rheinische ART
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rheinische ART 06/2012

 

ARCHIV 2012

Tagebuchaufzeichnungen von Thomas Schütte

 

„Wattwanderung“

 

 

Die Kunstsammlung Nordrhein– Westfalen präsentiert in ihrer Reihe Künstlerräume im K21 eine Arbeit aus 138 Radierungen sowie zwei neue Großskulpturen des Bildhauers und Zeichners Thomas Schütte.


Die Präsentation der Radierungen ist eine ungewöhnliche. An einer Spannleine gehangen umfasst die Installation zwei Räume im Düsseldorfer Ständehaus. In einem dritten Raum der „Bel Etage“, im ersten Obergeschoss des stattlichen Hauses, dominieren Schüttes neueste Großskulpturen - zwei über drei Meter hohe „Krieger“.

 

Tagebuch auf Zeichnungen

 

Seit den 1980er Jahren fertigt Schütte Bilder an, die er als Tagebuchaufzeichnungen versteht.
   Der aus dem Jahre 2001 stammende Zyklus „Wattwanderung“ befindet sich seit 2004 in den Beständen der Kunstsammlung. Der Zyklus entstand nach einem Aufenthalt des Künstlers auf Langeoog. Über das Entstehungsjahr des Werkes sagt er: „Nach der Jahrtausendwende wusste niemand, wie es weitergeht. Keiner hatte eine Idee, keiner ahnte den Anschlag vom 11. September. Aber er lag in der Luft.“
   Die Radierungen sind bildgewordene Einsichten in das Innenleben des Künstlers jener Zeit. Dabei sind die Drucke neben privaten auch Dokumente öffentlicher und weltgeschichtlicher Themen und Ereignisse jener Tage.

   Spielerisches wechselt sich bei Schütte gleichberechtigt ab mit Grüblerisch-Skeptischem. Der bildnerische Gedankenfluss der „Wattwanderung“ wird einzig in der Aufteilung auf zwei Räume unterbrochen - sortiert nach den thematischen Schwerpunkten gesellschaftlicher und privater Thematik. Die Kuratorin Florence Thurmes überlässt es ansonsten dem Besucher, seinen eigenen Weg, Verbindungen und Assoziationen zwischen den kreuz und quer gehängten Grafiken herzustellen. Ungeachtet ihres heterogenen Inhaltes, zwischen individueller und universeller Thematik, begegnen die Bilder dem Besucher hierarchiefrei auf gleicher Höhe.
    Bildgebende Motive sind zum einen Blumen, Frauen, Kinder, Tiere, und Naturstudien sowie der Rückgriff auf das eigene Werk des Bildhauers Schütte. Neben Nautischem, wie dem Bild eines Matrosen oder eines Dampfers am Horizont, trifft der Betrachter auf intimes, wie private Porträts und weibliche Aktzeichnungen. Ebenso finden Ereignisse weltpolitischen Zuschnitts jener Zeit ihren Niederschlag. Dabei begleitet oft Schrift die Zeichnungen - Raum für Wortwitz und Assoziationen. So gesellt sich zu der Darstellung brennender Häuser der Schriftzug „HOME FRONT“. Auf einem anderem Druck prangt unter zwei aufragende rote Vertikalen der Schriftzug „Holy Shit“. Es ist das Jahr des sich religiös gebenden Terroranschlages auf das World Trade Center.

 

Hölzerne Krieger

 

Das Thema des Krieges bestimmen auch die zwei neuen Großskulpturen. Eine Ausstellung in New York initiierte Schütte dazu, auf kleine Wachsfiguren aus der Studentenzeit zurückzugreifen. Labile, verunglückte, kleine Figuren, die eigentlich in Bronze stattliche Größe erreichen sollten. Doch Schütte dachte um und es entwickelten sich hölzerne Krieger mit bizarrer Kopfbedeckung. Ihre Körper sind gefangen im Widerspruch zwischen Torso und kraftvoller Physis.
Martin Korbmacher

 

Die Ausstellung „Thomas Schütte – Wattwanderung“ kann bis zum 9. September 2012 besucht werden.

K21 STÄNDEHAUS
Ständehausstr. 1
40217 Düsseldorf
Tel. 0211 / 838 1204

Öffnungszeiten
DI – Fr 10 – 18 Uhr
SA + SO und feiertags 11 – 18 Uhr
Zur Ausstellung können individuelle Führungen und Workshops gebucht werden.


Die komplette Radierungsserie ist Teil der MoMa-Sammlung.

 

Während seiner Ausbildung auf der Kunstakademie Düsseldorf (1973-1981) ist Schütte Schüler bei Gerhard Richter und Fritz Schwegler. Die Werke von Daniel Buren und Bruce Nauman beeindrucken ihn und er setzt sich mit der Kunst der 1960er und 1970er Jahre, die von der Konzeptkunst, dem Minimalismus und der Pop Art geprägt ist, auseinander. Schüttes Verbindung zum Raum wird schon in seinen ersten Werken deutlich; aus dieser Verbindung entstehen dann ab 1980 seine berühmten Architekturmodelle (mehr).

 

 


Fotos (4) © Kunstsammlung NRW (aus Copyright-Gründen entfernt)

 

 

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