rheinische ART
Start | | Über uns | Anzeigen | Impressum | Kontakt | Datenschutz

rheinische ART 12/2012

 

ARCHIV 2012

Kulturpolitik

 

„Köln zieht junge Leute an,

 

fähige Leute“

 

sagte Georg Quander, Kulturdezernent der Stadt Köln, am Rande der Programm-Pressekonferenz von Philipp Kaiser, dem neuen Direktor im Museum Ludwig. Diese Aussage war für die rheinische ART. Grund genug, sich mit ihm zu einem Gespräch über die zahlreichen Neubesetzungen in den städtischen Kulturinstituten zu verabreden. Als man sich dann traf, war sicher, dass alsbald erneut eine Personalie im Kulturleben der Domstadt zur Disposition steht: seine eigene. Irmgard Ruhs-Woitschützke sprach für die rheinische ART. mit Georg Quander.

 

Professor Georg Quander

©Foto Stadt Köln

 

rheinische ART. : Herr Quander, um ehrlich zu sein, ich hielt es für möglich, dass Sie unseren Termin absagen.
Georg Quander: Nein. Dazu sah ich keinen Grund.

 

Der Ausgangspunkt war, dass es ein Schritt weit bewundernswert ist, wenn ein junger Mann wie Philipp Kaiser sich traut, in die großen Fußstapfen eines Kasper König, der in Pension ging, zu treten. Für Sie war es aber weniger erstaunlich. Mit Blick auf die Kulturinstitute der Stadt erzählten Sie, dass Köln junge Leute anzieht. Die würden sich hier bewähren und in der Folge passiere etwas ganz normales: sie bekämen Angebote aus anderen Städten oder Ländern. Und manche Herausforderung sei einfach attraktiv.
Genau.

 

Wenn wir an die Schauspiel-Intendantin Karin Beier, die 2013 nach Hamburg wechseln wird, denken. Ihre Entscheidung gegen Köln schlug hohe Wellen. Sie haben Karin Beier damals geholt?
Ja. Sie war Hausregisseurin am Burgtheater in Wien. Als Regisseurin hatte sie einen ganz steilen Start hingelegt und war schon mit Inszenierungen zum Theatertreffen in Berlin eingeladen worden. Dann wurde es ein bisschen stiller um sie, was ganz normal ist, wenn man ganz früh so ganz hoch kommt. Ich habe sie angesprochen, ob sie sich die Intendanz hier in Köln am Schauspielhaus zutrauen würde. Wir führten ein sehr intensives Gespräch, wo sie meines Erachtens genau die richtigen Fragen gestellt und die richtigen Ideen entwickelt hat.

 

Und dann?
Ich entschied mich, sie vorzuschlagen. Karin Beier ist Kölnerin und kennt die Mentalität. Ich hatte mit ihr auch über eine Erhöhung des Etats für das Schauspiel verhandelt. Es war einfach klar, dass mehr Bewegungsspielraum da sein musste. Damit habe ich mir übrigens die ersten Feinde in der Politik hier gemacht, weil man es nicht mehr gewohnt war, dass Kulturdezernenten Forderungen stellen. Ich habe Frau Beier aber doch durchsetzen können.

 

Das hört sich an, als sei die Verpflichtung Karin Beiers nicht selbstverständlich gewesen.
Es war ein harter Kampf. Es kamen ganz viele Unkenrufe von Leuten, die gesagt haben, mit der werde ich eine Bauchlandung machen.

