Archiv 2014
RESTITUTION
Provenienz? Max Stern!
Die höchst diffizile Restitution von NS-Raubkunst ist seit dem spektakulären Fall des Münchener Kunstsammlers Cornelius Gurlitt und dessen Tod am 6. Mai 2014 ein wenig aus den Schlagzeilen geraten. Gleichwohl bleibt sie hochaktuell.
Max Stern beim Betrachten eines Gemäldes der kanadischen Malerin Emily Carr (1871-1945) im Parliament Building, Victoria, British Columbia, 1951. Foto©National Gallery of Canada Library and Archives
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Philip Dombowsky, Archivar der National Gallery of Canada in Ottawa, referierte über den Fall des rheinischen Galeristen, Sammlers und promovierten Kunsthistorikers Max Stern (1904-1987) im Düsseldorfer Stadtmuseum. Konkret ging es um die Rückgabeansprüche seiner Erben. Max Stern war der ehemalige Betreiber der Galerie Stern auf der Düsseldorfer Königsallee, die 1937 aufgrund nationalsozialistischer Verfolgung geschlossen wurde.
Schadow-Rückgabe Der Ort für Dombowskys Vortrag „Max Stern - sein Leben, sein Archiv“ war sachgerecht gewählt. Denn das Stadtmuseum hatte erst im November 2013 nach mehrjährigem Restitutionsstreit das Selbstbildnis des Akademie-Direktors Wilhelm von Schadow an die Erben von Max Stern zurück gegeben (mehr). Das Ölgemälde, dessen Wert auf rund 50.000 Euro taxiert wurde, hatte dort über Jahre gehangen, obwohl es unter die Rubrik Raubkunst fiel, in der internationalen Datenbank Lost Art verzeichnet war und von Interpol gesucht wurde. Dombowsky ist mit der sensiblen Restitutionsthematik gut vertraut. Er war von 2004 bis 2012 beim „Max Stern Art Restitution Project“ in Montreal tätig.
Gebäude der Galerie Stern, Düsseldorfer, Königsallee 23-25, Aufnahme aus dem Jahre 1935. Foto©National Gallery of Canada Library and Archives |
Zum Hintergrund Die Galerie war von Max Sterns Vater Julius 1913 in Düsseldorf gegründet worden. Sie gehörte mit ihrer Spezialisierung auf die Arbeiten der Düsseldorfer Malerschule (mehr) und niederländischer sowie flämischer Künstler zu den wichtigen Kunstgalerien der Stadt. Stern vertrat jedoch nicht, wie etwa die zeitgleiche Düsseldorfer Galerie des legendären Alfred Flechtheim, (mehr) avantgardistische Künstler.
Am 29. August 1935 erhielt Max Stern als jüdischer Galerist die erste Aufforderung zur Liquidierung seines Hauses. Die Reichskammer der bildenden Künste in Berlin befand, Stern habe als Jude seine Zulassung als Kunsthändler verloren. Der gebürtige Mönchengladbacher erwirkte zwar vereinzelt Aufschübe. Doch setzte nunmehr ein Prozess ein, der im November 1937 mit der Beschlagnahme des Stern-Inventars durch die Gestapo, der Verauktionierung der Bestände über das Kölner Kunsthaus Lempertz und der Flucht von Max Stern aus Deutschland endete. Unter den in der Auktion Nr. 392 in Köln veräußerten Werken war auch das Schadow-Bildnis. Es befindet sich nach der Restitution als Leihgabe nach wie vor im Düsseldorfer Stadtmuseum.
Ob es sich um eine unter Verfolgungsdruck zustande gekommene Versteigerung handelte oder um einen geschäftlichen Freundschaftsdienst des dem Galeristen gut bekannten Auktionshauses zwecks Bargeldbeschaffung für die lebensrettende Flucht, wird bis heute von den Parteien unterschiedlich gesehen. Unzweifelhaft ist, dass die Erlöse für Stern aus damals allgemein bekannten Gründen entsprechend gering ausfielen. Einige Kunstwerke, die eine Kölner Spedition verwahrte, kamen später ebenfalls unter den Hammer; die Erlöse wurden von der Düsseldorfer Regierungshauptkasse vereinnahmt.
Die Erben Max Stern gelang 1943 die Emigration nach Kanada. Dort schaffte er eine zweite Karriere. Zunächst als Kompagnon und später als Eigentümer stieg er mit der „Dominion Gallery of Fine Arts“ in Montreal zu einem der erfolgreichsten Kunsthändler des Landes auf. Gleichzeitig war die Galerie eine wichtige Anlaufstelle für europäische Emigranten. Der Düsseldorfer Exilant gilt als erster Händler, der Werke von Wassily Kandinsky an das MoMA in New York verkaufte, daneben vertrat er unter anderem exklusiv den französischen Bildhauer und Zeichner Auguste Rodin in Kanada. In den Nachkriegsjahren erhielt Stern einige Werke aus seinen früheren Beständen zurück, für den „Verschleuderungsschaden seiner Galerie“ wurde er 1964 entschädigt, wie das Kunstmagazin ART im April 2014 schrieb. Per Anzeigen versuchte er den Verbleib verschollener Sammlungsteile zu klären.
Der kinderlose Kunsthändlers hinterließ ein Vermögen, das zum größten Teil an drei Hochschulen floss: die beiden Montrealer Universitäten McGill und Concordia sowie die Hebrew University in Jerusalem. Als diese drei Jahre nach Sterns Tod den Galeriebestand auflösten, kamen Hinweise auf die Vorgänge während der NS-Zeit in Düsseldorf zutage. Gemeinsam gründeten die drei Universitäten das "Max Stern Art Restitution Project" und versuchen seither im Namen des Stifters, die geraubte oder zwangsversteigerte Kunst aufzuspüren und zurückzufordern. Insgesamt geht es um rund 400 Arbeiten.
Anonymer Meister (ehemals dem Meister von Flémalle zugeschrieben), Maria mit Kind, Öl auf Eichenholz, 33 x 23,8 cm(© Staatsgalerie Stuttgart)
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► Die erste deutsche Kunst-Rückgabe aus dem ehemaligen Stern-Bestand vollzog aufgrund der Forderungen des „Max Stern Art Restitution Project“ im März 2013 die Staatsgalerie Stuttgart. Sie restituierte das Gemälde „Maria mit Kind“. Es wird einem unbekannten flämischen Meister aus dem Beginn des 15. Jahrhunderts zugeschrieben.
K2M