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rheinische ART 08/2022

Archiv 2022

CAP MODERNE
Sommerfrische und Künstlerkolonie

 

Die geografische Lage ist so einzigartig wie das Gebäude-Ensemble selbst. Eine nationale französische Architekturikone mit Küstenvilla, Ferienreihenhäuschen und Holzhütte in der Gemeinde Roquebrune Cap Martin an der Côte d´Azur, in einer Bucht gegenüber der Glitzerstadt Monte Carlo.

 

Die weiße Villa E 1027 von Eileen Gray (1878-1976) und Jean Badovici ist charakteristisch für die modernistischen Architekturströmungen der 1930er Jahre. Es war das erste Bauprojekt der Designerin und Baumeisterin. Dahinter die fünf „Unités de Camping“, rechts teilweise verdeckt Le Cabanon von Le Corbusier und der Rebutato-Bau. Foto © Département des Alpes-Maritimes, Nice. Foto Tim Benton

 

Nach rund zehn Jahren Restauration und fünf Millionen Euro Kosten sind die modernistischen Architekturen der irischen Designerin Eileen Gray und des schweizerisch-französischen Weltarchitekten Le Corbusier nun komplett zu besichtigen.

 

Auf Stützen gebaut, mit der Anmutung einer Schiffsreling, mit Bandfenstern und Schiebe-Klappläden. Offener und umbauter Raum erscheinen fließend. E 1027 während der Renovierung. Foto © Département des Alpes-Maritimes, Nice. Foto Tim Benton

 

Es handelt sich um zwei denkmalgeschützte „Juwelen der Architektur“, die auch UNESCO-Weltkulturerbe sind: Um die schneeweiße Villa E 1027 von Eileen Gray aus dem Jahre 1929 (mehr) und um Le Corbusiers benachbartes Sommerdomizil Le Cabanon, das er sein „Schloss“ nannte.

     Diese überaus bescheidene Immobilie ist nichts anderes als eine 3,66 Meter im Quadrat messende Holzhütte, in der der große Baumeister des 20. Jahrhunderts die Sommermonate mit seiner Frau Yvonne verbrachte. Nach deren Tod bewohnte er den spartanischen Holzbau allein.

 

Ergänzt wird dieses Gebäudeenesemble um ein buntes, fünf Reihenherbergen umfassendes Ferienhäuschen auf Stelzen - ein Entwurf von Corbusier - und das ehemalige Restaurant "L´Étoile de mer" des Gastronomen und Grundbesitzers Thomas Rebutato. Der Gasthof an der Hangterrasse war praktischerweise Künstlertreff, Bar, Kommunikationsort und Versorgungsstation für Le Corbusier und seine Entourage sowie irgendwie auch Architekturbüro und Kunstatelier. Hier, so viel ist sicher, ließ es sich gut leben.

 

Hangar Cap Moderne am Bahnhof von Roquebrune Cap Martin. Kulturzentrum und Treffpunkt für die Architekturbesichtigungen. Foto © rheinische ART 2022

 

Aktuelles Ausstellungsplakat (Ausschnitt) Foto © rheinische ART 2022

 

Eine Ausstellung im neu errichteten Kulturzentrum Cap Moderne am Bahnhof Roquebrune Cap Martin – auch SNCF Hangar genannt – spiegelt derzeit sowohl die fast abenteuerliche Geschichte der Gebäudegruppe als auch deren schrittweise Instandsetzung.

     Gleichzeitig wird ein Blick auf „architektonische Möbel“ in Eileen Grays E 1027 aus den 1930er Jahren geboten.

     Auf dem 3000 Quadratmeter großen Gelände an der Küste sind die Restaurierungen nunmehr abgeschlossen und alle Gebäude können besichtigt werden.

     Verantwortlich zeichnet die Cap Moderne Association. Eine gemeinnützige Einrichtung, die 2014 gegründet wurde, um das Cap Moderne-Areal in Roquebrune Cap Martin zu restaurieren und für Besucher zu öffnen. Das Ganze gehört dem Conservatoire du Littoral, Frankreichs Küstenschutzbehörde.

 

Blick in die Ausstellung „E 1027 Un mobilier acteur d´architecture“. Foto © rheinische ART 2022

 

Star ist ohne Zweifel die Villa E 1027, die dem herkömmlichen Begriff Villa eigentlich nicht gerecht wird, sondern eher eine extravagante Strandresidenz darstellt. Das Grundstück, auf dem die Avandgardistin Eileen Gray mit ihrem Lebensgefährten Jean Badovici, einem Architekten und Architekturkritiker, 1926 mit dem Bau ihres modernistischen „Haustraums“ begann, war in jenen Jahren noch ein verwaistes Hanggelände nahe dem Ufer.

