rheinische ART
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rheinische ART 11/2014

Archiv 2014

INTERVIEW
Perspektiven

 

Der Künstler Soshi Matsunobe gehört zu den jungen Talenten, die in der Schau NIPPON NOW bei E.ON in Düsseldorf ausgestellt werden. Robert Woitschützke, der Matsunobe aus Köln und Kyoto kennt, traf sich mit ihm in der Domstadt zum Gespräch über seine Kunst, Japan und das Rheinland.

 

Soshi Matsunobe Foto: Courtesy Eick-Art Consulting

 

Robert Woitschützke: Soshi, für einen 26-Jährigen bist du schon sehr weit. Deine „Twisted Rubberbands“ waren das Aushängeschild für das „Kyoto Experiment“, das populärste Performing-Arts-Festival der Stadt. Auch international hast du bereits einige Erfolge aufzuweisen, so etwa deine Verbindung zum Kyoto/Köln-Projekt, wo du 2012 deine erste Einzelausstellung in Deutschland gestalten konntest. Dieses Jahr bist du in Düsseldorf in der Ausstellung NIPPON NOW (mehr) vertreten. Du hast eine ganz eigene Arbeitsweise entwickelt, und man hat nicht das Gefühl, dass du noch nach einer Ausdrucksweise suchen musst. Hast du bereits ein fertiges „Konzept“?

 

     Soshi Matsunobe: Nun denn, ich denke manchmal, dass eigentlich schon fast alles gemacht wurde. Es ist schwer, etwas ganz Neues zu machen. Das ist wohl auch das Grundproblem der Künstler meiner Generation. Ich frage mich, wie man mit der Vergangenheit, die für einen Künstler wie mich schon mal Ballast sein kann, umgehen soll. An der Spitze der Kunst-Entwicklung stehen für mich die Minimal Art, die Conceptual Art und der White Cube. Der White Cube ist das Ende, der Nullpunkt dieser Entwicklung.

 

Woitschützke: Wie gehst du mit dem Phänomen des White Cube um?

 

Matsunobe: White Cubes sind für mich der Inbegriff nicht nur der Kunst der letzten Jahre, sie sind auch Sinnbild für den Kunstmarkt. Viele Galerien sind White Cubes, Orte, die ein geschlossenes System charakterisieren. Ich arbeite viel mit alltäglichen Gegenständen: Gummiringe, Haarbürsten, Teller ... Mit ihnen kann man versuchen, diese „Geschlossenheit“ zu durchbrechen.

 

Soshi Matsunobe Twistet Rubber Band, 2013 ©Soshi Matsunobe

 

Woitschützke: Wie kam es eigentlich, dass du Kunst machen und damit Künstler werden wolltest?

 

Matsunobe: (Lacht) Ich hab keine Ahnung ... Oder doch! Ganz ursprünglich wollte ich eigentlich Mangazeichner werden. Der Vorteil ist, dass in Japan jeder weiß, was ein Manga-Zeichner macht. Wenn man damit Erfolg hat, ist man sehr angesehen und die Menschen wissen sofort, mit was sie es zu tun haben. Das ist bei „freien“ Künstlern häufig anders.

 

Woitschützke: Dass Leute selbstständig sind, stellt in Japan noch immer eine Seltenheit dar. Die meisten jungen Künstler müssen einer geregelten Tätigkeit nachgehen, um ihren Unterhalt zu verdienen. Ist die Kunst für die Mehrheit der Kreativen also eine „Zweittätigkeit“?

 

Matsunobe: Ja, denn das Problem ist, dass sich viele Japaner einfach nicht vorstellen können, was ein freier Künstler eigentlich genau macht. Hinzu kommt, dass meine Landsleute eher selten Kunst kaufen – zumindest zeitgenössische japanische Kunst.

 

Woitschützke: Das ist erstaunlich, denn in Japan gibt es viele Kunsthochschulen. Gerade in Kyoto sind es mehrere sehr angesehene Akademien. Viele junge Japaner interessieren sich doch dafür, selber künstlerisch tätig zu werden. Wie kann es sein, dass das generelle Interesse vergleichsweise gering ist?

 

Matsunobe: Das liegt wahrscheinlich vor allem daran, dass der Markt für zeitgenössische Kunst schwer zugänglich ist. An den Hochschulen wird viel Technik, Handwerkliches, gelehrt, aber wenig Umgang mit Galerien und dergleichen.