 

Karin Beier wurde eine Erfolgs-Intendantin?
Karin Beier hat ein exzellentes Theater auf hohem Niveau gemacht. Das Publikum kam zurück, die Stimmung im Haus wurde eine ganz andere und sie wurde von der ersten Spielzeit an zum Theatertreffen nach Berlin eingeladen. Das hatte es seit über 15 Jahren nicht mehr in Köln gegeben. Sie wurde mehrfach ausgezeichnet und dann, ja, dann kam der Ruf aus Hamburg vom Deutschen Schauspielhaus. Sie hat diesen Ruf angenommen. Wir hatten mit ihr relativ kurz vorher, ein Jahr ungefähr, den Vertrag um eine weitere Amtszeit verlängert. Sie hatte noch auf der Pressekonferenz gesagt, dass es ein Supervertrag sei und in den letzten Jahren viele andere Städte bei ihr angefragt hätten. Aber es gäbe nur drei Städte, die sie interessieren würden. Wir hatten das Pech, dass Hamburg eine von den dreien war.

 

Hamburg wollte sie haben. Und Köln?
Hamburg wollte sie haben und sie hat einen guten Vertrag für sich aushandeln können. Das alles ist vollkommen legitim. Was ich damit sagen will: Köln hat eine interessante Kulturszene, hat auch Potential und hat auch ein sehr gutes Publikum. Aber Köln ist natürlich nicht Hamburg, ist nicht Berlin, ist nicht Paris, ist nicht London oder New York, auch wenn die Kölner sich manchmal gerne so sehen. Sicher, wir sind eine Großstadt, eine Millionstadt so grade eben. Aber wir sind nicht die allererste Adresse und deshalb lautet für mich die Frage, was für Persönlichkeiten ich für die Leitung unserer Kulturinstitute bekommen kann.

 

Und die Antwort?
Für Köln denke ich, dass es gut ist, junge, talentierte Kräfte zu gewinnen, denen man eine große Aufgabe überträgt. Wohl wissend, dass, wenn sie sich bewähren, dann die anderen kommen und nach ihnen rufen.

 

Als bekannt wurde, dass der Kulturamtsleiter Konrad Schmidt-Werthern zum Jahresende nach Berlin wechseln wird, hieß es, Köln kann seine Leute nicht halten.
Erst einmal habe ich Herrn Schmidt-Werthern damals aus Berlin geholt, er war schon beim Kultursenator in der Referentenposition. Und das gegen Widerstände, weil er für manche Leute das falsche Parteibuch hat. Ich habe ihn trotzdem durchgesetzt und er hat hier einen exzellenten Job gemacht. Als jetzt die Position Leiter der Abteilung Kulturelle Angelegenheiten des Landes Berlin frei wurde, habe ich ihm persönlich auch geraten, sich dort zu bewerben. Es ist eine phantastische Aufgabe und da ich ihn in der täglichen Arbeit schätzen gelernt habe, glaube ich, dass er der Arbeit dort auch gewachsen ist. Er ist jung. Kulturamtsleiter in Köln kann nicht seine Endstation sein.

 

Das ist gut für Berlin. Und was ist gut für Köln?
Das ist die andere Seite dabei, wenn man sagt: Köln kann seine Leute nicht halten. Ich finde es gar nicht erstrebenswert, in einer Kulturstadt, die lebendig sein will, Leute immer bis zur Pensionsgrenze auf derselben Position zu halten. Da müssen neue Impulse kommen und dass dann nach der vielleicht dritten Verlängerung irgendwann Schluss ist, sehe ich als normal an. Und gesund. In einer Stadt, wo die Leiter der Kulturinstitute ewig auf den Sesseln kleben, findet kein lebendiges Kulturleben statt.

   Und noch einen anderen Aspekt möchte ich zu diesem Thema bemerken: Es ist einiges in letzter Zeit zusammen gekommen, aber ein Kulturdezernent, der wie ich für acht Jahre bestallt ist und Führungskräfte hat, die im Regelfall befristete Verträge auf fünf Jahre haben, da ist es nach Adam Riese wahrscheinlich, dass es in diesem Zeitraum eine Reihe von Fluktuationen gibt.

