Archiv 2014
FOTO-SOMMER IN GENUA
Vogel, Capa, Capellini
Ein Deutscher, ein US-Amerikaner ungarischer Herkunft und ein Italiener. Ihre gemeinsame Profession: Fotografie - und das fast ein Leben lang. Das Museum und exquisite Kulturhaus Palazzo Ducale, der alte Dogenpalast in Genua, bietet in diesem Sommer parallele Fotoausstellungen von drei Großen der Zunft. Eine sehr erlesene, bemerkenswerte und seltene Kombination!
Walter Vogel Zeitungsstand in der Altstadt von Genua © Foto Walter Vogel |
Walter Vogel (*1932) Bilder für die Seele
Manchmal sind es die fremden Augen, die dem Heimischen die Schönheit und Einzigartigkeit seiner Umgebung ins Bewusstsein rufen. Und dem Fremden nicht ins Auge, sondern in die Seele dringen. Im Falle der ligurischen Hauptstadt Genua schafft dies der Düsseldorfer Fotograf Walter Vogel. Er gilt als einer der großen zeitgenössischen Fotografen Europas, wie das Goethe-Institut Genua verlautet. Der ehemaliger Otto Steinert-Schüler wurde unter anderem mit Porträts von dem Künstler Joseph Beuys und der Tänzerin und Choreografin Pina Bausch (mehr) bekannt und schuf über Jahre hinweg wunderschöne Reportage-Fotografien, für die er bereits 1964 mit dem World Press Photo Award ausgezeichnet wurde. Aus den Sechzigern datiert auch Vogels Faszination für Genua - der heute 82-Jährige wurde zu einem außergewöhnlichen Zeitzeugen, der den Wandel dieser Stadt in einem Zeitraum von fünfzig Jahren kontinuierlich fotografierte.
Walter Vogel Urbaner Wandel: Altstadt und Neubauten © Foto Walter Vogel
Walter Vogel "Genua lässt es zu, dass man es selber erfährt." ©Foto Walter Vogel
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Stadtbilder Der Palazzo Ducale präsentiert in Kooperation mit dem Goethe-Institut 55 Fotos des Meisters. Die Schau erzählt von den typischen Plätzen der Stadt, den historischen Geschäften, den Gassen, dem alten Hafen, den Caffè-Bars (mehr) im pittoresken Zentrum und ihren Protagonisten. „Ein schmaler Ausschnitt meines Schaffens“, erklärt Vogel gegenüber unserem Magazin. Was, so fragten Presse und Besucher bei der Vernissage den Düsseldorfer, treibe einen Deutschen 50 Jahre nach Genua? Vogel: „Meine Vorliebe für eine Antiwelt. Genua fordert einen nicht!“ Will sagen, Genua lässt es zu, dass man es selber erfährt.
Das Geheimnis von Vogels so bezaubernden wie auch bestechenden dokumentarisch-sachlichen Bildserien ist vermutlich sein ständiges Bemühen, Menschen, einfache Leute im Heer der Namenlosen und dienstbaren Geister, in ihrem Milieu zu erfassen. Sie erweisen sich, so der Fotograf, „als die wahren Ikonen meiner Fotografie, deren Konterfei ich mit der gleichen Sorgfalt ausarbeite, wie das eines Joseph Beuys.“ Seine tiefe Zufriedenheit über die geleistete Arbeit ist einem Katalogbeitrag des Folkwang-Museums zu entnehmen. Ein gelungener Baryt-Abzug, so wird Walter Vogel dort zitiert, bereite ihm ebenso Genugtuung, „wie der Schneider oder Schuhmacher stolz ist auf ein Stück vollkommener Arbeit.“ Da spricht einer mit handwerklicher Erfahrung, ein gelernter Maschinenschlosser und studierter Ingenieur, ein Mann mit traditioneller Foto-Ausbildung, ein Meister alter Schule. Und die sind selten geworden in der zeitgenössischen digitalen Fotowelt, wo technisches Raffinement aus dem Computer den Betrachter oft täuscht und blendet.
Robert Capa (1914-1954) Das Gesicht des Kriegs
DAS BILD WURDE AUS ©GRÜNDEN ENTFERNT.
Robert Capa Amerikanische Soldaten in Troina (Sizilien) vor der Kathedrale Maria Santissima Assunta nach der Einnahme der Stadt am 6. August 1943. Foto © International Center of Photography/ Magnum – Collection of the Hungarian National Museum
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Ganz anders hingegen die Robert Capa-Rückschau zum 70. Jahrestag des Kriegsendes in Italien. Nach erfolgreicher Ausstellungstournee mit Stationen unter anderem in Rom und Florenz zeigt nun auch der Palazzo Ducale in Genua Arbeiten des großen Kriegsfotografen. 78 seiner Bilder in Schwarz und Weiß dokumentieren den Zweiten Weltkriegs in Italien und belegen Capas Mut und Kunst. Robert Capa wird oft als der Vater des Fotojournalismus bezeichnet. In Budapest als Endre Ernö Friedmann geboren und aufgewachsen, ging er später nach Berlin und studierte Journalistik. 1939 emigrierte Robert Capa in die USA, 1946 erhielt er dort die Staatsbürgerschaft. Mit Henry Chartier-Bresson (mehr) und anderen Fotografengrößen, die er aus seinen Pariser Zeiten kannte, gründete er die legendäre Fotoagentur Magnum.
