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rheinische ART 05/2014

Archiv 2014

ORIENT-EXPRESS
Geschichte

zwischen Luxus und Macht

 

Es gibt Eisenbahnzüge, die sind zur Legende geworden. In Europa ist der ehemalige Orient-Express, der Paris direkt mit Konstantinopel - dem heutigen Istanbul - verband, ohne Zweifel einer davon. In Paris bildet derzeit die Ausstellung "Es war einmal der Orient-Express" im Institut du Monde Arabe den Auftakt zu Plänen, die luxuriösen Waggons wieder zu reaktivieren – nobles Reisen auf technisch neuestem Stand, versteht sich.

 

Am 5. Juni 1883 begann die "Compagnie Internationale des Wagons-Lit" (CIWL) mit dem fahrplanmäßigen Bahnverkehr zwischen Paris und Konstantinopel sowie anderen Zielen auf dem Balkan. Ab 2019 soll die Linie wieder regelmäßig bedient werden. Bild Société nationale de chemins de fer français / SNCF Paris

 

Rund 94 Jahre lang, nämlich zwischen 1883 und 1977, konnten Reisende in diesem einzigartigen fahrplanmäßigen Schienenzug die „Hohe Kunst des Reisens“ zelebrieren. Denn der Orient-Express war stets ein Symbol für Luxus pur, aber auch für Macht.

 

Art-Déco-Ausstattung in Salon- und Schlafwagen. Foto SNCF

 

Sonderzüge wie der Venedig-Simplon-Orient-Express werden künftig durch Linienverkehre nach Istanbul ergänzt. Werbeplakat der Bahnlinie London-Paris-Venedig. Foto SNCF

 

Ein Restaurantwagen des geplanten Orient-Express auf dem Vorplatz der Ausstellung. Foto Institut du Monde Arabe, Paris

 

Prominenz Die Liste der Passagiere war entsprechend. Schauspieler, Politiker und Diven wie Marlene Dietrich, der Abenteurer Lawrence von Arabien (mehr), Könige wie Ferdinand von Bulgarien, Päpste oder Finanzmogule wussten elegantes Ambiente im Art-Déco-Stil, Sicherheit und Schnelligkeit zu schätzen. Der Zug brauchte für die 3074 Kilometer einer Strecke nur etwa 3 Tage und 10 Stunden. Mehrere Literaten wie etwa Ernest Hemingway (mehr) und der französische Romancier Joseph Kessel ließen sich vom exklusiven Zug inspirieren und festigten dessen Mythos. Letztlich sorgten abenteuerliche Filme wie James Bonds „Liebesgrüße aus Moskau“ (1963) und die Agatha Christies-Verfilmung „Mord im Orient-Express“ (1974) mit den Weltstars Ingrid Bergmann, Sean Connery und Anthony Perkins für die Unsterblichkeit des Luxuszugs.

 

Reise-Ikone Die französische Staatsbahn SNCF (Société nationale des chemins de fer français) beabsichtigt, eine modernisierte Version des legendären Orient-Express ab 2019 auf die Schienen zu stellen. Bis zu 60 Mio. Euro soll nach Presseberichten das Investment der SNCF, die die Markenrechte an dem Zug hält, betragen. Mit dem Orient-Express-Revival zielt das Staatsunternehmen auf das Marktsegment der Bahn-Nostalgiker, die Reisen in einem Glanzstück der Eisenbahngeschichte der klassischen Seekreuzfahrt vorziehen. Denn historische Strecken und Züge sind „in“. Interessierte können derzeit in Paris auf dem Vorplatz des „Institut du Monde Arabe“ eine Original-Lok, den Speisewagen und drei Reisewaggons bewundern. Im Institut selbst werden ergänzend auf zwei Etagen Dokumente und Exponate aus der großen Zeit dieser Ikone des Reisewesens präsentiert.

 

Luxuriöses Speisezimmer in einem Restaurantwagen des historischen Orient-Express um 1900. Foto Wikipedia

 

Luxus Der Orient-Express war von Anfang an ein Meisterwerk, bestechend in Technik und Raffinement. Bis 1920 ließ die Compagnie internationale des wagons-lits ihre Reise-Schlafwagen aus Teakholz fertigen, danach wegen besserer Lärmdämmung aus Metall. Der Orient-Express galt als „König der Züge“ oder „Zug der Könige“ (SNCF), ausgestattet mit dem Modernsten und Komfortabelsten seiner Zeit. Zentralheizung, fließendes Warmwasser, Gasbeleuchtung, Sanitäres aus Marmor, Mahagoni-Täfelung, Art-Déco-Intarsien, seidene Bettwäsche, Silberbesteck und anderes Edles waren Standard; das gastronomische Niveau hoch.

 

Erster Weltkrieg: Waffenstillstandsverhandlungen am 11. November 1918 im Salonwagen 2419 D im Wald bei Compiègne. Hinter dem Tisch: stehend Frankreichs Marschall Ferdinand Foch, rechts General Weygand, links der britische Marineoffizier Wemyss. Vor dem Tisch stehend: rechts der deutsche Delegationsleiter Staatssekretär Matthias Erzberger, neben ihm Außenamtsvertreter von Oberndorff, Generalmajor von Winterfeldt, Kapitän Vanselow. Nachkolorierte Fotografie von 1918. Foto Wikipedia

 

Macht Die Waggon-Schau in Paris fordert gleichzeitig, von den Kuratoren wohl nicht beabsichtigt, einen anderen historischen Blick heraus: den auf das Jahr 1914, in dem vor 100 Jahren der Erste Weltkrieg begann. Mit Kriegsbeginn wurde der luxuriöse Waggonpark des Orient-Express beschlagnahmt und später teils zerstört. Ein Bahnwagen jedoch machte Geschichte.

 

Zweiter Weltkrieg: Der historische CIWL-Wagen von Compiègne wird als Trophäe durch Berlin gefahren und ab Juli 1940 im Lustgarten präsentiert. Foto Kunstgeografie

     Der hölzerne Salonwagen Nummer 2419 D wurde bei Kriegsende büromäßig umgebaut und auf einer Waldlichtung bei Rethondes nahe Compiègne zum Abschluss des Waffenstillstands mit dem Deutschen Reich bereit gestellt. Am 11. November 1918 unterzeichneten die Westmächte Frankreich und Großbritannien sowie Vertreter des unterlegenen Deutschland den Waffenstillstand im Waggon, womit der Erste Weltkrieg an der Westfront besiegelt war. Knapp 22 Jahre später nutzte die deutsche Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg denselben Waggon und zwang Frankreich, darin die Unterzeichnung seiner Kapitulation zu leisten. Als Kriegsbeute gelangte Waggon Nummer 2419 D des alten Orient-Express schließlich nach Berlin und wurde dort ausgestellt. Der so symbol- wie geschichtsträchtige Bahnwagen überstand das Kriegsende allerdings nicht. SS-Einheiten sprengten das Fahrzeug 1944, bevor es alliierte Militärs sicherstellen konnten.
cpw

 

Die Ausstellung „Il était une fois l´Orient Express“ (Es war einmal der Orient-Express) wird bis zum 31. August 2014 gezeigt.
Institut du Monde Arabe
Vorplatz und Institutsgebäude
1, Rue des Fossés-Saint-Bernard
75005 Paris
Tel. 0033 1 40 51 38 38
Öffnungszeiten:
DI - SO 10 - 18 Uhr


 

 

 

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