rheinische ART
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rheinische ART 10/2014

Archiv 2014

1914  LVR-KOMMERN

Keldenichs Welt

 

Irgendwann fand der Krieg auch ins Dorf. Dass wir heute wissen, wie sich der verheerende Waffengang nicht nur an der Front, sondern auch in der Heimat, dem ländlichen Rheinland, auswirkte, wie er den Alltag erst kaum, dann stärker bestimmte und schließlich radikal veränderte, verdanken wir Bildern, Fotografien und Notizen von teils akribisch sammelnden Zeitzeugen vom Lande. Einer von ihnen war Anton Keldenich.

 

Anton Keldenich Front-Skizze, Bleistift auf kariertem Papier, 1916, Darstellung aus einem Tagebuch. © LVR-Freilichtmuseum Kommern

 

Vor 37 Jahren wurde das Freilichtmuseum Kommern in der Eifel eingeweiht. Schon seinerzeit befand die Wochenzeitschrift DIE ZEIT verblüfft, dass die dort präsentierten künstlerischen Hinterlassenschaften „des Anstreichers und Malers Anton Keldenich aus Großbüllesheim (gestorben 1936)“ ein „eigenartiges Lebenswerk“ seien.

 

Anton Keldenich Selbstporträt 1917 Bleistiftzeichnung © LVR-Freilichtmusem Kommern

 

Œuvre Das mag damals manchem so vorgekommen sein. Heute ist die Kollektion von rund 40 Ölbildern, zahlreichen Tagebüchern und etwa 8.000 Zeichnungen und Skizzen aus bald drei Jahrzehnten rheinischen Landlebens, die der eher eigenwillig denn eigenartig wirkende autodidaktische Kunstmaler aus dem rheinischen Bördendorf Großbüllesheim bei Euskirchen fertigte, ein wahrer Schatz.

 

Anton Keldenich gilt als einer der wichtigsten Zeitzeugen, er war sowohl aktiver Kriegsteilnehmer als auch Nachkriegschronist. Beharrlich hatte der Eifelmaler, als der er oft betitelt wird, Banales und Alltägliches aus dem Dorfleben aber auch aus seinen Kriegsjahren notiert, skizziert, in Öl gemalt und einfach gesammelt. Ein lokal-regionaler Historiograf besonderer Lebensumstände.

 

Anton Keldenich Posten an der Front Ölgemälde vom 28. August 1918 in der Ausstellung „Kriegs(er)leben im Rheinland, Zwischen Begeisterung und Verzweiflung“ © LVR-Freilichtmuseum Kommern 

 

Ausstellung Zu sehen ist diese spezielle Art von Kunst in der LVR-Ausstellung „Kriegs(er)leben im Rheinland – Zwischen Begeisterung und Verzweiflung“ . Sie verdeutlicht schlaglichtartig die Lebenssituationen der rheinischen Landbevölkerung zwischen Hurrapatriotismus zu Beginn des Ersten Weltkriegs und den Ängsten und der Ernüchterung zum Ende des Gemetzels. Die Ausstellung ermögliche ein „umfassendes Bild von einer Zeit, die von Aggression und Avantgarde gleichermaßen geprägt war und die bis in unsere heutige Zeit nachhaltig wirkt“, unterstreicht Milena Karabaic, LVR-Dezernentin Kultur und Umwelt.

 

Abschied an der Bahn, Zeitgenössische Darstellung auf einer Feldpostkarte "Krieg nach drei Fronten 1914" © LVR-Freilichtmuseum Kommern

 

Eifelmaler Anton Keldenich (1874-1936) stammte aus einer kleinbäuerlichen Familie und wurde als Knabe zunächst Stallknecht. Seine Zeichnungen vom Pferde- und Dorfmilieu offenbarten sein Talent. Ein Kirchenrestaurator war es, der ihn förderte. Keldenich wurde - schon 30 Jahre alt - in eine Malerlehre geschickt. Danach ging der mit 1,58 Meter klein gewachsene lebenslange Junggeselle zwei Jahre auf die traditionelle Walz und verdingte sich als Handwerker in Ostdeutschland und Italien. Seine Eindrücke, Erfahrungen und Erlebnisse hielt er in Tagebüchern, Zeichnungen und Skizzen fest. Diese Passion führte er nach seiner Rückkehr ins Rheinland in Großbüllesheim fort. Und gerade die Zeugnisse aus dieser Zeit und von dieser Örtlichkeit sind für Volkskundler und Historiker heute so wertvoll.

 

Anton Keldenich "Krieg! Die gesamten Verluste der Völker am Kriege beinahe 50 Millionen Tote und Verwundete." Notiz von Keldenich im Februar 1919. Bild: Front-Skizze, Bleistift auf Papier, 1916, Darstellung aus einem Tagebuch. © LVR-Freilichtmuseum Kommern


Mit 41 Jahren wurde Keldenich 1915 eingezogen und an der Front in Nordfrankreich eingesetzt. Auch dort verfasste er regelmäßig Aufzeichnungen und skizzierte das Kriegsgeschehen. Seine Motive spiegeln den Alltag an der Front: Unterkünfte, Waffen, Stellungsanlagen, Schützengräben, Etappenleben. Später entwirft er Kreuze für die gefallene Kameraden. Der einstige Patriot, der seit 1908 Mitglied der katholischen Zentrumspartei war, kehrte wie Hunderttausende von Soldaten ernüchtert und desillusioniert nach Hause zurück. In seinem Heimatdorf wurde Anton Keldenich, ein den NS-Machthabern gegenüber kritischer Geist, zu jenem volkskundlich bedeutenden Zeitzeugen und Regionalchronisten, dessen Nachlass heute als einzigartig gilt.

 

► Neben zahlreichen bislang nicht öffentlich gezeigten Arbeiten Keldenichs sind Fotografien aus dem Nachlass von Peter Rodert aus Eicherscheid bei Bad Münstereifel zu sehen. Der Bäcker hatte während der Kriegsjahre eroberte Städte, zerstörte Ortschaften, Etappen- und Milieuszenen unter künstlerischem Anspruch fotografiert. Die Fotos fanden auf Feldpostkarten Verwendung.

 

 

Die Ausstellung im Freilichtmuseum Kommern ist Teil des LVR-Verbundprojekts „1914 – Mitten in Europa. Das Rheinland und der Erste Weltkrieg“. Damit erinnert der Landschaftsverband Rheinland (LVR) nicht nur an diesen ersten weltumspannenden Konflikt der Menschheitsgeschichte, sondern thematisiert auch die zahlreichen Einflüsse der Moderne, die den Alltag im Rheinland fundamental verändern sollten.

bra/K2M

 

Die Ausstellung „Kriegs(er)leben im Rheinland – Zwischen Begeisterung und Verzweiflung“ wird bis zum 18.10.2014 gezeigt.

LVR-Freilichtmuseum Kommern
Rheinisches Landesmuseum für Volkskunde
Eickser Straße
53894 Mechernich

Öffnungszeiten
1.April – 31.Oktober 9 - 19 Uhr
1.November – 31.März 10 - 17 Uhr

24. und 31. Dezember 10 - 14 Uhr
25. /26. und 1. Januar 11 - 16 Uhr


 

 

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