rheinische ART
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rheinische ART 06/2012

 

ARCHIV 2012

Packaged Houses oder Wohnung von der Stange

 

Reiz der Module

 

Jürgen Mayer H. Architects, Metropol Parasol, Sevilla, Spanien, 2004-2011 © Foto: David Franck

 

Bauen mit standardisierten, seriell hergestellten Grundelementen ist seit Jahrhunderten bekannt. Und alle Großen der modernen Architektur befassten sich, ob für Wohn- oder Gewerbehäuser, mehr oder weniger mit dieser Bauweise auf ihren Reißbrettern. Walter Gropius, Le Corbusier, Ludwig Mies van der Rohe, Konrad Wachsmann oder Louis Kahn – sie waren von der Idee fasziniert, bezahlbaren Wohn- und Arbeitsraum mit Bausätzen aus industriell vorgefertigten Teilen zu schaffen.

 

WAS HEUTE aktuell ist und unter so griffigen Formeln wie modulare Architektur, modulares Bauen, Baukasten- und Fertighaussystem - oder auch etwas despektierlich als „Wohnung von der Stange“ - für rege Nachfrage sorgt, ist als System nicht neu. Neu dagegen ist eine eigene Ausstellung zu dieser Thematik, die jetzt im Museum für Angewandte Kunst Köln (MAKK) zu sehen ist.

 

Plattenbau und Satellitenstadt

realities:united, C4, 2006, Córdoba, Spanien © Rendering: 2006-08 by realities:united, Berlin

 

Es waren wohl Urbanisierung, Wohnungsnot, explosionsartige Mobilität und neue Produktionsmethoden wie sie die Fahrzeugindustrie vormachte, die jene Impulse gaben, um auch Wohnungen und Häuser günstiger zu planen und zu bauen. Nicht das Konventionelle mit seinen zahlreichen Gewerken, sondern ein Bauen mit geringem Planungsaufwand, optimalem Materialeinsatz, effizienter Logistik und günstiger Massenfertigung war die Vision.

   Walter Gropius (1883-1969), der berühmte Bauhaus-Begründer, war einer der Visionäre und sah sich besonders dem sozialen Gedanken verpflichtet. Gropius propagierte schon um 1910 ein Bauen mit überall verwendbaren Bauteilen: möglichst schnell, möglichst viel und möglichst kostengünstig sollte neuer Wohnraum entstehen. Seine Typisierung von Bauelementen war sichtbarer Ausdruck dieser neuen Baukultur und Basis für den späteren Plattenbau in den Satellitenstädten der Metropolen. Mit einem der Pioniere der industriellen Architektur, Konrad Wachsmann (1901-1980), entwickelte Gropius in den 1940er Jahren ein wegweisendes, modules Bausystem für Holzhäuser mit hochmodernen Verbindungselementen sowie völlig neuartigen Wand-, Boden- und Deckenplatten. Dieses „Packaged House“ mit seiner eigenen Ästhetik, in einem Tag mit wenigen Leuten zu errichten, war ein früher Vorläufer des heutigen Einfamilienfertighauses. Allerdings kam die Innovation zu früh. In seiner Entstehungszeit war es wirtschaftlich ein Flop und ab den 1950er Jahren in Deutschland nicht mehr gefragt.

   Auch der schweizerisch-französische Stadtplaner, Architekt und Architekturtheoretiker Le Corbusier (1887-1965) sah in der Gleichartigkeit von Wohnungen und Häusern die Zukunft. Die Massenherstellung von Fertigelementen aus Eisenbeton und Stahl wurde zu einem seiner Markenzeichen. Das von ihm mitentwickelte Bausystem „Dom-ino“ war die Grundlage für die industrielle Serienfertigung von Hochhäusern in Stahlbetonbauweise. Dass allerdings anonymes Wohnen und soziale Probleme in den modularen „Wohnmaschinen“ oftmals zum Standard wurden, war die Kehrseite dieser völlig neuen revolutionären Architekturform.

 

Was sollen Module leisten?

Wolfgang Feierbach, Kunststoffhaus fg2000, 1968 © fg design

 

Die Ausstellung „Architekturteilchen – Modulares Bauen im digitalen Zeitalter“ greift in einer Gesamtschau die wesentlichen Aspekte des modularen Bauens auf und vermittelt sie anschaulich. Neben allerlei Historie zu Baustoffen wie Holz, Stein, Beton, Metall und Kunststoff können sich die Besucher konkrete Vorstellungen von den Methoden des modularen Bauens, den aktuellen technologischen Innovationen und den Zukunftsperspektiven machen. Dem Laien wird schnell klar: digitale Planungswerkzeuge und computergestützte Fertigungstechnologien bestimmen heute das Bild.

   Die Schau steht im Kontext einer Ausstellungsreihe, denn das MAKK veranstaltet derzeit ein Architektur-Themenjahr, nach eigenen Angaben eine bislang einzigartige Initiative in Deutschland. Ausstellungsschwerpunkte sind der Dialog zwischen zeitgenössischer und historischer Baukultur. Die aktuelle große Ausstellung „Architekturteilchen“ wird als ein für die Architekturlandschaft im Rheinland kreative Impulse gebendes und nachhaltiges Projekt angesehen.


Konventionelles wie modulares Bauen, jedoch mit sehr ungewöhnlichen Materialien, war 2010 Gegenstand der Ausstellung West Arch im Aachener Ludwig Forum (mehr). „Junge wilde Architekten“ präsentierten hier ihre auch modular-geprägten Denkansätze bei der Verwendung industrieller Massen- oder Restprodukte (wie etwa Abfällen) als zukunftsweisende Baumaterialien.

Vorgefertigte Bauteile im Sinne der Modul-Baukultur wurden in großem Umfang bei dem teilweise realisierten Bauprojekt der „Neuen Stadt Wulfen“, einem Stadtviertel von Dorsten am Nordrand des Ruhrgebiets, in den 1960er und 1970er Jahren eingesetzt. Ziel war ursprünglich ein moderner, modellhafter Wohnraumbau für tausende Beschäftigte des Steinkohlebergbaus. Dieses Ziel wurde nicht erreicht. Die Experimentalbauten „Metastadt“ und „Habiflex“ mussten rund zwölf Jahre nach Errichtung aufgrund von Baumängeln, unattraktivem Wohnbestand und Leerständen wieder abgerissen, rückgebaut oder modernisiert werden.

Klaus M. Martinetz

 

Die Sonderausstellung „Architekturteilchen – Modulares Bauen im digitalen Zeitalter“ ist bis zum 19. August 2012 zu sehen.

MAKK – Museum für Angewandte Kunst
An der Rechtschule
50667 Köln
Tel. 0221 / 221-23860

Öffnungszeiten
DI – SO 11 - 17 Uhr
1. DO im Monat 11 - 22 Uhr

 

 

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