rheinische ART
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rheinische ART 07/2012

 

 ARCHIV 2012

SOVIET UNION. Leningrad. Commemorating the victory over the Nazis. 9 May 1973
© Henri Cartier-Bresson/Magnum Photos

 

Fotografien von Henri Cartier-Bresson in Aachen

 

 

„Russia“

 

 

Henri Cartier-Bresson war der erste westliche Fotograf, der nach dem Tode Stalins die Sowjetunion bereisen durfte. Das war eine kleine Sensation. Denn die Bilder des Franzosen ermöglichten einen einzigartigen Blick in ein bis dahin fremdes und unbekanntes Land. Das Internationale Zeitungsmuseum (IZM) in Aachen erinnert mit der sehenswerten Sonderausstellung „Russia“ an den legendären Jahrhundertfotografen, dessen Fotografien zu Ikonen wurden.

 

HENRI CARTIER-BRESSON (1908-2004) war ein Multitalent. Er arbeitete als Fotograf, Schauspieler, Regieassistent und Regisseur bei Dokumentarfilmen, war Maler und Zeichner. Ein Rastloser, der Jahrzehnte lang unablässig durch Länder und über Kontinente reiste und mit seiner handlichen Kleinbildkamera Leica M Berühmte und Namenlose, Arme und Reiche, romantische wie zerstörte Landschaften fotografierte.

   Seine Portraits von Menschen in unterschiedlichen Kulturen sind oft zutiefst menschliche Aufnahmen, in Bruchteilen von Sekunden geschaffen und dennoch von höchster Ästhetik und oft kompositorischer Vollkommenheit. Mit derartigen Fotografien sowie mit einzigartigen Momentaufnahmen aus den Straßen oder dem einfachen Alltag, schrieb Cartier-Bresson Fotogeschichte und begründeten die Street-Photography. Andererseits war der geniale Fotograf ein perfekter Bildkompositeur, ein Künstler der Schwarz-Weiß-Fotografie und ein Virtuose hinter dem Sucher, der mit klaren visuellen Bildaufbauten arbeitete und die Liebe zur Geometrie nie verleugnen konnte. Ein Handwerker mit Prinzipien und unverwechselbarem Stil: keine Farbe, kein künstliches Licht, das Standardobjektiv mit 50 Millimetern. Für ihn war das Fotografieren Handwerk:„Viele wollen daraus eine Kunst machen, aber wir sind einfach Handwerker, die ihre Arbeit gut machen müssen.“

 

SOVIET UNION. Moscow, 1954
© Henri Cartier-Bresson/Magnum Photos

„Das eine Auge des Fotografen schaut weit geöffnet durch den Sucher, das andere, das geschlossene, blickt in die eigene Seele.“

 

Russland

 

Sein Aufenthalt in Russland fand 1954, ein Jahr nach dem Tode Stalins, statt. Henri Cartier-Bresson war seinerzeit einer der ersten Fotoreporter aus dem „kapitalistischen und klassenfeindlichen“ Ausland, der weitgehend ungehindert die „Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken“ bereisen durfte und das Leben unter dem Kommunismus dokumentieren konnte. Ein Jahr später veröffentliche er einen Bildband zur Kapitale Moskau. 1973 schließlich zog es ihn wieder in das Land mit den gigantischen Raumdimensionen. Sein Resümee: „Neunzehn Jahre nach meiner ersten Reise sehnte ich mich zurück und besuchte Russland erneut. Es gibt nichts Aufschlussreicheres als ein Land mit sich selbst zu vergleichen, um seine Unterschiede zu begreifen und den Faden der Kontinuität zu entdecken.“ Das IZM zeigt in der Ausstellung „Russia“ 48 Fotografien der Reisen, aufbereitet von der Fondation Henri Cartier-Bresson.

 

Henri Cartier-Bresson, 1957 fotografiert von der englischen Portraitfotografin Jane Bown

 

Das Besondere dieser Fotoreportagen aus Russland verdeutlicht ein Blick auf die Politik jener Zeit. Nach Stalins Tod 1953 änderte sich mit der beginnenden Ära Chruschtschow die politische Situation dramatisch. Es herrschte „Kalter Krieg“, der neue Regierungschef war auf Deeskalation bedacht und suchte Raum für seine Reformpolitik, während in den USA zur selben Zeit ein Feldzug gegen Kommunisten, deren Sympathisanten und gesellschaftliche Randgruppen geführt wurde.
   In Russland markierte Chruschtschows neuer Kurs einen Wendepunkt. In der sowjetischen Außenpolitik galt nun die Devise: friedliche Koexistenz. Damit waren auch neue Chancen für Fotojournalisten wie Cartier-Bresson gegeben. Ihm gelang es, sowohl die Veränderungen als auch das Wesen dieses riesigen Reiches mit der Kamera zu erfassen.  

Magnum und die große Karriere

 

Mit dem berühmten Kriegsfotografen Robert Capa und den renommierten Fotoreportern David Seymour und George Rodger begründete Henri Cartier-Bresson 1947 die legendäre, noch existierende unabhängige Fotografenagentur Magnum Photos. Ziel des Unternehmens ist es bis heute, die Rechte der Fotoreporter gegenüber Magazinen und Zeitungen zu vertreten und durchzusetzen. Noch immer kommt für Fotojournalisten die Mitgliedschaft in der Agentur einem Ritterschlag gleich. 1955 richtete der Pariser Louvre eine Ausstellung mit Werken Cartier-Bressons aus. Eine Premiere, denn nie zuvor hatte das ehrwürdige Haus einem Fotografen Raum für Exponate zugestanden. Damit würdigte das weltberühmte Museum nicht nur das Werk des als zurückhaltend, fast schüchtern geltenden Franzosen als Referenz für den Bildjournalismus des 20. Jahrhunderts, sondern die Ästhetik und Ethik der Fotografie als Kunst. Als professioneller Fotograf und Fotoreporter belieferte Henri Cartier-Bresson noch bis 1972 die berühmtesten großen Magazine und Zeitungen auf der ganzen Welt.

 

„Ein gutes Foto ist ein Foto, auf das man länger als eine Sekunde schaut.“


Claus P. Woitschützke

 

Die Ausstellung „Russia – Fotografien von Henri Cartier-Bresson“ ist vom 21. Juli 2012 bis zum 28. Oktober 2012 zu sehen.
IZM / Internationales Zeitungsmuseum
Pontstr. 13
52062 Aachen
Tel. 0241 432 4910
Öffnungszeiten
Di – So 10 – 18 Uhr

 

 

 

 

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