rheinische ART
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rheinische ART 08/2019

Archiv 2019

LOUVRE-LENS
Kunst im Zeit-Parcours


Das meistbesuchte Museum der Welt, der Louvre in Paris, hat einen wunderbaren Ableger in der nordfranzösischen Kleinstadt Lens. Der dortige „kleine Louvre“ befindet sich im siebten Jahr seiner Existenz. Und vermutlich wie im siebten Himmel. Eine Erfolgsgeschichte!

 

Minimalistisch und wie schwerelos wirkend: Louvre-Lens westlicher Teil, Gebäude für Wechselausstellungen. Bei der Ausschreibung um die Louvre-Dependance hatten sich 2003 auch Städte wie Lyon und Montpellier beworben. Foto © rheinische ART 2019

 

Was hat die unscheinbare Provinzstadt Lens mit Liverpool, Bilbao und Metz gemeinsam? Alle diese Städte waren einmal Zechen- und Stahlstandorte, alle litten und leiden noch unter dem Strukturwandel. Und alle wurden mit einer Kulturoffensive aufgewertet, denn sie verfügen heute über Museen der Extraklasse.

      Nachdem Frankreichs Kulturministerium im Rahmen von Dezentralisierungen 2010 in der lothringischen Metropole Metz eine Niederlassung des Musée Centre Pompidou einweihte (mehr), wurde mit der Eröffnung des Louvre-Lens zwei Jahre später gleich ein weiterer kultureller Hotspot in der Provinz installiert. Er sollte das angeschlagene Image der rund 200 Kilometer nördlich von Paris gelegenen Kohleregion aufpolieren.

 

Galerie du Temps (Galerie der Zeit) mit der Dauerausstellung. Die Exponate wechseln in regelmäßigem Rhythmus. Foto © Musée Louvre-Lens 2019


Im Jahr 2018 verzeichnete der Louvre-Lens über 560.000 Besucher. Damit ist das Konzept der Verantwortlichen aufgegangen. Lens, gelegen in der strukturschwachen und relativ armen Region Nord-Pas de Calais, ist zu einem Magneten für Kunstinteressierte geworden.

     Eine Aufwertung ohne martialische Geste und kulturbeflissenem Habitus, eher zurückhaltend, so wie das Land und die Leute dieser Region.

     Seit 2012 ist das Nordfranzösische Kohlerevier, in dem rund 300 Jahre gefördert wurde, UNESCO-Weltkulturerbe. In der Ex-Kohlestadt Lens erinnert aber nur noch wenig an die früheren Boom- Zeiten: Da und dort eine historisches Relikt der Förderarchitektur, die klassischen Arbeitersiedlungen in Reih und Glied, der rote Backstein, zwei hohe Abraumhalden, die wie Pyramiden in der Landschaft stehen. Fast mitten in der Stadt dann ein revitalisiertes Areal mit einer Fläche von etwa gut vier Fußballfeldern der Standardgröße. Es ist ein Teil des ehemaligen Terrains der in den Achtzigerjahren endgültig aufgegebenen Kohlezeche Nr. 9. Die Industriebrache ist heute ein Park, ein Flanierort und der Standort des Louvre-Lens.

 

Blick in die Dauerausstellung mit altägyptischen Skulpturen Foto © rheinische ART 2019

 

Foyer mit sog. Serviceinseln („gläserne Blasen“) Foto © rheinische ART 2019

 

Was den Besucher dort erwartet, ist überaus beeindruckend. Ein fünf rechteckige Gebäude umfassendes und ineinander verschränktes Ensemble erstreckt sich beidseits eines zentralen Foyers über 360 Meter Länge.

     Der helle, leichte Aluminium- und Glaskorpus, eingeschossig, fast schwebend, wirkt nicht wie ein Kunstmuseum, eher wie ein Objekt der „Land-Art“. Der Komplex zieht den Besucher in seinen Bann. Denn verschwommen und schemenhaft spiegeln sich Umgebung und Himmel in der polierten und eloxierten Aluminium-Außenhaut. Je nach Wetterlage, Lichteinfluss und Position des Besuchers ändern sich ständig die Eindrücke – ein Faszinosum.
     Das transparente, indirekt ausgeleuchtete und verglaste Foyer ist wie eine zentrale „Piazza“ konzipiert. Sogenannte Serviceinseln in Form „gläserner Blasen“ dienen als Empfang, Mediathek, Museum-Shop sowie Cafeteria. Der Trakt ist von mehreren Seiten zugänglich und bietet einen Ausblick auf die Stadt und den umgebenden Park.

