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rheinische ART 06/2014

Archiv 2014

STANLEY KUBRICK: FOTOJOURNALIST
Eyes Wide Open

 

Was hat einer der wichtigsten Regisseure des 20. Jahrhunderts, ein wahrer Visionär der Leinwand, mit dem Fotojournalismus zu tun? Erstaunlich viel.

 

Stanley Kubrick, Street Conversations – Woman walking down the street, 1946, Courtesy Museum of the City of New York, Geschenk von Cowles Communications, Inc. © SK Film Archives, LLC

 

Stanley Kubrick, How the Circus gets set – Balancing act with trapeze artists, 1948, Courtesy Museum of the City of New York, Geschenk von Cowles Communications, Inc. © SK Film Archives, LLC

 

Bis heute ist wenig bekannt, dass es Stanley Kubrick (1928 - 1999) auf einen Pressebildfundus von - kolportiert - 27.000 Fotos brachte, die er in rund vier Jahren als - sehr - junger Fotograf (er zählte noch keine 20 Lenze) im Auftrag des US-Magazins Look schoss. Etwa 1.000 Fotografien publizierte die Zeitschrift. Eine Ausstellung im Wiener Kunstforum mit dem wortspielerischen Titel „Eyes Wide Open“ und ein sehr sehens- wie lesenswerter Katalog widmen sich diesem speziellen Karriereabschnitt des legendären New Yorker Filmmachers.

 

Lehrjahre Zwischen 1945 und 1950 arbeitete Kubrick bei dem Magazin, für das er essayistische Fotoreportagen fertigte. Sie ermöglichten es ihm, sich mit Fragen der Bildkomposition, Atmosphäre und des Timings auseinander zu setzen und so eine eigene visuelle Erzähltechnik und Bildsprache zu entwickeln. Eine Aufnahme, die er mit erst 16 Jahren im April 1945 machte, zeigt einen alten Zeitungsverkäufer an seinem Kiosk. Das Gesicht in die Hände gestützt, blickt er auf die Zeitungen mit der Schlagzeile „Roosevelt Dead!“ Die Fotografie, vermutlich weniger ein genialer Schnappschuss als eher eine „Regiearbeit“, wurde von Look gekauft und veröffentlicht.

     Es war quasi Kubricks Durchbruch in Sachen Foto- und Magazinjournalismus und brachte ihm später eine Stelle als staff photographer, also als festangestellter Fotograf, bei der Zeitschrift ein. Die Jahre bei Look boten dem jungen Mann aus der New Yorker Bronx die Chance, seine Leidenschaft, visuell Geschichten zu inszenieren, langsam zu perfektionieren. Kubrick war auch ein großer Box-Fan und fasziniert vom Milieu der „modernen Gladiatoren und urbanen Helden“ (Katalog) mit Protagonisten wie Walter Cartier oder Rocky Graziano, die er in harten Kontrasten und frontal portraitierte.

 

Seine Entscheidung, von den Fotostrecken zu Filmstreifen zu wechseln, traf er 1951 - rückblickend muss dieser Schritt wie eine logische Konsequenz in seiner Vita bewertet werden. Kubricks erste Arbeit im Cineastischen war der 16 Minuten lange (Dokumentar-)Film Day of the Fight, der um den amerikanischen Boxer Walter Cartier konzipiert war. In der Cartier-Reportage verstand es Kubrick, seine schwarz-weiß Stilistik mit seinen filmischen Ästhetikansprüchen zu verbinden.

