rheinische ART
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rheinische ART 05/2021

Archiv 2021

SAMMLUNG RAU
Ein Traum vom kleinen Louvre


Als der Industrieerbe Gustav Rau 2002 kurz vor seinem 80. Geburtstag starb, hatte er sich seinen Lebenstraum von einer grandiosen Kunstsammlung erfüllt. Er hinterließ eine monumentale Kollektion im Werte von damals annähernd einer Milliarde Mark.

 

Filippo Parodi Frauenbüste | ca. 1675-1699 Arp Museum Bahnhof Rolandseck / Sammlung Rau für UNICEF | Foto: Mick Vincenz

 

Die Sammlung galt als eine der schönsten und bedeutendsten in privater Hand. Vermacht hatte sie der öffentlichkeitsscheue Mäzen der Kinderhilfsorganisation UNICEF. 18 Jahre lang, so der Wunsch des Erblassers, sollten seine wertvollsten Gemälde und Skulpturen dem Publikum zugänglich gemacht werden. Dies ist bis zum Jahr 2026 in der eigens eingerichteten Kunstkammer Rau im Arp Museum Bahnhof Rolandseck der Fall.

 

Paolo Troubetzkoy Elin Troubetzkoy im japanischen Kostüm | ca. 1906 Arp Museum Bahnhof Rolandseck / Sammlung Rau für UNICEF | Foto: Mick Vincenz

 

Dort ist eine phantastische wie bezaubernde Schau kurartiert worden. „In Form – Skulptur und Plastik bis 1900“ lautet ihr Titel und ist doch mehr als die sachliche Umschreibung vermuten lässt.

     59 in der Kunstkammer versammelte Werke der „Sammlung Rau für UNICEF“ veranschaulichen Facetten der historischen Entwicklung von Skulptur und Plastik vom Mittelalter bis zur Moderne.
     Es ist eine Entdeckung, die schlaglichtartig die zentralen Aspekte der klassischen Bildhauerei beleuchtet! In überschaubaren Räumlichkeiten inszeniert, reicht der Blick eindringlich und faszinierend von religiösen Barock-Skulpturen der Gegenreformation über „erschreckend drastisch“ dargestellte Martyrien der Heiligen bis zu den impressionistischen Plastiken der Moderne. Dies alles ist einen Besuch wert.


Nicht sehr oft wird jedoch an das erinnert, was sich vor zwanzig Jahren in dieser Sache hinter den Kulissen abspielte. Gustav Rau (1922–2002), der promovierte Wirtschaftswissenschaftler und Tropenmediziner, Philanthrop und Kulturförderer, hatte sein Leben Kindern in Afrika und insbeondere der bildenden Kunst gewidmet.

     Fast zwanzig Jahre arbeitete Rau als Kinderarzt in der Tradition eines Albert Schweitzer in Nigeria und im Kongo. Er gründete und finanzierte ein Hospital und eine Schule, versorgte Tausende von Kindern und ihre Eltern mit Medikamenten und Nahrungsmitteln.

 

Michiel Sweerts Das Atelier (Detail) | 1650 Arp Museum Bahnhof Rolandseck / Sammlung Rau für UNICEF | Foto: Mick Vincenz

 

Werkstatt des Meisters des Retabels in Lautern Hl. Barbara | ca. 1509 | Arp Museum Bahnhof Rolandseck / Sammlung Rau für UNICEF Foto: GRUPPE Köln, Hans G. Scheib

 

Sein Vermögen hatte der ehe- und kinderlose Sammler und Arzt - einziger Erbe der einst väterlichen Maschinenfabrik SWF im Badischen – in die Schweiz und nach Liechtenstein transferiert und dort mehrere humanitäre Stiftungen gegründet.

     Auch seine Kunstsammlung von rund 800 Stücken, in Jahrzehnten still und ohne Aufsehen zu einer Art „kleinem Louvre“ aufgebaut, lagerte in einem Zollfreilager am Züricher Flughafen. In einem jener allgemein als mysteriös und geheimnisvoll angesehenen unterirdischen Hightech-Tresorbunker für Hochwertiges, die es an mehreren ökonomischen und finanziellen Hotspots der Welt gibt (mehr).

Bethlehemitischer Kindermord Italien | ca. 1690 Arp Museum Bahnhof Rolandseck / Sammlung Rau für UNICEF | Foto: Mick Vincenz

 

Aus gesundheitlichen Gründen von Afrika wieder nach Europa zurückgekehrt, erlitt Rau an seinem Wohnsitz Monaco 1997 einen Schlaganfall. Mehrfach hatte er bereits seine Testamente geändert und damit unklare Erbverhältnisse ausgelöst.

     Um die zu erwartenden Hinterlassenschaften gab es schließlich Streit. Die Stiftungsvorstände in der Schweiz betrieben, teils mit Unterstützung von Raus Rechtsanwalt, der mit Vollmachten ausgestattet eine zwielichtige Rolle einnahm, den Siebzigjährigen für geschäftsunfähig zu erklären. Dies gelang. Damit erhielten die Stiftungen die Kontrolle auch über das Kunstkonvolut im Freihafen Zürich.

     Rau wurde wenige Jahre später von einem deutschen Gericht als geschäftsfähig erklärt und enterbte die Stiftungen zugunsten von UNICEF. Daraus resultierte über den Tod des Kunstförderers hinaus ein jahrelanger unrühmlicher Erbstreit zwischen den Stiftungen und der deutschen Sektion des Kinderhilfswerkes. Die Auseinandersetzungen waren so heftig, dass es gar zu diplomatischen Verstimmungen zwischen der Eidgenossenschaft und Deutschland kam. Im Jahre 2008 urteilte das zuständige Landgericht Konstanz, dass UNICEF die rechtmäßige Erbin der Sammlung Rau sei.
cpw


► Im Rahmen von Wechselausstellungen präsentiert das Arp Museum gemäß den Wünschen von Gustav Rau die Kunstwerke in der eigens dafür eingerichteten Kunstkammer Rau.


► Die erste große Ausstellung von über 100 Meisterwerken aus der Sammlung Rau zeigte das Musée du Luxembourg in Paris 2001. Die Schau wurde danach im selben Jahr auch in der Josef-Haubrich Kunsthalle in Köln präsentiert.


Die Ausstellung "Kunstkammer Rau. In Form! Skulptur und Plastik bis 1900" wird bis zum 30. Januar 2022 gezeigt.
Arp Museum Bahnhof Rolandseck
Hans-Arp-Allee 1
53424 Remagen
Tel 02228 – 9425-0
Öffnungszeiten (Bitte pandemiebedingt aktuell erfragen.)
DI – SO 11 – 18 Uhr


Es gelten die Hygiene- und Abstandregeln gemäß der aktuellen Corona-Bekämpfungsverordnung des Landes Rheinland-Pfalz bzw. die Bundesregelungen zur Notbremse.

 

 

 

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