 

Woitschützke: Was ist mit den Professoren?

 

Matsunobe: Ich glaube in Europa ist das anders als in Japan. In Europa sind berühmte Künstler auch die Professoren an den Akademien. Die Lehrer an den japanischen Akademien können den Studenten weniger helfen, in das „System“ zu kommen, da sie selber hauptsächlich lehren und keine Erfahrung mit dem „System Kunst“ haben. So entsteht ein Kreislauf, aus dem man schwer herausfindet. Es gibt viele tolle junge Künstler in Japan, aber wenige wissen tatsächlich, was der Kunstmarkt ist. Zudem: Japaner sind häufig eher schüchtern und fragen gar nicht nach. Das dreht sich im Kreis.

 

Woitschützke: Wie sieht es bei dir aus? Hattest du eine Art Unterstützung?

 

Matsunobe: Ich bin früh an die Kyotoer Galerie Super Window Projects gekommen. Das hat vieles erleichtert.

 

Woitschützke: In Deutschland nimmt deine Bekanntheit stetig zu. Durch die Desislava Eick Art Consulting bist du 2012 im Rahmen des Köln-Kyoto Artist in Residency Projektes das erste Mal nach Köln gekommen und jetzt bist Du bereits das dritte Mal hier. Wie hast du deine Zeit im Rheinland empfunden?

 

Matsunobe: Die Eröffnung meiner Einzelausstellung „Cluster of SCHEMA“ bei Schilling Architekten war für mich sehr erfolgreich. Ich fand es vor allem bemerkenswert, wie viele unterschiedliche Leute sich hier in Köln für Kunst interessieren. Wenn ich in Japan meine Freunde zu einer Eröffnung in eine Galerie einladen würde, dann würden sicherlich nur wenige kommen – einfach, weil sie nicht wissen, was das alles heißt, eine Galerie … Hier in Deutschland ist das anders.

 

Woitschützke: Du hast 2012 in Köln das Konzept SCHEMA entwickelt. Am 23. November hattest Du hier zusammen mit Desislava Eick in Köln eine Perfomance im Quartier am Hafen konzipiert, die sich auf dieses Konzept bezieht. Zusätzlich dazu sind Arbeiten aus SCHEMA auch bei der Düsseldorfer Ausstellung NIPPON NOW zu sehen. Wenn man sich Arbeiten aus SCHEMA anschaut, dann sieht man zunächst einmal zwei Muster: „Ore“ und „Knot“. „Ore“ ist eine geometrische Zeichnung, „Knot“ ist eine geschwungene Linie.

 

 

Soshi Matsunobe Ore und Knot, 2012, Foto: Courtesy Eick-Art Consulting

 

Matsunobe: Beide sind Aspekte ein und derselben Sache. Im Grunde geht es darum, wie man vom Zweidimensionalen zum Dreidimensionalen kommt und umgekehrt. „Ore“ geht von einem dreidimensional gezeichneten geometrischen Körper aus – diese Körper können vieleckig sein, aber im Grunde reicht auch ein Quader, um den Gedanken zu illustrieren. Wenn man einen Quader zeichnet, sind die verdeckten Seiten in der Regel gepunktet und die sichtbaren Seiten glatt dargestellt. Ich unterbreche die sichtbaren Seiten an den Stellen, an denen sie von gepunkteten, das heißt verdeckten Seiten, durchdrungen werden. Damit verschwindet die Dreidimensionalität und der Körper wird wieder flach. Bei „Knot“ ist es andersherum. Ich unterbreche diese Schleifen an den Stellen, an denen sie sich kreuzen. Die flache Linie erhält dadurch einen dreidimensionalen Charakter.

 

Woitschützke: Du arbeitest ja sehr konzeptuell. SCHEMA selbst ist also kein abgeschlossenes Werk sondern eine Idee. Diese besteht aus der Frage, wie man von einer darstellerischen Dimension in eine andere wechselt. Kann dieser Gedanke mithilfe verschiedenster Medien dargestellt werden?

 

Matsunobe: Genau. Man kann diese Darstellungen drucken, wie bei NIPPON NOW. Man kann sie auf hölzernen Objekten, Skulpturen, Plastiken anbringen, wie bei Schilling Architekten. Man könnte aber sicherlich noch ganz andere Sachen damit machen.

 

Woitschützke: Wenn ich dich richtig verstehe, dann sind die tatsächlichen Arbeiten also nur beispielhafte Ausübungen eines Grundgedankens. Entscheidend ist hier der konzeptuelle Hintergrund.

