rheinische ART
Start | | Über uns | Anzeigen | Impressum | Kontakt | Datenschutz

rheinische ART 12/2022

Archiv 2022

GESCHICHTE

Von Agrippina zu Colonia


Wie aus einer ziemlich heidnischen eine heilige Stadt wurde, zeigt ein neues Buch zur Geschichte Kölns nach dem Ende der römischen Herrschaft.

 

Rekonstruktion des Palasts des Provinzstatthalters (Praetorium); aus: K. Ubl, Köln im Frühmittelalter, S. 2. Bildquelle © Greven Verlag Köln

 

Köln hatte Glück. Während andere römische Städte entlang des Rheins und weit im Hinterland geplündert, gebrandschatzt und weitgehend zerstört wurden, blieb dem damaligen Agrippina dieses Schicksal erspart. Und doch änderte die Invasion barbarischer Völker um das Jahr 406/407 auch dort den Verlauf der Geschichte grundstürzend.

 

Goldener Drittelsolidus des Münzmeisters Rauchomaros aus dem frühen 7. Jahrhundert, der Köln als Herstellungsort nennt: Colonia fit (1,36 Gramm, 13 Millimeter). Foto © Römisch-Germanisches Museum Köln; Bildquelle: aus K. Ubl, Köln im Frühmittelalter © Greven Verlag Köln S. 136

 

Buchcover K. Ubl, Köln im Frühmittelalter. Foto © Greven Verlag Köln

 

Nachfolgend festigten die Franken mehr und mehr ihre Macht über die einstige Provinzhauptstadt der Germania secunda, was sich auch am Wandel des Stadtnamens von Agrippina zu Colonia ablesen lässt.

     Eine romanisch-christliche Restbevölkerung harrte aus; doch das, was Köln später zur „heiligen Stadt“ werden ließ, war in dieser Phase des Umbruchs noch völlig undenkbar.

     Köln, eine heidnische Stadt? In vieler Hinsicht. Aber eben nicht ganz. Für rund 150 Jahre schweigen zwar die Bischofslisten, doch Grabinschriften dokumentieren die Fortexistenz christlichen Lebens innerhalb der Stadtmauern, die ein Siedlungsgebiet umschlossen, dessen einstige Urbanität sich noch an den im Verfall begriffenen Gebäuden aus römischer Zeit erahnen ließ.

 

Und schließlich begann, was der Autor Karl Ubl in seinem hier zu besprechenden Buch unter der Kapitelüberschrift „Die Formierung der sakralen Topographie“ beschreibt.

     Im sechsten Jahrhundert blüht in Colonia das Christentum langsam wieder auf, um 550 bilden Bischofskirche (Dom) und Baptisterium im Nordosten der Stadt ein weithin sichtbares Ensemble.

     Vor der Stadt erfährt ein spätantikes Mausoleum eine Transformation zum Gotteshaus, das in seiner Bedeutung alle anderen Kirchen in den Schatten stellt: St. Gereon. Auch jene Orte, an denen sich die Kirchen St. Ursula und St. Severin erheben werden, bilden Fixpunkte des wieder erstarkenden Christentums.

     Damit einher geht eine mit Inbrunst betriebene Heiligenverehrung – allen voran der Kult um die Märtyrer der Thebäischen Legion.

 

Überreste des Kreuzgangs von St. Pantaleon aus dem 10. Jahrhundert. Foto © Nina Gschlößl. Bildquelle: aus K. Ubl, Köln im Frühmittelalter © Greven Verlag Köln S. 344

 

Jene Tradition, auf die sich die Wortführer des „hillije Kölle“ bis heute berufen können, belegt ein „unscheinbares Dokument von unschätzbarem Wert“, so Ubl. Eine Bonner Urkunde von 804 erwähnt „Hildebald, Bischof der heiligen Stadt Köln“. Die Prägung des Begriffes der Kölner Heiligkeit wurde letztlich zu einer „beispiellosen Erfolgsgeschichte“. Wenn Köln als „erlesenste Stadt der Christenheit“ gleich hinter Rom, als die sie 870 beschrieben wurde, galt, wie sollte dies nicht auf das Selbstverständnis der Menschen dort einwirken?

 

Widmungsseite aus dem Hillinus-Evangeliar mit Abbildung des Alten Doms (oben), um 1020. Foto © Dombauarchiv Matz und Schenk. Bildquelle: aus K. Ubl, Köln im Frühmittelalter © Greven Verlag Köln S. 182

 

Auf rund 450 Seiten, denen ein rund 60-seitiger Anhang folgt, widmet sich Karl Ubl, seit 2011 Professor an der Universität zu Köln, der Entwicklung Kölns im Frühmittelalter und damit der Zeit nach der Herrschaft der Römer.

     In seinen auch für interessierte Laien gut verständlichen Ausführungen beschreibt er die Jahre 400 bis 1100, als sich eben jenes Phänomen herauskristallisierte, das Köln zu einer in vieler Hinsicht einzigartigen Stadt werden ließ.

     Die bis heute so überaus faszinierende kulturhistorische Prägung Kölns ist einem „Trotzdem“ zu verdanken, denn der Epochenbruch zu Beginn des 5. Jahrhunderts war in Köln im Vergleich zu Trier, wo kirchliche Institutionen „deutlich größere Beharrungskräfte“ (Ubl) besaßen, ungleich heftiger.

 

Ubls Werk ist im Herbst 2022 als Band 2 in der Reihe „Geschichte der Stadt Köln“ im Greven Verlag erschienen und eignet sich zur Lektüre an langen Winterabenden, idealerweise an den ruhigen Tagen zwischen den Jahren.

     Das im Wortsinne recht schwergewichtige Buch verlangt nach einem Lesesessel und konzentrierter Muße. Zugleich regt es dazu an, sich wieder einmal auf den Weg nach Köln zu machen (so man dort nicht ohnehin beheimatet ist), um mit verständigerem Blick als bisher die Spuren der christlichen Geschichte vor Ort auszudeuten.

Simon Hopf

 

Literaturhinweis:

Karl Ubl Geschichte der Stadt Köln Band 2 – Köln im Frühmittelalter (400–1100). Die Entstehung einer heiligen Stadt, 528 Seiten, Format 17,5 x 26 cm, über 200 Abbildungen mit zwei Rekonstruktionen der Stadt als Kartenbeilage. Leinen mit Schutzumschlag. Historische Gesellschaft Köln ISBN 978-3-7743-0440-6. Preis 60,- Euro

 

 

 

 

 

Die 
rheinische ART.
empfiehlt:

Mit GOOGLE ins Museum.


Das Google Arts & Culture Projekt zeigt Meisterwerke aus den Museen und Sammlungen dieser Welt.

► 
mehr

Und geht der Frage nach: Was ist Contemporary Art?

mehr