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rheinische ART 09/2021

Archiv 2021

CHRISTO & JEANNE-CLAUDE
Großer Abschied

 

Die posthum realisierte Verhüllung des geschichtsmächtigen Pariser Monuments L´Arc de Triomphe und was ein Unternehmen vom Niederrhein dabei für eine Rolle spielt.

 

Anfang der Sechziger geplant, jetzt realisiert: Christo & Jeanne-Claude, L'Arc de Triomphe, Wrapped, Paris, 1961–2021. © 2021 Christo and Jeanne-Claude Foundation, Foto: Benjamin Loyseau

 

Sichtbarmachung durch Verhüllung. Das war ein Prinzip, mit dem das Künstlerpaar Christo (1935–2020) und Jeanne-Claude (1935–2009) rund sechs Jahrzehnte die Welt überraschte, faszinierte und auch irgendwie betörte. Das Schaffen des vor 15 Monaten verstorbenen „Verpackungskünstlers“ fand nun mit seinem letzten Werk, dessen Details er noch selbst genaustens bestimmt hatte, ein Ende.

     Es gab gleichwohl noch ein zweites Motto: Totally useless sollte ihre Kunst sein, beschied das kreative Duo. Die Aktionen sollten keinen Zweck erfüllen, einzig und allein spektakulär sollten sie sein und allen optisch dienen. Heraus kamen grandiose Werke in analoger Schlichtheit.

 

Christo and Jeanne-Claude, The Pont Neuf Wrapped, Paris, 1975-85. © Christo and Jeanne-Claude Foundation, Foto: Wolfgang Volz

 

Darunter die „verpackte“ Pariser Pont Neuf (1985), eine der ältesten Seine-Querungen der Stadt und Christos großmaßstäbige Verhüllungspremiere. Oder der „bekleidete“ Berliner Reichstag (1995) und die Installation der schwimmenden Piers auf dem italienischen Iseo-See (2016 mehr).

     Alle wirkten unwiderstehlich einladend, man konnte sie betrachten, berühren, bestaunen, begehen, zwar nur temporär aber stets gratis – Kunst fürs Volk! Vor allem die Stoff-Projekte wurden bis heute, wie Paris zeigt, nie allein als Kunstwerk, sondern auch als wunderbare Geschenke an die Gesellschaft verstanden.

 

Christo mit Entwurf der Verhüllung. © 2021 Christo and Jeanne-Claude Foundation. Foto: Wolfgang Volz

 

Da ist ein Blick hinter die Kulissen, oder besser hinter die Webwaren, einmal von Interesse. Wer wirkte mit, um ein derartig überwältigendes Ereignis wie die Pariser Triumphbogen-Verhüllung zu gestalten? 1200 Menschen in vier deutschen Unternehmen, so heißt es, waren mehr oder wenig stark involviert.

      Allen voran: Der Stoffproduzent, der das belastbare und nicht entflammbare, innen blau und außen grau-silbern glänzende Polypropylen-Gewebe fertigte, rund 25.000 Quadratmeter. Das Spezialunternehmen für sogenannte „Technische Textilien“ heißt Setex und hat seinen Hauptsitz am Niederrhein, in der Gemeinde Hamminkeln-Dingden im Kreis Wesel. Gewebt wurden Christos feuerfeste Hängebahnen von Setex im münsterländischen Greven, auf einer eigens für das Pariser Projekt angeschafften Webmaschine.

 

Anbringen von Stoffbahnen unter dem großen Gewölbe für „L'Arc de Triomphe, Wrapped“, Paris, 26.8.2021, © 2021 Christo and Jeanne-Claude Foundation, Foto: Wolfgang Volz

 

Stahlstruktur zum Schutz der Skulpturen am Triumphbogen, 20.7.2021, © 2021 Christo and Jeanne-Claude Foundation, Foto Wolfgang Volz

 

Schon seit 1994 lieferte der Textilproduzent aus Dingden speziell gewebte Stoffbahnen an den Künstler. „Die Beziehung zu Christo ist über lange Zeit gewachsen – eine sehr freundschaftliche Kooperation im Übrigen“, lässt der Hersteller verlautbaren.   

     Das Gewebe für den Triumphbogen war der fünfte Auftrag. Das für das Kunstwerk genutzte Material, so betont das Industrieunternehmen, werde normalerweise „für die Filtration von Lebensmitteln benutzt“, es sei „eine Zweckentfremdung vorgenommen“ worden, insbesondere was die Gewebestruktur und die Farben anbelangte.

     Bis das finale Produkt stand und bis die richtige Haptik erreicht war, habe es lange gedauert. „Denn Christo waren Optik und Haptik natürlich wichtiger als technische Eigenschaften“, erklärt die Geschäftsleitung.

 

Nun sind die Gewebebahnen mit 3000 Metern roten Schnüren von Dutzenden Fassadenkletterern fachgerecht an dem Denkmal an den Champs-Élysées umspannt worden. 16 Tage lang ist dieses Kunstwerk mit seinem reflektierenden, silbern changierenden Material wie ein gleißender Eisblock zu bewundern.

     Ein zweites Mal, da sind sich Kunstkenner weitgehend einig, werde es so etwas nicht wieder geben. Frankreichs Kulturministerin Roselyne Bachelot (*1946), seit letztem Jahr im Amt, wandte sich auf der Pressekonferenz an den verstorbenen Christo, der einst als mittelloser Flüchtling namens Christo Wladimirow Jawaschew aus Bulgarien nach Paris kam: „Danke für dein Genie. Danke für den Wahnsinn. Danke für die Posie.“
cpw


Im Jahr 1961 kam Christo nach Köln, um dort seine erste Einzelausstellung zu begleiten, in der bereits erste Verhüllungsobjekte, im Wesentlichen Alltagsgegenstände wie Flaschen, Dosen, Stühle, präsentiert wurden. Dabei kam er mit John Cage, Nam June Paik (mehr) und Mary Bauermeister (mehr) in Kontakt. Doch seine Verhüllungen stießen damals auf wenig Interesse.

 

Das Monument bleibt während der Installation zugänglich! Rund um den Triumphbogen sind Ansprechpartner anwesend, die Fragen beantworten und Besuchern, die dies wünschen, ein Stück Stoff schenken! Der Zugang zum Triumphbogen ist auch zu Zeiten des Abbaus (vom 4. Oktober bis 10. November 2021) möglich. Die Flamme der Nation vor dem Grabmal des Unbekannten Soldaten unter dem Triumphbogen brennt weiterhin.

 

Die Gratis-Schaustellung der Skulptur „L´Arc de Triomphe, Wrapped“ von Christo und Jeanne-Claude dauert bis zum 3. Oktober 2021, der sogenannten „Schlaflosen Nacht“ (Nuit blanche), in die diverse Kulturereignisse über die ganze Stadt Paris verteilt organisiert werden.

 

 


 

 

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