rheinische ART
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rheinische ART 06/2019

Archiv 2019

JAC LEIRNER
Ästhetischer Maßstab

 

Es ist die Gesellschaft für Moderne Kunst am Museum Ludwig in Köln, die Aufmerksamkeit für die brasilianische Künstlerin Jac Leirner schafft. Leirner wurde in diesem Jahr der Wolfgang-Hahn-Preis der Gesellschaft verliehen.

 

Jac Leirner Installationsansicht, Wolfgang-Hahn-Preis 2019, Museum Ludwig, Köln 2019, von vorne nach hinten: Fase azul, 1991, Museum Bags, 1985-2019 © Foto Gesellschaft für Moderne Kunst am Museum Ludwig/ Šaša Fuis, Köln

 

Es ist das 25. Mal, dass der Wolfgang-Hahn-Preis verliehen wurde, Jac Leirner (*1961 in São Paulo) somit die Ehre erfährt, die Preisträgerin in einem Jubiläumsjahr zu sein. Das ist schon besonders, und Jac Leirner ist es auch. Zu erfahren sind ihre Arbeiten in einer kleinen Ausstellung im Museum Ludwig.

 

Jac Leirner Skin (Smoking Maiz), 2018, Detail, Papier und Kleber, 120 x 400 cm, Ausstellungsansicht: Afinidades Eletivas, with Jac Leirner, Esther Schipper, Berlin, 2018, Courtesy the artist and Esther Schipper, Berlin © Jac Leirner, Foto © Andrea Rossetti

 

„Jac Leirner gilt heute als eine der wichtigsten Vertreterinnen der Konzeptkunst unserer Tage und der sogenannten Institutionskritik. Seit den 1980-er Jahren hat sie mit ihren Plastiken, Bildern und Installationen die Idee des Originals und des Wertes von Kunstwerken in Frage gestellt, über Arbeit und Produktivität nachgedacht und vor allem unser Verständnis von Skulptur erweitert“, schreibt der Gastjuror Jochen Volz, Direktor der Pinacoteca do Estado de São Paulo, in seiner Laudatio.

 

Exemplarisch für diese Aussage mag das, für die Sammlung des Museum Ludwig, angekaufte Werk Museum Bags (1985-2019) stehen. Dieses ist eine Wandarbeit und besteht aus einer Sammlung von Museumstüten aus den Museumsshops internationaler Häuser, wie sie von den Besuchern gänzlich unaufgeregt genutzt werden, um vielleicht ein erstandenes Souvenir, vielleicht ein Kunstwerk, nach Hause zu bringen.
     Laut Volz ist diese Arbeit ein Schlüsselwerk im Œuvre der Künstlerin, weil in dieser ihre Strategien sichtbar werden und wegweisend für ihre Kunst sind. Die Transformation von Alltagsobjekten wie eben dieser Tüten, in einer neuen Ordnung und Betrachtung ihrer ursprünglichen Funktion enthoben und einem neuen Zweck und somit Identität zugeführt, ist zwar seit Marcel Duchamp mit seinem auf den Kopf gestelltem Pissoir nicht neu. Aber die Neuinterpretation von Alltagsobjekten mittels einer Verwandlung durch Leirner hat etwas Berückendes.

 

Jac Leirner Museum Bags, Detail, 1985-2006, Courtesy: Gallery Fortes D’Aloia & Gabriel and the artist © Jac Leirner, Foto: Eduardo Ortega

 

Die Museum Bags wecken Interesse im Betrachter, der neugierig auf die an Drahtseilen ordentlich aufgespannten Tüten schaut und überlegt, was er denn Bekanntes findet, sich erinnert, wo er selbst schon einmal war und vielleicht daran denkt, wo er vielleicht schon immer einmal hinwollte.
     Diese Arbeit lebt durch ihre Betrachter wie es auch beim Werk Nice To Meet You (1987-2018) der Fall ist. Hier hat Leirner Visitenkarten, die sie von Freunden oder Geschäftspartnern aus der Kunstszene gesammelt hat, mit Plexigläsern akkurat gerahmt, dicht an dicht aneinandergereiht. Sammeln und Ordnen, so der Eindruck, scheint eine Leidenschaft der Künstlerin zu sein, und wie zu erfahren ist, macht sie das ebenfalls mit Flugtickets, Bestecken, Aschenbechern, entwerteten Geldscheinen…

 

Jac Leirner Nice To Meet You (Crossing Institutions) Detail, 1997/2018, Visitenkarten, Plexiglas und Holz, 120 x 310 cm © Jac Leirner, Courtesy White Cube, Foto: Ollie Hammic


Die Arbeiten tragen
durchaus autobiographische Züge, denn die Museumstüten geben Aufschluss, wo die Künstlerin sich bereits aufhielt und die Visitenkarten, wen sie getroffen hat. Das ist eine Offenheit der ganz außergewöhnlichen Art. Sehr persönlich, vielleicht subtil, ohne offensichtliche Hintergedanken und einer freundlich provozierten Kommunikation mit den Besuchern.
     Der mit „Ästhetischer Maßstab“ von der Redaktion gewählte Titel bezieht sich übrigens auf die Edition Tools (2019) von Leirner. In dieser führt die Künstlerin zwei Mess-Instrumente zusammen. In der Mitte eines 20 cm langen Edelstahllineals fixiert sie eine Wasserwaage. Nicht mehr die Vermessung physischer Räume steht damit im Vordergrund, sondern „… bietet das neu entstandene Objekt nun einen ästhetischen Maßstab dafür, was Kunst sein kann.“ (Gesellschaft für Moderne Kunst)


Über den Wolfgang-Hahn-Preis Der mit 100.000 Euro dotierte Preis wird jährlich verliehen. Es komme auf die „Jugendlichkeit des Œuvres“ der jeweils Ausgezeichneten an, sagte Peter Hoffmann, als er 1994 den neu gegründeten Preis vorstellte. Wolfgang Hahn (1924-1987) selbst widmete sich ganz den Tendenzen der Avantgarde, widmete sich Kreativen, die neue Fragestellungen verfolgten und stiftete andere dazu an, sich neuen Strömungen zu öffnen.
     Ganz in diesem Sinne agiert auch Mayen Beckmann, Vorstandsvorsitzende der Gesellschaft, die in der Publikation „Aus dem Archiv“ zum 25. Jubiläum des Wolfgang-Hahn-Preises schreibt: „Darum geht es auch der Gesellschaft für Moderne Kunst: Außergewöhnliche Künstlerinnen und Künstler mit dem Wolfgang-Hahn-Preis auszuzeichnen, die in internationalen Fachkreisen für ihr zukunftsweisendes, konsequentes Œuvre anerkannt sind …“
Irmgard Ruhs-Woitschützke

Die Ausstellung „Wolfang-Hahn-Preis 2019 Jac Leirner“ ist bis zum 21.07.2019 zu sehen.
Museum Ludwig
Heinrich-Böll-Platz
50667 Köln
Tel. 0221 / 221 26165
Öffnungszeiten
DI – SO 10 – 18 Uhr

 

 

 

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