Die Schlachtfelder dieser Welt waren für über 20 Jahre die Arbeitsgebiete des Fotojournalisten, hier lichtete er in unverwechselbarer Weise das Gesicht des Krieges ab. Wenn auch nicht als Soldat, so war er doch stets Chronist in der Nähe der Szene, oft unter Schmerzen, um die Fakten festzuhalten. Daher sein viel zitiertes Diktum: „Wenn deine Bilder nicht gut sind, warst du nicht nahe genug dran.“ Capa sammelte Erfahrungen in fünf großen militärischen Konfrontationen. Er war im Spanischen Bürgerkrieg, im chinesisch-japanischen Krieg, er überlebte den Zweiten Weltkrieg und den arabisch-israelischen Krieg von1948. In seinem fünften großen Krieg, dem ersten Indochinakrieg, fiel Robert Capa 1954 im Alter von 40 Jahren bei der Ausübung seines Berufs in Thai Binh, heute Vietnam.
DAS BILD WURDE AUS ©GRÜNDEN ENTFERNT.
Robert Capa Begrüßung amerikanischer Truppen in der Stadt Monreale, Provinz Palermo/ Sizilien am 23. Juli 1943. Foto © International Center of Photography/ Magnum – Collection of the Hungarian National Museum
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Anlässlich des ungarisch-italienischen Kulturjahres 2013 - 2014 wird mit einer Hundertjahrfeier an die Geburt dieses großen Meisters der Fotografie erinnert. Die Ausstellung in Genua titelt „Robert Capa in Italien. 1943-1944“. Die Schau fokussiert sich auf jene zwei Jahre, in denen Capa die US-Truppen bei ihren Kämpfen von Sizilien bis in den Norden des Landes begleitete.
Lorenzo Capellini (*1939) Im Sucher: Kunst und Literatur
Der Name des gebürtigen Genuesers Lorenzo Capellini wiederum ist mit einem sehr speziellen Motivspektrum verbunden. Seit rund 60 Jahren zählt Capellini zu den großen internationalen Fotografen der Kunst- und Literaturwelt. Sein Credo: Um zu fotografieren sei es zwingend notwendig, ein besonderes Auge, eine ruhige Hand und gute Beine zu haben. Darüber hinaus benötigte man Sensibilität und Phantasie. „Wenn Sie diese Eigenschaften nicht haben, es gibt keine Schule in der Welt, die es ihnen beibringen kann.“ Die Ausstellung in seiner Heimatstadt Genua spiegelt das Lebenswerk des Fotokünstlers.
DAS BILD WURDE AUS ©GRÜNDEN ENTFERNT.
Lorenzo Capellini Der Literaturnobelpreisträger Ernest Hemingway (1899-1961) © Foto: Lorenzo Capellini
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Der ehemalige The World of Pannunzio-Fotograf hat die Großen aus Kunst und Literatur des 20. Jahrhunderts portraitiert. Vor seiner Kamera standen - um nur wenige zu nennen - Ernest Hemingway (mehr), der Dramatiker Eugène Ionesco, der Tenor-Superstar Luciano Pavarotti, Nelson Mandela wie auch der Filmregisseur Pier Paolo Pasolini. Capellini ist ein vielseitiger Kreativer. Sein Repertoire erstreckt sich auf Dokumentarfilme für die italienische RAI, auf zahlreiche künstlerische Fotobände und spezielle Publikationen. 1990 veröffentlichte er "Der Fall von Berlin", ein Buch über den Fall der Mauer. Im Rahmen seines Projektes über die Architektur der italienischen Städte gibt Capellini Architektur-Leitfäden heraus, so etwa für Mailand (1991), Florenz und Genua (1992).
Claus P. Woitschützke
Walter Vogel
Die Ausstellung „Walter Vogel, Genua 1964-2014“ wird bis zum 24. August gezeigt.
Robert Capa
Die Ausstellung "Robert Capa in Italien 1943-1944“ ist bis zum 5. Oktober zu sehen.
Lorenzo Capellini
Die Ausstellung „Lorenzo Capellini – Fotografien von 1954 bis heute“ endet am 21. September 2014
Palazzo Ducale Fondazione per la Cultura
Piazza Matteotti 9
16123 Genua,
Tel. +39 010 5574000
Fax +39 010 557 4001
Öffnungszeiten
Di – FR 15-19 Uhr,
SA - SO 10-19 Uhr