölz Auf der Terrasse des Kölner Pavillons. Gemütlichkeit mit Korbstühlen und Windlichtern. Gut gestylte kölsche Symbolik, jedoch – erstaunlicherweise – kein obergäriges, helles Kölsch vom Fass. Ausschank von Bitburger Simonbräu Pilsener, Foto © Archiv Wim Cox


Und Köln? Im Schatten des gigantischen „Deutschen Hauses“ hatte die Stadt auf einer Art Seine-Hausboot einen schlanken, sachlich und aufgeräumt wirkenden Pavillon nach Entwürfen des Kölner Baumeisters Josef Op Gen Oorth errichtet. In den Wänden eingelassene Vitrinen boten Unternehmen der Stadt, darunter Farina, 4711, Humboldt-Deutzmotoren AG oder der Zigarettenfabrik Haus Neuerburg, Raum für Produktpräsentationen.

     Vorangegangen war eine Einladung aus Paris an die Kölner, denen man eine enge Verbindung mit Frankreich nachsagte. Die NS-Machthaber in Berlin genehmigten den Sonderstatus unter der Bedingung, dass keine deutschen Exil-Künstler ausgestellt werden dürften.

     Köln war die einzige Kommune weltweit, die sich in der berühmten „Stadt des Lichts“ mit einem eigenen Auftritt in Szene setzen durfte. Große Schau also, in 1-A-Lage. Während die Nazis insgeheim längst Kriegspläne in den Schubladen verwahrten, beschworen die Domstädter in zahlreichen Veranstaltungen, von umjubelten Auftritten des Kölner Männer-Gesang-Verein bis zu Kölner Karnevalsgesellschaften, die deutsch-französische Verständigung.

 

Karl Hugo Schmölz Die Rückseite des Deutschen Hauses, Foto © Archiv Wim Cox

Die Leichtigkeit des Kölner Pavillons – mit Sonnenterrasse am Fluss – kontrastierte deutlich mit der pathetischen Strenge des nationalen Gebäudes: Hier der martialische Auftritt des deutschen Faschismus, dort eine wein- und bierselige, gepflegte rheinische Gemütlichkeit. „Doch auch der gemütliche Faschismus ist Faschismus“, wie Buchautor Mario Kramp im Vorwort betont.

 

Apropos Bier: Statt des populären „Kölsch“, das schon seit 1906 in Köln gebraut wurde, zierte das Bitburger Simonsbräu mit Pilsener aus der Eifel die Schanktheke im Pavillon „Ville de Cologne“.

     Vermutlich schlug hier eine hundertjährige Brautradition das jüngere Getränk aus den Kölner Braukesseln. Lokalpatriotismus hin oder her, die Eifeler Bierbrauer erhielten auf der Schau eine Goldmedaille für ihr Bitburger Pils, ein gelungener Marktauftritt.


Medaillen wurden übrigens reichlich verteilt. Allein für Architektur heimste das NS-Reich 15 Grand Prix-Auszeichnungen ein. Eine Medaille gab es auch für einen echten Kölner: den Architekten Clemens Klotz aus der Speer-Entourage.

     Sein Entwurf des kolossalen KdF- Seebades „Prora“ auf Rügen, damals größte Ferienanlage der Welt, galt als fortschrittlich und  brachte ihm die Ehrung „Grand prix d´Architecture“ in der Kategorie Freizeitbau ein.

     Ausgestellt war das Modell im „Deutschen Haus“. Für die Jury mag dabei eine Rolle gespielt haben, dass der Entwurf nicht dem vom NS-Regime favorisierten Stil entsprach, sondern Anleihen an die Moderne erkennen ließ. Einer der Protagonisten dieser Moderne wiederum, der französisch-schweizerische Architekt Le Corbusier, war auf der 1937er Weltausstellung mit seinem geschichtemachenden Pavillon des temps nouveaux (Pavillon der neuen Zeit) vertreten.
cpw

 

Zwei Jahre später begannen neue Zeiten! Der Zweite Weltkrieg war verheerender, als jeder Waffengang zuvor. Er machte aus Köln einen Trümmerhaufen, in dem nur noch der Dom zu identifizieren war. Dies kann der Museumsbesucher in der Parallelschau „Köln am Rhein“ nachvollziehen. Gezeigt werden vergleichende Fotografien des Schmölz-Duos aus den Dreißigerjahren und der Nachkriegszeit ab 1945.

► Schirmherrin der Ausstellung ist die Botschafterin der Französischen Republik, I.E. Frau Anne-Marie Descôtes. Die Informationstexte finden sich in der Ausstellung sowohl in deutscher, als auch in französischer Sprache.

 

Die Ausstellung Köln an der Seine kann bis zum 15. Dezember 2019 besucht werden.
Kölnisches Stadtmuseum
Zeughausstr. 1-3,
50667 Köln.
Tel. 0221 / 221-22398.
Öffnungszeiten
DI 10-20 Uhr,
MI-SO 10-17 Uhr, jeden ersten Donnerstag im Monat 10-22 Uhr.

 

Literaturhinweis:
Mario Kramp Köln an der Seine Der Kölner Pavillon auf der Pariser Weltausstellung 1937. Mit Fotografien von Hugo und Karl Hugo Schmölz,, 272 Seiten mit 167 Abbildungen, 21 × 27 cm, Gebundene Ausgabe, Greven Verlag Köln, ISBN 978-3-7743-0902-9, Preis 30,00 Euro

 

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