 

Matsunobe: So ist es.

 

Woitschützke: Hast du weitere Ideen, wie du den Gedanken von SCHEMA fortführen möchtest?

 

Matsunobe: Absolut. SCHEMA lässt sich ja auf alles anwenden. Im Grunde ist es eine neue Form von Architektur. Ich suche neue Medien, um den SCHEMA-Gedanken ausdrücken zu können. Irgendwann kam ich auf die Idee, den menschlichen Körper selber zu nehmen. Das ist der Inhalt der Performance. Im Mittelpunkt steht immer die Visualisierung eines abstrakten Gedankens. Dieser Gedanke kann ja gedruckt oder gezeichnet werden … Menschen können ihn aber auch direkt ausführen.

 

Woitschützke: Du hattest gerade eine neue Architektur erwähnt. Der Mensch als Gegenstand einer Architektur, sozusagen?

 

Matsunobe: Ja. Bei SCHEMA geht es um die Frage der Dimensionalität, also geht es um Räumlichkeiten. Das ist ja auch der Gegenstand der Architektur. Um dies zu illustrieren führen die Tänzer der Performance Bewegungen aus, die Menschen normalerweise nicht machen. (Lacht)

 

Performence Soshi Matsunobe im Quartier am Hafen, Köln, 2014 Foto: Courtesy Eick-Art Consulting

 

Woitschützke: Diese Denkweise erinnert mich sehr stark an einen anderen berühmten Konzeptkünstler, nämlich On Kawara. Bei ihm geht es um die Sichtbarmachung von zeitlichen Prozessen, was ja ein abstrakter Gedanke ist. Bei Dir geht es auch um die Sichtbarmachung von Prozessen.

 

Matsunobe: Es ging mir zunächst um die Frage: Kann ich etwas „Neues“ finden? Gibt es da noch etwas? Ich habe die Serie in Köln entwickelt, wo es einiges an Inspiration gab. Und sich in einem fremden Land inspirieren zu lassen, ist sehr einfach. Ich wollte noch tiefer gehen, über das alltägliche Leben hinaus. Mein Ziel war ein Nullpunkt, wo es keine Kultur mehr gibt, keine Stadt, gar nichts. Da habe ich nachgedacht und die beiden Zeichnungen von SCHEMA entwickelt.

 

Woitschützke: Im Zentrum steht jedoch die Auseinandersetzung mit der Frage der darstellerischen Dimension. Weißt du, warum dich das so interessiert?

 

Matsunobe: Ich denke schon. Vielleicht hat es doch etwas mit Japan zu tun.

 

Woitschützke: Nämlich?

 

Matsunobe: Wir hatten vorhin über Manga-Zeichner gesprochen. Das ist etwas Merkwürdiges in Japan. Die Leute in Japan lieben Mangas. Mangas sind sehr flache, zweidimensionale Darstellungen. Das entspricht der japanischen Kunstgeschichte, die nie die europäischen Perspektiven kannte.

 

Woitschützke: Diese Perspektiven wurden erst durch den Westen importiert, sozusagen. Es gibt zum Beispiel einige frühe Ukiyo-e mit Darstellungen des Forum Romanums von Utagawa Toyoharu, in denen europäische Vorbilder kopiert und erstmals perspektivische Darstellungen geübt wurden. Mitte des 18. Jahrhunderts experimentierte Okumura Masanobu in einigen Holzschnitten sogar mit der Zentralperspektive.

 

Matsunobe: Aber diese Perspektive ist nichts Japanisches. Es hat sie davor in Japan ja nie gegebenen. Umso interessanter ist es, dass sich der Unterricht an den Akademien heute noch sehr am westlichen Verständnis ausrichtet, etwa im Unterricht für perspektivisches Zeichnen. Hier treffen für mich zwei Traditionen aufeinander, die bis heute nicht ganz kompatibel sind. In SCHEMA beschäftige ich mich ja genau damit. Von der japanischen Zweidimensionalität zur westlichen Dreidimensionaliät und umgekehrt.

 

Woitschützke: Lieber Soshi, tausend Dank für das Gespräch!

 

www.matsunobe.net

 

Kontakt Soshi Matsunobe in Deutschland:

Desislava Eick / Art Consulting Köln
www.eick-artconsulting.com
+49 (0) 157 - 35 78 76 76

 

 

 

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