rheinische ART
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rheinische ART 10/2014

Archiv 2014

1914 – EXPEDITION KLEIN
Playing Lawrence On The Other Side

 

Als 1892 Karl Mays sechsbändiger romantisch gefärbter Orientzyklus herauskam, titelte Band zwei „Durchs wilde Kurdistan“. Zweiundzwanzig Jahre später entsandte das Deutsche Kaiserreich reguläres Militär, aber auch Kaufleute, Archäologen, Abenteurer und Spione genau in diese Region und andere muslimisch geprägte Gebiete. Ihre Order: Unterstützung des osmanischen Bündnispartners und Aufwiegelung zum Dschihad.

 

Fritz Klein Bey in türkischer Majorsuniform um 1915. Foto©Preußen-Museum NRW Wesel

 

Was einer geheimen deutschen Orient-Expedition unter Führung eines Hauptmanns namens Fritz Klein dort widerfuhr, wäre bester Karl May-Stoff gewesen, stünde nicht ein realer und brutaler Krieg dahinter. Das Preußen-Museum des Landschaftsverbands Rheinland (LVR) in Wesel widmet dem ungewöhnlichen Thema unter dem Titel „Playing Lawrence On The Other Side“ eine Sonderschau.

 

Im Orient gab es die dritte, fast vergessene Front im großen Gemetzel des Ersten Weltkriegs. Denn auch in Asien und Afrika vernichtete „Der Große Krieg“ ganze Landstriche und brachte hunderttausendfachen Tod. Es ist ein denkwürdiges Kriegskapitel, an dem das wilhelminische Deutschland im Rahmen seiner „Weltpolitik“ mitwirkte und an dass heute nur wenig erinnert. Rund 25.000 deutsche Soldaten waren an den orientalischen Kriegsschauplätzen eingesetzt.

 

Die Zitadelle von Aleppo Im Winter 2014 Sammelpunkt von Kleins Expeditionskorps auf dem Weg zu Euphrat und Tigris. Foto © Preußen-Museum NRW Wesel

 

Deutsch-türkische Allianz Ein Bündnispartner des Deutschen Kaisers Wilhelm II war das Osmanische Reich. Die Türken hatte am 11. November 1914 offiziell den "Heiligen Krieg" gegen Russland, Großbritannien und Frankreich, den Kriegsgegnern des Deutschen Reiches, proklamiert. Vor diesem Hintergrund beorderte Deutschland bereits mit Kriegsbeginn ein gutes Dutzend Einzelpersonen mit gefährlichen Missionen in die Gebiete zwischen Afghanistan und Marokko.

     Das Auswärtige Amt und der Große Generalstab in Berlin verfolgten damit ein Ziel: Im Orient sollten neben Militäroperationen zur Stabilisierung des Osmanischen Reichs deutsche Kulturspezialisten und Landeskenner propagandistisch und nachrichtendienstlich arbeiten, um den Gegner zu schwächen. Als Leitstelle für diese meist subversiven Tätigkeiten diente die Nachrichtenstelle für den Orient, kurz NfO. Sie beauftragte ihre Agenten, unter höchst riskanten wie abenteuerlichen Umständen in den englisch, französisch und russisch besetzten Gebieten, Kolonien oder Protektoraten für Unruhe zu sorgen; im besten Falle war gewünscht, einen Dschihad - einen Heiligen Krieg - vom Zaun zu brechen.

 

Oberleutnant Fritz Klein in seiner Zeit als Militärattaché in Kairo 1911. Foto © Preußen-Museum NRW Wesel

 

Kleins Krieg Einer dieser Akteure war der zu diesem Zeitpunkt 37-jährige preußische Hauptmann und osmanische Major Fritz Klein, ein erfahrener Offizier aus einem rheinischen Regiment. Klein, ein gebürtiger Siegerländer, führte von 1914 bis 1916 eine Expedition in das Randgebiet des Osmanischen Reichs, den heutigen Irak, und Persien. Große Teile Persiens waren damals von russischen und britischen Truppen besetzt. Dagegen richtete sich eine "provisorische persische Regierung" mit Sitz im kurdisch dominierten Kermanschah, die von Berlin finanziell und militärisch Hilfe erhielt.
     Es gelang Klein, der als ehemaliger Militärattaché überzeugend auftreten konnte, die schiitische Geistlichkeit für den Kampf an der Seite der Mittelmächte (Deutsches Reich, Österreich-Ungarn und Bulgarien) zu gewinnen. Seinen „Klein-Krieg“ mit Sabotageakten und Anschlägen führte der deutsche Hauptmann mit handverlesenen Gefährten und heimischen Arabertrupps gegen weit überlegene britische und russische Kräfte. Die Sprengung der britischen Ölpipeline am Persischen Golf war ihr größter Erfolg. Klein arbeitete damit ähnlich wie auf der Gegenseite der britische Offizier, Spion, Schriftsteller und Archäologe Thomas Eward Lawrence, der als „Lawrence von Arabien“ (mehr) zu Ruhm kam.