 

Andreas Blühm, bis Ende August dieses Jahres Direktor im Wallraf-Richartz Museum, traf die Entscheidung, nach Holland zurück zu gehen.
Das hat uns völlig kalt erwischt. In der Stadt haben wir das alle bedauert. Er hatte wirklich einen anderen Zugang zum Haus und zur Kunst. Das Haus war in seiner Zeit sehr lebendig, weil er viele neue Ideen hatte. Auch wie er die ständige Sammlung überarbeitet und präsentiert hat, kam sehr gut an, ist aber sicherlich irgendwann mal wieder überarbeitungsbedürftig.

   Aber seine Person bringt wieder einen neuen Aspekt in unser Thema. Er ist aus ganz persönlichen Gründen zurückgegangen und nicht, weil er hier mit den Arbeitsbedingungen oder dem Haus unzufrieden war.

 

Es gab eine Meldung vom Kölner Kulturrat über den Kölner Kulturindex 2012 mit dem Inhalt, dass die Bürger nicht wirklich zufrieden sind. Insbesondere wurde die unklare Situation des Kulturetats und der Streit um die Bühnen, insbesondere der Oper und hier der Streit um und mit Uwe Eric Laufenberg, dem Intendanten, als negativ empfunden. Als Außenstehender durfte man sich wundern und vermuten, dass man sowieso nicht über alle internen Vorgänge informiert wird?
So ist es.

 

Darf man unterstellen, dass Sie als jemand, der eine große Leidenschaft für die Oper hegt und sich in diesem Metier bestens auskennt, alles dafür tun würden, dass die Oper in Köln nicht weniger gut dasteht als möglich wäre?
Richtig, so ist es.

 

Mit Blick auf die veröffentlichen Zahlen mit den Geldern für das Haus – es ging in dem Streit ja immer um Geld, nie um die künstlerischen Leistungen ...
Unbestritten.

 

Es ging ja um einen relativ überschaubaren Mehrbetrag, der den Streit auslöste. Es ging um zwei Millionen Euro.
Es ging um zwei Millionen in einem Jahr. Und es waren schon sieben Millionen aufgelaufen, die Uwe Laufenberg mehr ausgegeben hatte.

 

Mit Blick auf den Gesamtetat waren es 32 Millionen für die Oper und 18 Millionen für das Schauspiel, die die Stadt Köln als Zuschuss für die Bühnen gewährt.
Richtig. Hinzu kommen noch weitere Zuschüsse und die eigenen Einnahmen. Dann sind wir bei der Oper bei fast 40 Millionen. Damit kam Herr Laufenberg aber nicht aus. Und er war vor allem nicht bereit, darüber zu reden, dass einfach nicht mehr drin war. Ich habe politisch in der Haushaltssituation nicht mehr durchsetzen können. Wir hatten noch im Frühjahr den Bühnenetat um zwei Millionen angehoben. Mehr war einfach nicht vermittelbar.
   Es geht ja nur – aber das geht letztendlich auf Landesebene auch nicht anders – nur der Haushalt, der da ist. Der kann verteilt werden, mehr ist eben nicht. Da muss man sich auch mal flexibel zeigen und nicht mehr ausgeben, als man hat. Die Konflikte hatten sich da schon eine ganze Zeit aufgestapelt. Jetzt – ohne lange über Herrn Laufenberg reden zu wollen – geht er nach Wiesbaden, da hat er 37 Millionen für alles: Für Oper, Schauspiel, Kindertheater, Tanztheater. Und die spielen ungefähr doppelt so viel wie wir in Köln. Da geht das auf einmal.

 

Sie erwähnten gerade weitere Zuschüsse. Das Land gibt ebenfalls einen Zuschuss?
Im Düsseldorfer Schauspielhaus ist es die Hälfte. Vier Prozent sind es für Köln. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Wir tragen hier alles aus eigener Kraft.