 

Abbilder von N.Y. In den Fotoreportagen – über 20 davon werden in Wien präsentiert – stellte Kubrick, wie später in seinen Filmen, bevorzugt ein außergewöhnliches, oft einsames menschliches Schicksal dar: Er beobachtete den zwölfjährigen Schuhputzer Mickey auf den Straßen Brooklyns, begleitete die heute fast vergessene Broadway-Debütantin Betsy von Fürstenberg -Typ Tochter aus besserem Hause - bei ihrer „Arbeit“ oder besuchte einen Zirkus und seine Artisten im Winterquartier. Diese Pressefotos sind wertvolle Zeugnisse über die glitzernde und boomende Metropole New York, die sich in jenen Nachkriegsjahren, als Europa noch unter den Wunden des Kriegs ächzte, zur „neuen Hauptstadt der Welt“ aufschwang.


Katalog Während die kunsthistorische Forschung in Hinblick auf Kubricks Filmarbeiten umfangreich ist, wurde zu seinen Fotografien bis dato wenig publiziert. Der zur Ausstellung im Verlag Moderner Kunst Nürnberg erschienene Katalog vermittelt diesbezüglich nicht nur wichtige Erkenntnisse und Basisinformationen zu Kubricks fotografischem Frühwerk aus der Look-Zeit, sondern publiziert neben den Layouts des Magazins erstmals eine Auswahl aus den Auftragsarbeiten. Auch in der Ausstellung werden Original-Ausgaben von Look, in denen ausgewählte Foto-Essays von Kubrick erschienen sind, gezeigt.

 
Filmkarriere im Rückblick Stanley Kubrick gilt als einer der bekanntesten und wichtigsten Regisseure des 20. Jahrhunderts. Sein cineastisches Œuvre umfasst 13 Spielfilme, geschaffen in 45 Jahren. Fast alle sind Meisterwerke, einige wurden zu Klassikern, andere sind bis heute umstritten. Befragt nach seiner Arbeitsweise, gab er einmal die simple Antwort: „Well, I never shoot anything I don’t want.“ Eigensinn und Eigenständigkeit, technische Akrebie und Perfektion wie auch tiefe intellektuelle Symbolik kennzeichnen sein Werk und erklären den Erfolg seiner Filme bis in die Gegenwart.


Darunter vor allem 2001: Odyssee im Weltraum (1968), Uhrwerk Orange (1971), Full Metal Jacket (1987) oder Eyes Wide Shut (1999). Das Weltraum-Opus 2001 mit Richard Strauss´ mächtiger Tondichtung nach Nietzsches "Also sprach Zarathustra" gehört seitdem, so DER SPIEGEL (24/2014), zur Popgeschichte. Besondere Beachtung erfährt derzeit zum 100. Weltkrieg-Eins-Gedenkjahr Kubricks früher und brillanter Antikriegsfilm Wege zum Ruhm (Path of glory) von 1957 mit Kirk Douglas in der Hauptrolle. Die Kritik feierte ihn damals als „aufrichtigsten Antikriegsfilm der Filmgeschichte“. Das sahen viele Politiker und Militärs anders. Der Film mit der seinerzeit eigentlich unpopulären Thematik wurde in Frankreich bis Anfang der 1980er Jahre nicht gezeigt. Auch in der Schweiz, in Großbritannien, Israel und Australien gab es Aufführungsverbote oder Schnittauflagen.
cpw

 

 Die Schau ist eine Kooperation des Bank Austria Kunstforum Wien mit dem Museum of the City of New York und GAmm Giunti, Florenz.

 

Die Ausstellung „Eyes Wide Open - Stanley Kubrick als Fotograf“ wird bis zum 13.07.2014 gezeigt.

Bank Austria Kunstforum Wien

Freyung 8

1010 Wien Österreich
Tel (+43 1) 537 33 26
Öffnungszeiten
täglich 10 - 19 Uhr
FR 10 - 21 Uhr

 

Katalog:
Eyes Wide Open, Stanley Kubrick als Fotograf
Hrsg. Ingried Brugger, Lisa Ortner-Kreil
Bank Austria Kunstforum
Verlag für moderne Kunst Nürnberg GmbH
224 Seiten, Nürnberg 2014
ISBN 978-3-86984-069-7
Preis EUR 29,00

 

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