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rheinische ART 09/2021

Archiv 2021

MAX STERN AUSSTELLUNG
Steiniger Weg zur Aufarbeitung


Es gibt Ausstellungen, die in der Öffentlichkeit ungeheuren Wirbel erzeugen. Manche schon, bevor ihre Tore geöffnet worden sind. Die Düsseldorfer Schau über den jüdischen Kunsthistoriker und Galeristen Max Stern ist ein solches Beispiel.

 

Max Stern um 1925: Eine Ausstellung über den Galeriebesitzer wird von offenen Fragen um Raubkunst überschattet / Foto © gemeinfrei / National Gallery of Canada/ Library an Archives Max Stern

 

Es geht in dieser Präsentation im Stadtmuseum nicht um irgendeinen Kunstsammler. Es geht um den gebürtigen Mönchengladbacher Unternehmersohn Max Stern (1904-1987), der 1934 die namhafte Kunstgalerie seines Vaters Julius in Düsseldorf übernommen hatte, ein Jahr, nachdem die Nationalsozialisten an die Macht gekommen waren (mehr).

 

Ausstellungsplakat im Stadtmuseum Düsseldorf. Foto © rheinische ART 2021

 

Die Schau lässt mit ihrem streng dokumentarischen Charakter keinen Raum für Spekulationen oder Mutmaßungen. Sie definiert Max Stern als Opfer des Nationalsozialismus und steht mit dem Titel „Entrechtet und beraubt: Der Kunsthändler Max Stern“ zu diesem dunklen Teil der Stadtgeschichte.

     Wegen seiner jüdischen Abstammung wurde Max Stern die Mitgliedschaft in der Reichskammer der bildenden Künste 1935 verwehrt. Dies kam einem Berufsverbot gleich und er wurde genötigt, seine Galerie zu liquidieren.

     Die Kunstwerke aus den Beständen der Düsseldorfer Galerie wurden durch das von ihm beauftragte Auktionshaus Lempertz in Köln 1937 verauktioniert. 1938 floh er über Paris nach London, wo seine Schwester Hedwig die West´s Galleries ein Jahr zuvor gegründet hatte. Um den Kunstmarkt in den USA und neue Kunden für die Londoner Galerie zu gewinnen, reiste Stern noch im April 1939 in die Vereinigten Staaten und kehrte im Sommer zurück.

 

Fluchtwege der Familien Stern und Thalheimer. Siegfried Thalheimer (1899–1981) war Stern´s Schwager. Der Journalist war bis 1933 Chefredakteur der Düsseldorfer Lokal-Zeitung. Der NS-Regimegegner gelangte 1941 in die USA und betätigte sich dort ebenfalls als Kunsthändler. Kartendarstellung in der Ausstellung. Foto © rheinische ART 2021

 

Der Kriegsbeginn im September des Jahres verschlechterte Sterns Lage. Besonders die Befürchtung einer deutschen Invasion in England veranlasste die britische Seite, fast 22.000 „feindliche Ausländer“, darunter auch Stern, zu internieren. Max Stern meldete sich 1940 für eine Verlegung nach Kanada, die noch im selben Jahr erfolgte und kam dort aber erst 1942 frei. Auch hier war der Kunsthandel seine Berufung und er wurde einer der angesehensten und bedeutendsten Kunsthändler Kanadas.

 

 

Reisepass von Dr. Max „Israel“ Stern mit dem Stempel „J“ für Jude, eingetragen vom Deutschen Generalkonsulat New York am 11. April 1939. Bildquelle © Stadtmuseum Düsseldorf. Düsseldorf Mahn- und Gedenkstätte, GED-3241-300.001 Foto © rheinische ART 2021

 

Max Stern auf der Kühlerhaube des Pkw der Galerie Julius Stern, um 1930/32. Foto © National Gallery of Canada/ Library and Archives Max Stern, Box 7_file 3 (Reproduktion)

 

Die Präsentation zeigt die Geschichte der Familie Stern und der Galerie, würdigt das Wirken von Max Stern und erinnert an das Unrecht, das ihm in der NS-Zeit widerfahren ist. Dass diese Schau politisch allerdings unter keinem „guten Stern steht“, ist kein Geheimnis. Unter diesem Aspekt ist diese umstrittene Ausstellung mit ihrer Fülle an Informationen eine besondere kuratorische Leistung des renommierten Berliner Kurators und Kunstwissenschaftlers Dieter Vorsteher und unbedingt sehenswert.

