rheinische ART
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rheinische ART 06/2018

Archiv 2018

JUAN MUNOZ
Eine Person betritt den Raum…

 

Juan Muñoz ist ein Erzähler. Ein Erfinder und Vermittler von Geschichten. Als Autor hat er Geschichten für die Leser aufgeschrieben, im Hörspiel machte er sie akustisch erfahrbar. Aber in der bildenden Kunst, der sich Munoz als Bildhauer widmete, sind nur die Anfänge von Geschichten formuliert.

 

Juan Muñoz in der Skulpturenhalle der Thomas Schütte Stiftung. Installationsansicht. Foto © rheinische ART 2018

 

Seine Objekte sind Auslöser, Steine des Anstoßes, denn die Geschichten selbst werden nicht mehr von Muñoz (1953-2001), dem Künstler, sondern von den Betrachtern seiner Werke ins Leben gesetzt. Ein jeder für sich assoziiert eine Erzählung in seinem Kopf. Zu erleben ist der spanische Bildhauer derzeit in der Skulpturenhalle der Thomas Schütte Stiftung in Neuss.

 

Juan Muñoz Dwarf with Floor, 1989/ 1994, Papier maché, Linoleum; Figur: 120 × 58 × 40 cm, Boden ca.: 30 m², Juan Muñoz Estate, Madrid, Foto: Luise Heuter, © VG Bild-Kunst, Bonn 2018

 

Dieter Schwarz, der den die Ausstellung begleiteten Katalog verfasste, bringt es auf den Punkt. Erzählungen beschreiben Handlungen und werden zur Literatur gezählt, befindet Schwarz, und „… die Moderne hat den Verzicht auf die Darstellung von Handlungen in der bildenden Kunst (…) bekräftigt.“ Muñoz sei sich dessen bei seiner Entscheidung für die bildende Kunst durchaus bewusst gewesen und ging mit dem eigentlichen Widerspruch offensiv um. „Auf immer neue Weise kam er in seinem Werk auf die lapidare Situation zurück, mit der jede Erzählung beginnt – eine Person tritt in einen Raum. Muñoz hob zum Erzählen an und verstummte, bevor sich eine Handlung ergab …“

 

Juan Muñoz in der Skulpturenhalle der Thomas Schütte Stiftung. Installationsansicht. Foto © rheinische ART 2018


Muñoz Personen sind oft Zwerge, die meisten zu klein, um als humanistischer Organismus tatsächlich leben zu können. Mehr ähneln sie Puppen, die wiederum zu groß sind, als dass man mit ihnen spielen könnte. Ihre Menschlichkeit steht aber außer Frage. Und so fühlt sich der Besucher animiert, zu schauen, was denn die Personen im Werk Muñoz schauen. Dem Mädchen am Billardtisch – es ist laut Bildlegende Sara - sieht man über die Schulter wie man sich hinter eine auf einer Kiste sitzenden Person, übrigens eine Bauchrednerpuppe, stellt, um ähnlich wie diese auf die Wand zu starren, die Einblicke in eine Wohnung mit offenen Türen gewährt. Das Paar auf einer Bank, das in die Ferne sieht, möchte man mit dem eigenen neugierigen Blick gar nicht belästigen und warum zwei Männer Masken tragen, während sie in den Spiegel schauen, bleibt ihr Geheimnis. Denn das „Meer“, auf das sie angeblich starren, ist nirgendwo.

 

Juan Muñoz Detail: Ventriloquist Looking at a Double Interior, 1988–2000, verschiedene Materialien auf Stoff, Motor, Kunstharz, Silikon, Holz; Zeichnung, je: 146,5 × 100 cm, Figur: 63 × 25 × 25 cm, Juan Muñoz Estate, Madrid, Foto © rheinische ART 2018

 

Lautlose Erzählungen sind es, denen der Betrachter schauend lauscht. Eine halbwegs lebensgroße Person steht am Rande, hält den eigenen Kopf fest in der Hand vor sich, und aus dem Mund purzeln Figuren. Alles geschieht lautlos, aber dem speienden Gesicht nach unter Anstrengung und vielleicht Schmerz. Die Skulptur titelt „Untiteld“, ist von 2001, und laut Thomas Schütte ein Selbstportrait von Muñoz.

 

Juan Muñoz Livingin a Round Shoebox, 1995, Eisen, verschiedene Materialien, Motor, 77,5 x 15 x 155 cm, Juan Muñoz Estate, Madrid, Foto: Luise Heuter, © VG Bild-Kunst, Bonn 2018


Doch Muñoz kann auch anders. Er schafft Szenarien, die selbst die Abwesenheit von Personen spürbar machen. Zum einen sind da leere, in ihrer Dimension viel zu kleine Balkone an der Wand. Ein vertrauter Handlauf, der Halt und Sicherheit anbietet, enthält Innen und für den Betrachter erst einmal unsichtbar, ein Messer. In einer ewigen Schleife fährt auf Schienen ein Schuhkarton, in dem als Passagiere sich zwei Figürchen befinden. Sie sitzen, dem Rattern des Gefährts ausgesetzt, sich gegenüber, und es hat den Eindruck, als würden sie kommunizieren. Allein der geschlossene Schienenkreislauf lässt sie nie ankommen. Sie titelt „Living in a Round Shoebox“.
Irmgard Ruhs-Woitschützke

 

Die Ausstellung „Juan Muñoz“ ist bis zum 12. August 2018 zu sehen.
Skulpturenhalle
der Thomas Schütte Stiftung
Berger Weg 16/nahe Raketenstation Hombroich
41472 Neuss / Holzheim
Tel. 02182 / 8298520
Öffnungszeiten
FR – SO 11 – 17 Uhr

 

 

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