 

Blick in die Dauerausstellung mit einem neuen Schaukonzept im offenen Saal. Besucher können zwischen den Exponaten flanieren. Foto © Musée Louvre-Lens 2019

 

Kernraum ist der 120 Meter lange und 3000 Quadratmeter große Galeriesaal östlich des Foyers. Er beherbergt eine Dauerausstellung und wird „Galerie der Zeit“ (Galerie du Temps) genannt.

     Mit einem bemerkenswerten museologischen Konzept werden hier ständig über 200 spektakuläre Kunstwerke aus einem Zeitraum von 5000 Jahren präsentiert – nicht in klassischer Anordnung oder Gattungstrennung.   

     Alle Exponate stehen oder liegen im Raum auf poliertem Beton, keines hängt an einer der Seitenwände. Dem Besucher bietet sich ein freier Blick durch die gesamte Galerie und verführt ihn zu einem kulturgeschichtlichen Gang mit ungewöhnlichen Bezügen. Je weiter er in dieser Galerie voranschreitet, desto näher kommt er der Gegenwart. Eine Zeitreise, künstlerisch natürlich! Eine dezente „Timeline“ am oberen Rand einer Seitenwand hilft bei der epochalen Einordnung der Sammlungsobjekte.

 

Dauerausstellung Reflektierende Aluminiumpaneele bilden einen Kontrast zu den Skulpturen und verstärken die Wirkung des Raumes. Foto © Musée Louvre-Lens 2019

 

„Es ging uns darum, eine transversale Sicht der Kunstgeschichte und der Menschheit zu bieten“, wird die Museumsleitung zitiert. Damit unterscheidet sich der Louvre-Lens von seinem Mutterhaus. Während in Paris nach traditionellem, enzyklopädischem Konzept präsentiert wird, wirkt die Schaugestaltung im Louvre-Lens neu, frisch, leicht, animierend. Sie führt die herkömmliche chronologische Schau mit einer Art universalen Sicht zusammen und ermöglicht einen neuen Blick auf die Dinge.

     Das Ergebnis ist ein Parcours, der einer „Chaine de Connaissance“ nahe kommt. Einer Erkenntnis- und Wissenskette also, wie sie bereits in den Zwanzigerjahren des letzten Jahrhunderts konzeptionell für ein futuristisches Weltmuseum (musée mondial) in Genf im Gespräch war.

     Nach Westen erstrecken sich eine weitere Galerie für Wechselausstellungen und ein Auditorium. Insgesamt werden im Louvre-Lens 28000 Quadratmetern genutzt, 6000 davon als Schausäle. Nebenräume, Werkstätten, Depot und Technik befinden sich im Untergeschoss, Verwaltung und ein Restaurant in Gebäuden im Park.


Schöpfer dieses baumeisterlichen Kunstwerks ist die Architektengruppe SANAA aus Tokio. Die gesamten Baukosten betrugen 150 Millionen Euro. Das japanische Architekturbüro SANAA ist berühmt für seinen Minimalismus und mit dem Pritzker-Preis dekoriert. Es realisierte Kulturgebäude auch andernorts. So für die Essener Zeche Zollverein 2006 den SANAA-Kubus (mehr), ein innovatives Hochschulgebäude der Folkwang Universität der Künste, sowie Museumgebäude und Pavillons in Lausanne, Paris, London und New York.

Claus P. Woitschützke


Architekten: SANAA Tokio (Kazuyo Sejima, Ryue Nishizawa), Parkgestaltung Catherine Mosbach, Paris. Ausstellungsgestaltung Studio Adrien Gardère, Paris.

 

Museum Louvre-Lens
99, Rue Paul Bert,
F-62300 Lens
Tel +33 321 18 62 62
Öffnungszeiten
Täglich 10 – 18 Uhr
DI geschlossen
Dauerausstellung kostenlos

 

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