 

 

Buchcover Tim Benton Cap Moderne Eileen Gray and Le Corbusier Modernism by the Sea. Foto © Centre des Monuments Nationaux 2022

 

Im Cabanon von Le Corbusier. Spartanisch und klar: Ehefrau Yvonne schlief auf einer Holzliege (rechts), der Gatte auf einer Matratze auf dem Boden. Hinter dem roten Vorhang ein WC. Foto © Conservatoire du littoral, Tim Benton.

 

In dem Gebäude verkehrte ab Mitte der 1930er Jahre auch Le Corbusier, der das Mittelmeer sehr schätzte. Rebutatos Restaurant „L'Étoile de mer“, dass dieser ab 1949 betrieb, basierte auf einer einfachen Wochenendhütte, die er zwei Jahre zuvor neben die angrenzende Villa von Eileen Gray gesetzt hatte.

     Zwischen Rebutato, seinem Sohn Robert und Le Corbusier entstand eine Freundschaft. 1951 bat der schon namhafte Baumeister seinen Freund, ihm ein Stück seines Grundstücks zu überlassen, um dort ein Ferienhaus zu errichten. Den Baugrund bezahlte der Architekt mit Entwürfen, wie denen für die fünf Camping-Einheiten.

     Ein Jahr später stand der originelle, heute berühmte Cabanon, mit dem Le Corbusier seinen Überlegungen zu minimaler Behausung und standardisierter Produktion persönlich Ausdruck verlieh. Die Wohnstätte ist ein radikaler Gegenentwurf zur Gray-Villa: knapp 14 Quadratmeter klein und 2,26 Meter hoch, funktional und mit rustikalen Pinienholzbrettern bekleidet, ähnlich den Block- oder Trapperhütten des Wilden Westens.
     

Das Innere barg einen häuslichen Arbeits- und Ruhebereich, die Toilette, ein Waschbecken, ein Tisch, Sitzblöcke, Stauraum und Garderobe. Das meiste davon aus Holzelementen, die vorgefertigt von einem korsischen Handwerksbetrieb geliefert und vor Ort wie aus einem Spielzeug-Bausatz zusammengefügt wurden. Was es im Cabanon nicht gab, waren eine Küche und eine Dusche. Das Kulinarische lieferte praktischerweise das Restaurant, die „Nasszelle“ befand sich einschließlich „Natur-Solarium“ unweit im Garten. Seinen architektonischen Ideen ging der Architekt in einer zweiten, noch kleineren Hütte wenige Meter vom Cabanon entfernt, nach. 

     Le Corbusiers Cabanon steht heute für den Mythos der primitiven Hütte. Der Baumeister selbst sah es als eine „Lektion“, als ein Lehrstück über eine Raum-Erweiterung von innen nach außen. „Es ist die Wirtschaftlichkeit der Zelle und die Größe der Abstände. Es ist die Beteiligung der grundlegenden Elemente: Sonne, Raum und Grün.“
rART/cpw

 

Die Ausstellung „Un mobilier acteur d´architecture“ (Architektonische Möbel) kann bis zum 31. Oktober 2022 besucht werden.
Kulturzentrum am Bahnhof von Roquebrune Cap Martin
SNCF-Hangar Cap Moderne
Avenue Le Corbusier
06190 Roquebrune Cap Martin
Tel 04 89 97 89 52
Öffnungszeiten täglich
9.30 – 17.00 Uhr

 

Besuch der Architekturen

Villa E 1027, Le Cabanon, L´Étoile de mer und Unités de camping ist nur mit Führung möglich.
Informationen, Buchung, Reservierung
SNCF-Hangar Cap Moderne
Roquebrune Cap Martin
Reservierung per
E-Mail: contac(at)capmoderne(punkt)com
telefonisch: 04 92 15 01 41 00


Literaturhinweise

 Tim Benton Cap Moderne. Eileen Gray and Le Corbusier, Moderism by the Sea. Édition du Patrimoine. Centre des Monuments Nationaux Paris 2020, New Edition May 2022. 64 Seiten. ISBN 978-2-7577-0832-3. Preis 12 Euro

 Peter Adam Eileen Gray, Leben und Werk der Designerin. Taschenbuch, 360 Seiten. Schirmer Mosel Verlag, 2014. ISBN 978-3-8296-0691-2.

 

 

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