rheinische ART
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rheinische ART 08/2015

Archiv 2015

KUNSTHAUS ZÜRICH

ACH, EUROPA!


Mitten in den hektischen und schicksalsträchtigen Wochen, in denen in den EU-Ländern die Wogen hochgingen und längst begraben geglaubte nationalistische Gespenster wieder ans Licht kamen, eröffnete eine Ausstellung zum Thema Europa - ausgerechnet in der Schweiz!

 

Félix Vallotton Die Entführung der Europa, 1908, Öl auf Leinwand, 130 × 162 cm Kunstmuseum Bern, Geschenk Prof. Hans R. Hahnloser, Bern Foto: Kunstmuseum Bern
Foto © Kunsthaus Zürich 2015

 

Das Kunsthaus Zürich bietet unter dem Titel „Europa. Die Zukunft der Geschichte“ einen breiten „künstlerischen Blick“ auf den Kontinent, wobei die Titelwahl nicht ganz klar macht, wohin die Reise geht.

     Das Kunsthaus fragt: Welches Bild steht für Europa? Ist es der Fall der Berliner Mauer, sind es die universellen Menschenrechte, die Fußball-Europameisterschaften und der Grand Prix Eurovision de la Chanson?

 

Meret Oppenheim Grosser Himmel mit Wolken über Kontinenten, 1964, Öl auf roher Leinwand, Vinyl-Firnis, 110 × 210 cm, Collection Pictet, Foto: Thomas Hensinger, © 2015 ProLitteris, Zürich Foto © Kunsthaus Zürich 2015

 

Die These der Ausstellungsmacher: Seit der Antike stehe kein einzelnes Bild mehr für die „Alte Welt“. Heute sei Europa ein facettenreiches Mosaik, das trotz tektonischer Spannungskräfte nicht mehr auseinanderzufallen drohe. Dem politisch Interessierten möchten angesichts der letzten Wochen mit ihren endlosen EU-Sitzungen, Grexit-Debatten und Re-Nationalisierungssprüchen so einige Zweifel kommen.

 

Osman Bozkurt Marks of Democracy/ Portraits of the Voters, 2002, C-Print, 10 Werke: je 40 × 60 cm Sammlung Deutsche Bank, Foto: Martin Url, Frankfurt, © Osman Bozkurt Foto © Kunsthaus Zürich 2015

 

Hans Richter Kaiser Wilhelm als Befehlshaber des Todes, 1917, Tusche über braunem Farbstift auf Zellulosepapier, Blatt: 27,7 × 21,6 cm, Kunsthaus Zürich, Grafische Sammlung, © 2015 Nachlass Hans Richter Foto © Kunsthaus Zürich 2015

 

Zusammengetragen haben die Schweizer über 100 Gemälde, Zeichnungen, Fotografien, Videos und Installationen von rund 60 modernen oder zeitgenössischen Kreativen, die sich zu Europa künstlerisch geäußert haben – früher einmal oder erst jüngst.

     Aus dem rheinischen Raum sind unter anderen Arbeiten von Josef Albers, Joseph Beuys, Max Ernst, Andreas Gursky oder auch Marcel Odenbach dabei. Insgesamt ein ziemlich breit angelegter Schaukasten mit Exponaten und Kunstgattungen, nicht eintönig und durchaus fesselnd, mit immer wieder neuen Ansprüchen an den Besucher. Denn die Werke treffen auf literarische und politische Aussagen bekannter Persönlichkeiten. Es ist eine Ausstellung, die also Europa in der Kunst zeigt.

 

Idee und Werk Denn alle Exponate haben - auf den ersten Blick jedenfalls - irgendwie mit Europa zu tun. Aber bei genauerer Betrachtung bleibt manches Mal unklar, was das eine oder andere Werk mit der europäischen Idee denn nun tatsächlich zu tun hat. Zwar weniger etwa bei den politischen Karikaturen von Honoré Daumier (mehr). Wohl aber bei Edvard Munchs Hafen von Lübeck (1907), der Stadt, die er als "...die herrliche...mit den roten Dächern" rühmte.

     Oder Claude Monets Ölgemälde von 1864 mit dem Titel Der Leuchtturm von Honfleur. Was zeichnet sie als europarelevante Werke aus? So gesehen ist die Schau eine große Versammlung von teils schönen Arbeiten ohne hilfreichen Leitfaden. Ein wenig chaotisches Europa, wie auch im wirklichen (Europa-)Leben, ohne thematische oder chronologische Gliederung.

 

Die Exposition erzählt von Utopien, Träumen und der Wirklichkeit. Sie unternimmt den Versuch, Darstellungsformen einer abstrakt anmutenden Vision von einem friedlichen Europa ideengeschichtlich zu transportieren. 1826 nahm Heinrich Heine vorweg, was heute unter „Special Interest“- Gruppen verstanden wird: „Täglich verschwinden mehr und mehr die törichten Nationalvorurteile, alle schroffen Besonderheiten gehen unter in der Allgemeinheit der europäischen Zivilisation. Es gibt jetzt in Europa keine Nationen mehr, sondern nur Parteien.“

 

Herlinde Koelbl, London: Vincent und Victoria Poklewski, 2000, Aus der Serie «Schlafzimmer: London, Berlin, Moskau, Rom, New York, Paris», 1994-2002 Farbfotografie, Courtesy die Künstlerin, © Herlinde Koelbl Foto © Kunsthaus Zürich 2015

 

Politisch Kuratorin Cathérine Hug und der Wiener Schriftsteller Robert Menasse, der die Ausstellung begleitet, liefern auch einen politischen Befund. Einerseits, so das Duo, sind in Europa mehr Staaten als je zuvor demokratisch verfasst, andererseits nehmen die Krisensymptome in Ländern wie Frankreich, Großbritannien und Deutschland zu, die einst eine gesellschaftspolitische Avantgarde bildeten. Die Bürger empfänden ein Demokratiedefizit und ihr Wahlverhalten zeige den Wunsch nach Re-Nationalisierung. Das Paradoxe: In einem informationstechnisch, wirtschaftlich wie ökologisch vernetzten Europa seien jedoch Probleme mit nationalstaatlichen Maßnahmen allein nicht mehr zu bewältigen.

Der Ausstellungskatalog bringt es auf den Punkt: „Die Souveränität der Nationalstaaten ist die Illusion, an der Europa (wieder) krankt.“

K2M

 

Die Ausstellung „Europa. Die Zukunft der Geschichte“ wird bis zum 6. September 2015 gezeigt.
Kunsthaus Zürich
Heimplatz 1
CH–8001 Zürich
Tel. +41 (0)44 253 84 84

Öffnungszeiten
FR-SO, DI 10-18 Uhr
MI, DO 10-20 Uhr

 

 

 

 

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