 

Die Führer des deutsche Sprengkommandos mit ihren Kameraden, die im Frühjahr 1915 englische Ölleitungen am Persischen Golf zerstörten. Foto © Preußen-Museum NRW Wesel

 

Orient-Story Die abenteuerliche Geschichte des Hauptmanns und frühen „Guerillakämpfers“ Fritz Klein, die der Weseler Museumsdirektor Veit Veltzke mit der Ausstellung aufgearbeitet hat, geht ursprünglich auf eine Überlieferung des Expeditionsteilnehmers Edgar Stern-Rubarth zurück. Der Adjudant und politische Journalist, der zeitweise für die „Kölnische Zeitung“ arbeitete, emigrierte 1936 unter Nazi-Druck nach London. Dort verfasste er rückblickend den geheimen Orient-Einsatz der Klein-Mission unter dem Titel „Playing Lawrence On The Other Side“ (Lawrence spielt auf der anderen Seite), den auch die Weseler Ausstellung führt.

 

Orientpolitik Die Ausstellung zeichnet mit rund 500 Exponaten ein lebendiges Bild der deutschen Orientpolitik bis 1918. Besondere Berücksichtigung finden das deutsch-osmanische Bündnis und die vielfältigen Erfahrungen deutscher Soldaten an den orientalischen Fronten. Als eine der wenigen Ausstellungen im Verbundprojekt „1914 – Mitten in Europa“, mit dem der LVR an den Ersten Weltkrieg erinnert, blickt diese Schau über Europa hinaus - bis auf die Arabische Halbinsel und nach Persien. Im Fokus stehen Fragen der Interkulturation und die damit verbundenen deutschen Beziehungen zu Türken, Arabern und Persern.

 

 Fritz Klein wurde noch während des Ersten Weltkriegs zu einem scharfen Kritker der deutschen Kriegsziel- und Innenpolitik. Er machte Kapitalismus und Imperialismus aller beteiligten Länder für die Katastrophe des Krieges verantwortlich. Ab 1924 vertiefte er sich in die Philosophie und strebte eine geistige Vereinigung von Orient und Okzident an.
 Edgar Stein-Rubarth wurde in der Weimarer Republik zu einem führenden Vertreter des liberalen Journalismus und engem Berater Gustav Stresemanns. Im Exil in London erstellte er ab 1944 im Auftrag des britischen Geheimdienstes eine Liste von politisch unbelasteten deutschen Persönlichkeiten, nach der später im Nachkriegsdeutschland politische Ämter besetzt wurden.
Claus P. Woitschützke

 

 

Die Ausstellung „Playing Lawrence On The Other Side - Die Expedition Klein und das deutsch-osmanische Bündnis im Ersten Weltkrieg“ wird bis zum 25. Januar 2015 gezeigt.

Preußen-Museum Nordrhein-Westfalen

An der Zitadelle 14 – 20

46483 Wesel

Tel. 0281 33996-300
Öffnungszeiten

MI - SO 11 - 17 Uhr MO, DI geschlossen

Literaturhinweis
Veit Veltzke: Unter Wüstensöhnen. Die deutsche Expedition Klein im Ersten Weltkrieg. Nicolai-Verlag, 296 Seiten, 200 Abb., Euro 39,95

 

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Im Untergrund Es gab mehrere Deutsche, die mit Sonderaufträgen im Vorderen und Mittleren Orient und in Nordafrika eingesetzt waren. Sie sollten vor allem den Weg für eine Erhebung der muslimischen Bevölkerung gegen die Kolonialmächte bereiten. Zu den bekanntesten gehört der Diplomat, Archäologe und Orientalist Max von Oppenheim aus Köln (mehr), der bis 1917 in Istanbul eine NfO-Stelle an der deutschen Botschaft leitete.
     Berühmt ist ferner Oberleutnant Oskar Ritter von Niedermayer, der zusammen mit dem Orientalisten Legationsrat Werner Otto von Hentig die legendäre Afghanistan-Expedition durchführte. Niedermayer gelang von Kabul aus der Aufbau eines Agentennetzes, aber keine Destabilisierung der muslimischen Gebiete.

     Mit ähnlich geheimen Missionen betraut war im Sudan und in Äthiopien der Ethnologe und Regierungsrat Leo Frobenius, dessen Revolutionsaufrufe in der Wüste verhallten. Auch die Initiativen des Ingenieurs Franz Far, 1915 einen Aufstand der nordafrikanischen Berberstämme im Rif-Gebirge anzuzetteln, schlugen fehl. Far kam im November des Jahres unter ungeklärten Umständen ums Leben.
     Ein weiterer Vertreter für Subversives war Hauptmann a.D. Alfred Mannesmann. Der gebürtige Remscheider, Mitbegründer der gleichnamigen Röhrenwerke, arbeitete seit 1906 für das Marokko-Minen-Syndikat - später Mannesmann Industrie und Handel AG - und organisierte Untergrundtätigkeiten. Er wurde im Juni 1915 von einem Kriegsgericht in Casablanca in Abwesenheit zum Tode verurteilt.

     Ebenfalls in Marokko sowie im damaligen Französisch-Nordafrika hatte Ernst Kühnel alias „Ernst Braun“, ein herausragender Archäologe und Kunsthistoriker, den Auftrag, Beduinenstämme, die den Franzosen feindlich gesinnt waren, zu einem Aufstand gegen die Kolonialherren zu vereinen. Der renommierte Kunstwissenschaftler und spätere Altmeister der islamischen Kunstgeschichte blieb allerdings erfolglos.

 

 

 

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