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rheinische ART 05/2021

Archiv 2021

BIEDERMEIER
Bessere Zeiten?


Beschauliche Heimelig- und Häuslichkeit, familiäres Glück, bürgerliche Idylle und Stillleben! Diese Motive häuften sich in der Biedermeierzeit. Waren das bessere Zeiten, damals im Wien der Habsburgermonarchie?

 

Ferdinand Georg Waldmüller Am Fronleichnamsmorgen, 1857. Bildquelle © Belvedere, Wien 2021 / Leihgabe des Vereins der Freunde der Österreichischen Galerie Belvedere

 

Das fragt eine Ausstellung im Wiener Oberen Belvedere. Eine interessante Frage, gleichwohl ist eine zweite noch interessanter: Kommt das etwa alles wieder – Heim und Herd, Spießbürgertum, Kleingeistigkeit und unpolitische Haltung?

 

Georg Ferdinand Waldmüller Selbstporträt in jungen Jahren, 1828. Foto: Johannes Stoll / Bildquelle © Belvedere, Wien 2021

 

Denn Biedermeier sei ein viel zitiertes und oft diskutiertes Wort unserer Tage, vermerken die Kuratoren. Politikverdrossenheit, Rückzug aus politischer Verantwortung, das Heim als Burg, damals wie heute?

     Die grassierenden Corona-Wellen und ein Zwang zum häuslichen Ausharren, tags wie nachts, haben das Potential, das Private wieder zum beherrschenden Ideal werden zu lassen. Oder anders ausgedrückt: Mein Haus – meine Welt!

     Was war da los in den rund dreieinhalb Jahrzehnten der Biedermeier-Epoche in Wien? Und überhaupt: Warum hieß das so? Diesen Fragen geht die Schau „Bessere Zeiten. Waldmüller und das Wiener Biedermeier“ nach.

 

Rudolf von Alt Der Stephansdom in Wien, 1832. Foto: Johannes Stoll / Bildquelle © Belvedere, Wien 2021

 

Der gesellschaftliche Hintergrund jener Zeit ist ein Schlüssel zur Erklärung. Die Französische Revolution und Napoleon hatten in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Habsburgermonarchie in ihren Grundfesten erschüttert – durch Repression versuchte sie, die alte Stärke wiederzuerlangen.

     Unter Klemens Wenzel Lothar von Metternich, dem leitenden Minister im Kaisertum Österreich, waren ab 1815 Verfolgung und Unterdrückung von Demokratie, Presse-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit an der Tagesordnung.

 

Pauline Koudelka-Schmerling Blumenkranz mit Madonnenrelief, 1834. Foto: Johannes Stoll / Bildquelle © Belvedere, Wien 2021

 

Ferdinand Georg Waldmüller Der Dachstein vom Sophien-Doppelblick bei Ischl, 1835. Foto: Johannes Stoll / Bildquelle © Belvedere, Wien 2021

 

Biedermeier, zunächst ein Begriff für einen Möbelstil, dann auf Genremalerei und letztlich auf die bürgerliche Lebens- und Geisteshaltung bezogen, war eine Reaktion auf den Metternichschen Polizeistaat – auch Restauration genannt – und fand eine besondere Ausprägung in der Donaumetropole.

     Die staatliche Zensur, Drangsalierung und Verfolgung forcierte vor allem beim vermögenden und liberalen Bürgertum eine Flucht ins Idyll und ins Privatleben, in dem nun die persönlichen Interessen, die Familie und das sprichwörtliche häusliche Glück im Mittelpunkt standen. Das Bürgertum gewann ein neues, bis dahin ungekanntes Selbstbewusstsein.


Dies war das Basisszenario für eine neue Stilrichtung: das Wiener Biedermeier. Denn die bildende Kunst griff die Tendenzen auf. Darstellungen des Lebensalltags zu Hause, Familienportraits, Blumenbilder und Gemälde mit beschaulicher Heimeligkeit am Herd waren zunehmend à Jour, die Salonkultur hatte Hochkonjunktur.

     Die heimatlichen Landschaften als Orte der Identifikation waren weitere gefragte Motive, ebenso Veduten, Sitten- und Genrebilder. Die Künstler bedienten die Nachfrage.

     Dennoch blieb die Kunst nicht gänzlich unkritisch: Darstellungen von vermeintlich beschaulichen oder anrührenden Szenen kippten bei genauerer Betrachtung in ihr Gegenteil. Armut und gesellschaftliche Ausgrenzung sind die „versteckten“ Themen der Biedermeiermalerei.

     Das Obere Belvedere widmet sich in dieser Ausstellung dem „Sein und Schein einer für Wien und seine Kunstgeschichte prägenden Epoche“, wie das Haus betont.
rART/ K2M


Der Begriff Biedermeier stammt unter anderem aus dem Gedicht Biedermanns Abendgemütlichkeit des Karlsruher Schriftstellers Joseph Victor von Scheffel. Dessen fiktiver Herr Biedermeier ist ein verachteter, dichtender Dorflehrer in Schwaben, mit einfachem Gemüt und dürftigem Lebenslos. Von Scheffel karikierte und verspottete in seinen Werken Biederkeit, Kleingeist, das Hausbackene und die unpolitische Haltung großer Teile des Bürgertums.

 Gezeigt werden Werke von Ferdinand Georg Waldmüller, Friedrich von Amerling, Rosalia Amon, Josef Danhauser, Thomas Ender, Peter Fendi, Pauline Koudelka-Schmerling, Carl Schindler, Franz Steinfeld, Adalbert Stifter u. a.

 

Die Ausstellung „Bessere Zeiten? Waldmüller und das Wiener Biedermeier“ wird bis zum 27. Februar 2022 präsentiert.
Oberes Belvedere | OB
Prinz Eugen-Straße 27
1030 Wien / Österreich

Tel +43 1 79557-0
Öffnungszeiten
DI – SO 10 – 18 Uhr

Pandemiebedingte Regelungen sind zu erfragen

 

 

 

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