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rheinische ART 06/2018

Archiv 2018

NEUNTE KUNST
Friedensmission

 

Cartoons! Für die einen sind sie lustige Bildchen in Reihe oder einzeln, mit Sprechblasen, allerlei Lautmalerei und anregenden, einprägsamen Bildern à la Wilhelm Busch. Für andere bilden sie eine Plattform für brisante hochpolitische und sozialkritische Äußerungen.
 

Luc Descheemaeker / Pseudonym O_Sekoer, o.T. © Luc Descheemaeker (Belgien), Zentrum für verfolgte Künste, Solingen 2018

 

Es war der französische Journalist Francis Lacassin, der 1971 Comics und Cartoons als „Neunte Kunst“ in den allgemeinen Kunstkanon einreihte und so einen neuen Gattungsbegriff schuf. In vielen Ländern, in Europa vor allem in Belgien und Frankreich, gehört die „Neunte Kunst“ zur Hochkultur. In Deutschland ist die Akzeptanz jedoch immer noch gering.

     Warum? Das ist nicht so ganz erklärlich. Vielleicht, weil das Karikaturistische und die illustrierte Erzählung hierzulande im Kunstbetrieb eher unten als oben angesiedelt sind und der politisch-soziallastige Tageswitz, das aktuelle Spiegeln gesellschaftlicher, ökonomischer oder politischer Vorgänge in Printmedien – wie die Zeitung selbst – schnellem Vergessen anheimfällt? 

 

Michel Kichka Zèbres, 01.16 © Michel Kichka (Israel), Zentrum für verfolgte Künste, Solingen 2018 (Text von links: „Mein Vater ist schwarz und meine Mutter weiß.“ „Bei mir ist es umgekehrt.“)

 

In der Tat stand das Humorvolle am Anfang der Bildergeschichten. Comics, die um 1895 in den USA erstmals in Erscheinung traten, hatten quasi namensgebend „komische Geschichten“ zum Gegenstand und inspirierten sich an politisch-sozialen Witzzeichnungen, die in England ab dem 18. Jahrhundert populär wurden. Zu ungeahnten künstlerischen Höhen gelangten in Frankreich Mitte des 19. Jahrhunderts Zeichnungen und Lithografien des mit dem Ehrentitel „Michelangelo der Karikatur“ belegten Bildermachers Honoré Daumier.

     Heiterer Spott, das Alltäglicher aus dem Milieu der „kleinen Leute“ wie auch humorvolle Familiengeschichten blieben lange die Zentralthemen vieler Comic Strips. Erst mit Beginn der 1930er Jahre entstanden vermehrt Comics, die nicht dazu gedacht waren, die Leser zum Lachen zu bringen, sondern auf Spannung, Abenteuer oder Gruseleffekte setzten.

 

Talal Nayer o.T. © Talal Nayer (Sudan), Zentrum für verfolgte Künste, Solingen 2018

 

Allgemein gilt, dass die Grenzen zwischen Satire, Karikatur, Graphic Novel, Comic, Cartoon, Illustration und der traditionellen bildenden Kunst fließend sind. Unbestreitbar ist, dass die „Neunte Kunst“ vielfach virtuos und energiegeladen daherkommt und durch ihren kritischen Geist totalitären Machthabern oft ein Dorn im Auge ist. Viele Karikaturistinnen und Karikaturisten sind subversiv, unterliegen Publikationsverboten, rebellieren mit Ihren Arbeiten und werden daher nicht selten drangsaliert und verfolgt.

 

Constantin Sunnerberg / Pseudonym Cost © Constantin Sunnerberg (Belgien), Zentrum für verfolgte Künste, Solingen 2018

 

Agim Sulaj Rich and Poor © Agim Sulaj (Albanien), Zentrum für verfolgte Künste, Solingen 2018

 

Derartige Bildschöpfer stehen im Solinger „Zentrum für verfolgte Künste“ derzeit im Mittelpunkt einer Schau. Gezeigt werden in einer ungewöhnlichen wie sehr interessanten Kombination rund 200 Karikaturen, Illustrationen und Zeichnungen von 60 internationalen Künstlern zum Thema Flucht, Vertreibung und Menschenrechte.
     Die Ausstellung mit dem Titel „Cartooning for Peace - Neunte Kunst“ bedient zwei Aspekte. Zum einen bildet sie verfolgten Karikaturisten ein öffentliches Forum für ihre Arbeiten zu einem hochaktuellen Thema.

     Zum anderen verdeutlicht die Präsentation, wie reichhaltig diese Kunstform ist: Von einfachen Pressezeichnungen, die mit wenigen Strichen das Drama der Welt umreißen, über Bilderstorys und Illustrationen bis zu komplexen eigenständigen Kunstwerken, die phantasievoll das Abgründige der Gegenwart darstellen.

     Ergänzend beleuchten die Kuratoren insbesondere das Schaffen zweier einzelner Bilder-Künstler des Genres: Michael Kichka (*1954), einflussreicher Karikaturist des Nahen Ostens und Talal Nayer (*1983), Immigrant aus dem Sudan und Präsident des dortigen Cartoonisten-Verbandes

 

Ausgehend von Heinrich Heine und dessen wort- und bildgewaltigem satirischen Kampf gegen die Zensur, zeigt „Cartooning for Peace - Neunte Kunst“ im Übrigen auch, wie reichhaltig die Geschichte der Karikatur mit der Kunstgeschichte und der Sammlung des Solinger Kunst-Zentrums verbunden ist, in dem das Thema Frieden traditionell eine Hauptrolle in den Präsentationen einnimmt.

rART

 

Mit einem Eintrag in die französische „Grande Encyclopédie Larousse“ 1971 etablierte der Literaturwissenschaftler Francis Lacassin Karikatur und Comic als die „Neunte Kunst“. Die klassischen Kunstformen sind Malerei, Bildhauerei, Zeichnung, Grafik, Architektur, zu der später Fotographie, Film und Fernsehen hinzukamen.

 

Die Ausstellung „Cartooning for Peace Neunte Kunst“ kann bis zum 16. September 2018 besucht werden.
Zentrum für verfolgte Künste
im Kunstmuseum Solingen

Wuppertaler Straße 160
42653 Solingen
Tel 0212 / 2 58 14 0
Öffnungszeiten
DI – SO 10 – 17 Uhr

 

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