rheinische ART
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rheinische ART 12/2021

Archiv 2021

DANIEL SPOERRI
Der Wunderkammermacher

 

Die eigene Vorstellungskraft steht ihm nicht im Wege, um unglaubliche Werke zu schaffen. Der Auftritt des jetzt 90-jährigen Daniel Spoerri in der Langen Foundation auf der Raketenstation in Neuss ist ein besonderer.

 

Installationansicht Foto: Kai Werner Schmidt ©Daniel Spoerri

 

Die Schau titelt „Ein Museum der Unordnung“. Der Titel entspringt dem – in einem Interview geäußerten – Wunsch des Künstlers, einmal ein Museum der Unordnung machen zu wollen, klärt das ausstellende Haus dazu auf.


Doch unordentlich ist erst einmal gar nichts. Vielleicht zeigt sich auf dem ersten Blick ein Durcheinander, und der zweite provoziert ein Wirrwarr, aber der dritte Blick offenbart eine überraschende Ordnung, die einfach einer eigenen Machart entspringt. Die Unordnung findet wohl mehr im Kopf statt. Und ob Daniel Spoerri, der 1930 in Rumänien geboren wurde und als Daniel Feinstein dort aufwuchs, seinem „kulturellen Sammelsurium“ aus Altem, Gebrauchtem und Mystischem für diese Ausstellung eine eigene Form gab, mag zumindest zum Teil stimmen.

 

Daniel Spoerri Installationsansicht Fallenbild Foto © rheinische ART 2021

 

Zu seinen Assemblagen, die einen Großteil seiner Objektkunst ausmachen, formuliert die Foundation: „Sie entstehen aus dem leidenschaftlichen Sammeln von Alltagsgegenständen, kuriosen Zufallsfunden und Reliquien, die er auf Flohmärkten und in Antiquitätenläden findet.“
     Sein Anspruch ist ein besonderer: Alles, was er verwendet, soll vielleicht noch ein Leben haben aber zumindest eines gehabt haben. Nicht Ramsch ist sein Ziel. Vielmehr geht es ihm um besondere Merkmale wie Kuriosität und Seltenheit oder auch die Energie, die einmal in die Herstellung dieser Dinge eingeflossen und heute noch spürbar ist.


In der Summe ist all dieses objektiv schwer zu erfassen und deshalb verwundert die Aussage Spoerris nicht, dass es von ihm nicht planbar sei, ob überhaupt und wann seine Arbeiten zu Kunstwerken werden! Dies wird deutlich, wenn man den Japanraum, Herzstück der Langen Foundation, betritt. In diesem minimalistischen Raum drängt sich der Eindruck von „Spoerris Kuriositätenkabinett“ auf. Ein heimlicher Grusel kann den Betrachter durchaus beim Anblick all der kulturellen Mythen und Magien rund um Leben und Tod und den Machtinsignien von - Zauberern? überkommen.

 

Installationansicht (Ausschnitt) Foto: Kai Werner Schmidt ©Daniel Spoerri


Bemerkenswert sind seine Arbeiten über den Vergleich der Physiognomie von Mensch und Tier. Hier nutzte Spoerri historische bildliche Vorgaben, die vermutlich naturwissenschaftlichen Studien entsprangen. Sind sie ein Fauxpas in unserer heutigen um Gendergerechtigkeit bemühten Welt? Man darf sie auch als Demut vor dem Leben lesen. Ihre Deutung mag also ganz im Auge des Betrachters liegen. Einer anderen, früheren Zeit entstammen auch die hölzernen Hutformen. Ausgemustert im vorherigen Leben bewehrte Spoerri sie mit Säbeln, Sicheln oder Messern und platzierte sie auf Ständern. In Reih und Glied stehend dokumentieren sie ihr Dasein äußerst selbstbewusst.

 

Installationansicht Foto: Kai Werner Schmidt ©Daniel Spoerri


Die EAT ART (mehr) mit Spoerris Fallenbildern macht einen prominenten Teil der Ausstellung aus. Mit diesen Arbeiten hat der Künstler fast schon jüngere Kunstgeschichte geschrieben. Die Bezeichnung „Fallen“ kommt übrigens nicht vom „fallen“ als Verb, sondern von der „Falle“ als Substantiv. Diese großformatigen Objekte, an den Wänden hängend und offensichtlich der Schwerkraft trotzend, sind die Zeugnisse von Tischgelagen. Zu einem Zeitpunkt, in welchem der Künstler meinte, es sei der richtige, beendete er augenblicklich die Tischgesellschaft und ließ die „Falle“, wie er es nannte, zuschnappen.
     Spoerri bewahrte diesen Moment, indem er die Reste der Mahlzeiten samt Tischwäsche, Dekoration und dem Essgeschirr mit Leim und Konservierungsstoffen zu einem Objektbild fixierte. Diese EAT ART-Assemblagen zeigen somit ein Stück Alltagswirklichkeit, einen Zeitpunkt, eingefangen und wie in einer „Falle“ von Spoerri festgehalten.


Spoerri, so teilt das ausstellende Haus weiter mit, gehört zu den Künstlern, die die rheinländische Kunstszene maßgeblich geprägt und bereichert haben. Er gründete 1968 das legendäre „Restaurant Spoerri“ und die „Eat Art Gallery“ in der Düsseldorfer Altstadt und war ein enger Weggefährte von Joseph Beuys. Die auf eine Wand aufgebrachten Plakate aus dieser Zeit legen Zeugnis ab von Aktionen, die auch in einem an künstlerischen Revolutionen nicht gerade armen Düsseldorf für nachhaltige Aufmerksamkeit sorgten.

 

Ausschnitt Installation Eat Art Gallery Foto © rheinische ART 2021


Auf die Düsseldorfer Jahre folgten für den Künstler eine Professur und die Initiative eines „Musée Sentimental“ in Köln. Daniel Spoerri, der zunächst als Balletttänzer, Regisseur und Poet in der Schweiz und Paris begann, wandte sich Ende der 50er Jahre mehr und mehr der Bildenden Kunst zu. 1960 gründete er mit seinen Künstlerkollegen, darunter Arman, Yves Klein, Niki de Saint Phalle und Jean Tinguely die Künstlergruppe der Nouveaux Réaliste. Ihnen ging es in ihrer Kunst nicht um eine realistische Abbildwirklichkeit, sondern sie erklärten die Dinge des Alltags zu ihrem Medium der Kunst.

 

Heiter, skurril und erkenntnisreich ist diese ungewöhnliche Schau. Diejenigen, die mehr über Daniel Spoerri erfahren wollen, ist die kostenlose, zweisprachige Zeitung zur Ausstellung zu empfehlen. Abgedruckt ist ein Gespräch von Heinz-Norbert Jocks mit Daniel Spoerri, in welchem der Künstler bereitwillig über sein Denken und Leben Auskunft gibt.
Irmgard Ruhs-Woitschützke

 

Die Ausstellung „Ein Museum der Unordnung von Daniel Spoerri“ ist bis zum 13. März 2022 zu sehen.
Langen Foundation
Raketenstation Hombroich 1
41472 Neuss
Tel. 02182 / 5701 - 15
Öffnungszeiten
DI – SO von 10 – 18 Uhr
Vom 20. Dezember 2021 bis 6. Januar 2022 bleibt das Museum für die Winterferien geschlossen.

 

 

 

 

 

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