rheinische ART
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rheinische ART 06/2012

 

ARCHIV 2012

Niki de Saint Phalle, La Moyenne Waldaff, 1969, Ulmer Museum, Stiftung Sammlung Kurt Fried, © 2012 NIKI CHARITABLE ART FOUNDATION, Foto: © Bernd Kegler

Niki de Saint Phalle - Nana-Power

 

 

Spiel mit mir

 

 

 

Es gab Zeitgenossen, die nicht nur an ihren üppig-erotischen und bunten Frauenskulpturen, sondern bereits an ihrem Namen Anstoß nahmen - ungeachtet der Tatsache, dass es sich hier um alten französischen Adel handelte. Niki de Saint Phalle (1930-2002), die in den USA aufgewachsene Bankierstochter aus Neuilly-sur-Seine, war eine der faszinierendsten Künstlerinnen des alten Kontinents.

 

 

MIT IHREN scheinbar kindlich naiv bemalten Nana-Skulpturen, deren Formen stark an früheste erhaltene Fruchtbarkeitsdarstellungen erinnern, wurde Niki des Saint Phalle, die Malerei auch als Mittel zur Bewältigung seelenerschütternder Ereignisse nutzte, weltberühmt. Das Max Ernst Museum in Brühl hat der ungewöhnlichen und doch so populären Künstlerin eine große eigene Schau gewidmet. „Spiel mit mir“, so der Titel, zeigt 85 Werke aus der rund 50 Jahre währenden Schaffenszeit der Früh-Feministin.

 

Breite Werkauswahl

 

In dem Titel „Spiel mit mir“, der eines ihrer ersten Bilder zitiert, spiegelt sich nach Aussage des Museums der Wunsch der Künstlerin wider, den Betrachter einzubeziehen. Er kann als eine Aufforderung an den Einzelnen verstanden werden, am Entstehungsprozess von Kunst teilzunehmen. Einen speziellen Fokus legt die Brühler Ausstellung auf wenig bekannte Frühwerke der Malerin und Bildhauerin, die zwar ihre fantastische, kindlich verträumte Formensprache der späteren Phasen erahnen lassen aber gleichzeitig verdeutlichen, dass ihre Arbeit weit mehr ausmachte und vielgestaltiger war, als die prominenten „Nana“-Plastiken vermuten lassen. Zur Werkauswahl gehören vor allem Gemälde, Assemblagen oder plastische Collagen, Plastiken, Zeichnungen, Druckgraphik und Architekturmodelle.

 

Von Schießbildern und Plastik-Matronen

 

Niki de Saint Phalle, Monkey, um 1960/61,
Sammlung Niki Charitable Art Foundation,
Dauerleihgabe im Sprengel Museum Hannover,

© 2012 NIKI CHARITABLE ART FOUNDATION,

Foto: © Laurent Condominas

 

Niki de Saint Phalle, Hors-d’oeuvre (Portrait of my Lover / Portrait of Myself), 1960, Sammlung Niki Charitable Art Foundation,
© 2012 NIKI CHARITABLE ART FOUNDATION
Foto: © Fabienne Villeglé

 

Internationales Aufsehen und künstlerischer Durchbruch der Autodidaktin, die zuvor Vogue-Model war und sich in der Schauspielerei versuchte, datieren aus den Jahren 1961/1962. Auslöser sind Gewehrschüsse auf mit Farbbeutel präparierte Gipsbilder. Die damit erzeugten und später berühmt gewordenen „Schießbilder“ (Tirs), die unter anderem als Protest gegen eine patriarchalische Gesellschaftsordnung wie auch als Verarbeitung traumatischer Missbrauchserfahrung der Malerin interpretiert wurden, finden ein weltweites Echo.

   Ihre Collagen, bei denen sie tägliche wie scheinbar harmlose Dinge einsetzt, legen in ihrem Arrangement wie die Schießbilder ebenso Zeugnis von Gewalt und Hilflosigkeit ab. Was bleibt ist ein optischer Schrei, weit weg von Harmlosigkeit und nah dran an Betroffensein. Ihre Kunst wird zu einem persönlichen Befreiungsschlag, aber auch zu einem fantastischen Spiel, in dem sich ihr Leben in bizarren Gestalten und traumhaften Welten widerspiegelt und für den Betrachter greifbar wird.
   Die Künstlerin, die zwei mal heiratet und Mutter zweier Kinder wird, erforscht in ihren Werken auf vielseitige Weise ihre ganz individuellen Ausdrucksmöglichkeiten und prägt mit ihrer Formensprache den Blick auf »weibliche« Kunst. Es folgen Werkphasen, die eine Auseinandersetzung mit verschiedenen Frauenrollen widerspiegeln, bis die Malerin schließlich mit ihren Nanas – geformt zunächst aus Textilien und Wolle, später aus gegossenem Polyester – eine neue Ausdruckform, eine neue Formensprache entwickelt. Diese Nanas, reinbunt bemalte Frauenfiguren mit betont üppigen und runden Formen, machen sie über die Kontinente hinweg populär. De Saint Phalle wurde zu einer wichtigen Impulsgeberin für die Richtung „Nouveaux Réalistes“ und zählt zu den frühen Vertreterinnen eines neuen Frauenbildes.

   Die Künstlerin mit der bewegten Biografie findet international Anerkennung. 1968 ist Niki de Saint Phalle bereits auf einer Ausstellung des MOMA in New York vertreten. In den Folgejahren werden ihre Werke, vielfach in Großformaten, in München, Hannover, Paris und Amsterdam, Stockholm und Rom gezeigt. 1982 entsteht in Paris vor dem Centre Pompidou ihr berühmter Strawinski-Brunnen.
   In Deutschland installiert die Künstlerin 1974 in Hannover am Leibnitzufer Nana-Figuren. In der Bundeskunsthalle in Bonn stellt de Saint Phalle im November 1992 zahlreiche Werke aus. Darunter zum Teil begehbare Großplastiken auf dem Dachgarten des Hauses. Damit gehörte die Künstlerin zu den Gründungsausstellern des Bonner Hauses.

Klaus M. Martinetz

 

Niki de Saint Phalle starb mit 71 Jahren am 21. Mai 2002 in San Diego/ Kalifornien an einem Lungenleiden. Es wurde nicht ausgeschlossen, dass die Atemwegerkrankung auf die jahrelange Arbeit mit den gefährlichen giftigen Dämpfen, die bei der Polyesterverarbeitung für die Nana-Skulpturen entstanden, zurückzuführen ist.



Die Ausstellung „Niki de Saint Phalle – Spiel mit mir“ ist bis zum 3. Juni 2012 zu sehen.

Max Ernst Museum des LVR
Comesstr. 42
Max-Ernst-Allee 1
50321 Brühl
Tel. 02234 – 9921 555

Öffnungszeiten:
DI bis SO 11.00 bis 18.00 Uhr
MO geschlossen

 

Die in Brühl gezeigten Werke sind eine Auswahl der von Guido Magnaguagno in der Kunsthalle Würth in Schwäbisch Hall kuratierten Ausstellung „Niki de Saint Phalle – Spiel mit mir“.

 

 

 

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