 

Die Ausstellung sollte ursprünglich 2018 eröffnet werden. Düsseldorfs damaliger Oberbürgermeister Thomas Geisel (SPD) hatte sie allerdings überraschend und ohne Absprachen mit den Kooperationspartnern in Kanada abgesagt und dies unter anderem mit Auskunfts- und Restitutionsgesuchen der Erben in deutschen Museen begründet.

     Der Alleingang verärgerte nicht nur Sponsoren und Partner, sie veranlasste auch die Nachlassverwalter - drei Universitäten in Kanada und Israel -, ihre Mitarbeit einzustellen. International gab es scharfe Kritiken an dem Vorgehen Düsseldorfs. Für den Jüdischen Weltkongress äußerte deren Präsident Ronald S. Lauder Unverständnis und sprach von mangelndem Respekt. Max Stern-Fachleute in Kanada, die sich jahrelang mit der Thematik befassten, fühlten sich persönlich gekränkt und fachlich brüskiert.

 

Friedrich Wilhelm von Schadow „Die Kinder des Künstlers" (1830). Düsseldorfer Malerschule. 110 x 138 cm. Öl auf Leinwand. Restitutionsersuchen durch die Erben nach Dr. Max und Iris Stern. Stiftung Kunstpalast, Inv.-Nr. M 1977-1. Foto © Stadt Düsseldorf

 

Der Streit ist längst nicht beigelegt. Eine Zusammenarbeit mit den kanadischen Experten und jüdischen Verbänden lehnten diese ab. Grund: Zwei Gemälde aus dem Besitz von Max Stern hängen, so der Vorwurf, zu Unrecht noch in Düsseldorfer Museen. 

     Eines davon, Wilhelm von Schadows „Die Kinder des Künstlers“ (1830), wird in der Schau präsentiert. 2013 hatte das Museum bereits das Schadow Selbstbildnis an die Stern-Erben restituiert (mehr).

     Auch die Problematik der Restitution wird in der Ausstellung thematisiert. Die Provenienzforschung zu Kunstwerken im Besitz der Stadt Düsseldorf, die in Zusammenhang mit der Galerie Stern stehen, wird ausführlich dargestellt. Zudem wird auf die kontroverse Diskussion der vergangenen Jahre um die Ausstellung Stern transparent verwiesen. Es werden die Absage des ursprünglichen Ausstellungsprojektes und die Reaktionen der nationalen und internationalen Presse darauf benannt.

 

Bürgermeister Stephan Kellers Eröffnungsrede war vor dem diffizilen Hintergrund nichts anderes als eine lang ausgestreckte Hand zur Versöhnung und zu erneuter Kooperation und Zusammenarbeit. Adressat: vor allem die in Kanada ansässigen Stiftung „Max Stern Art Restitution Project“.

     Keller entschuldigte sich für den ebenso unglücklichen wie unnötigen Konflikt, der bis dato schwelt. Er wiederholte, was bereits im Vorfeld mehrfach angeklungen war: „Die Geschichte von Max Stern und der Galerie Stern sind Teil der Düsseldorfer Stadtgeschichte." Stern sei als hoch angesehener Bürger und, neben Alfred Flechtheim (mehr), als wichtiger deutscher Kunsthändler ein Opfer des Nazi-Terrors geworden. „Ihm eine Ausstellung zu widmen und seine Geschichte in Düsseldorf zu erzählen, ist von großer Bedeutung."
cpw

 

Biographische Zeugnisse, Archivalien, private Fotografien und zeitgenössisches Filmmaterial, Kunstwerke aus der Galerie Stern sowie eine interaktive Medienstation sind Elemente in der Ausstellung. Auf Tonbandaufnahmen und Filmmaterial von Sterns Lebensabschnitten hatte Kurator Vorsteher zu gegebener Zeit keinen Zugriff. Max Stern verstarb 1987 kinderlos und hinterließ den Großteil seines Nachlasses drei Universitäten.

► Bürgermeister Keller kündigte an, dass im Frühjahr 2022 auf der Königsallee ein Mahnmal errichtet werden soll, das an jene Bewohner der Stadt erinnere, die dem Nazi-Terror zum Opfer fielen. „Max Stern war einer von ihnen", so Keller.


Die Ausstellung „Entrechtet und beraubt. Der Kunsthändler Max Stern“ ist bis zum 30. Januar 2022 geöffnet.
Stadtmuseum Düsseldorf
Berger Allee 2
40213 Düsseldorf
Tel. 0211 /8996170
Öffnungszeiten
DI - SO 11 - 18 Uhr

 

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