 

Kulturministerin Ute Schäfer hat die Stadt Köln als Ort der kulturellen Bildung ausgezeichnet.
Das hat in Köln Tradition. Wir haben den sogenannten Museumsdienst, ein eigentlich eher pädagogischer Dienst, der ein ganz breites Spektrum an kulturspezifischen Angeboten hat. Man kann fast sagen, für das Kleinkind bis zum Greis. Und das seit, glaube ich, 20 Jahren. Wir sind mit Berlin zusammen die älteste Einrichtung überhaupt.

 

Darüber erfährt man weniger in der Öffentlichkeit.
Das ist wenig spektakulär. Aber es ist die Basis. Übrigens ist der Museumsdienst auch in der Migrantenansprache aktiv.

 

Was das multikulturelle Leben der Stadt betrifft: Sie haben in 2012 ein neues Institut gegründet, die Akademie der Künste der Welt. Was hat es damit auf sich?
Das ist weltweit einmalig. Wir haben dafür eine Million zur Verfügung gestellt. Wir wollen die Kulturen der Welt, die sich irgendwo bei uns finden, als Spiegel im Bild unserer städtischen Kultur wiederfinden. Wir haben lange darüber nachgedacht, wie man das Thema angeht, denn wir hatten das Gefühl, dass die klassische interkulturelle Arbeit eigentlich nicht mehr zeitgemäß ist. Das meint es reicht nicht, Künstler zu fördern, nur weil sie einen Migrationshintergrund haben. Wir sollten Künstler fördern, wenn sie künstlerisch etwas zu sagen haben. Die Förderung der darstellenden und bildenden Kunst, Literatur und Musik funktioniert ja. So ist der Gedanke an die Akademie entstanden. Sie soll Impulse geben, Projekte ausschreiben und Diskussionen anregen. Denn wir haben ein Problem mit der Partizipation. Die haben wir teilweise bei der deutschstämmigen Bevölkerung natürlich auch, aber es gibt schon bestimmte Kreise, wie beispielsweise die starke türkische Population, die am normalen Kulturleben kaum teilnehmen. Die Akademie soll uns möglichst eine Antwort geben auf die Frage, wie wir diese Mitbürger erreichen.

 

Wie viele Museumsbesucher zählen Sie in 2012?
Wir kommen über eine Million Besucher. Etwas mehr als 2011.

 

Das heißt, Sie haben mehr Museumsbesucher, als die Stadt Einwohner?
Ja.

 

Sehen Sie sich damit als Wirtschaftsfaktor?
Das sehe ich so, aber das wird zum Teil auch bestritten. Natürlich kommen viele Kölner ins Museum. Und dann gibt es die zweite starke Gruppe aus dem Umfeld von cirka 150 Kilometern.

 

Was Sie selbst nun betrifft - heute ist eigentlich bereits klar, dass Sie absehbar nicht mehr der Kulturdezernent der Stadt Köln sind.
Ja, am 31. Mai ist Schluss. Aus politischen Gründen wird eine Neubesetzung gewollt. Trotz einer breiten Unterstützung für mich, besonders aus der freien Kulturszene. Für mich bedeutet dies auch ein Stück Frust, weil ich befürchte, dass vieles von dem, was wir in den letzten Jahren hier geschaffen haben, keine Fortsetzung finden wird. Ansonsten ist das ein befristeter Vertrag, ein zeitlich befristetes Mandat. Das weiß man, wenn man sich darauf einlässt. Der ist irgendwann zu Ende. Das ist auch legitim.

 

Was machen Sie bis dahin?
Ich arbeite ganz normal weiter. Das ist ja fast noch ein halbes Jahr.

 

 


Das Gespräch fand am 6. Dezember 2012 statt.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die 
rheinische ART.
empfiehlt:

Mit GOOGLE ins Museum.


Das Google Arts & Culture Projekt zeigt Meisterwerke aus den Museen und Sammlungen dieser Welt.

► 
mehr

Und geht der Frage nach: Was ist Contemporary Art?

mehr