rheinische ART
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rheinische ART 04/2022

Archiv 2022

KUNSTSAMMLER
„Ausdruck der Seele eines Volkes“

 

Es dürfte ein Highlight im Ausstellungsreigen der hiesigen Kunstszene in diesem Jahr sein: die Schau „Renoir, Monet, Gauguin – Bilder einer fließenden Welt“ im Museum Folkwang in Essen.

 

Vincent van Gogh La moisson, 1889, (Die Ernte, Kornfeld mit Schnitter) Öl auf Leinwand, 59,5 x 72,5 cm, © Museum Folkwang, Essen

 

Es ist sein hundertjähriges Bestehen am Standort Essen, dass das Museum Folkwang mit dieser Impressionisten-Ausstellung auf ganz besondere Weise feiert. Das Haus hat eine Auswahl an Spitzenwerken aus der Sammlung des National Museum of Western Art (NMWA) aus Tokio zu Gast und stellt sie zusammen mit Arbeiten aus der eigenen Sammlung aus.

 

Pierre-Auguste Renoir Lise – La femme à l‘ombrelle, 1867 (Lise mit dem Sonnenschirm) Öl auf Leinwand, 184 x 115,5 cm, © Museum Folkwang, Essen

 

Dem Besucher wird der Blick auf die überragenden Arbeiten von Künstlern wie unter anderen Pierre-Auguste Renoir, Pierre Bonnard, Paul Cézanne, Camille Corot, Maurice Denis, Paul Gauguin, Vincent van Gogh, Claude Monet, Paul Signac oder Auguste Rodin geboten. Allesamt Giganten der Kunstgeschichte und ihre Arbeiten sind nicht weniger als die Superlativen ihrer Epoche.

     Zudem ist die gebotene Fülle an Werken der impressionistischen Kunst, die den Aufbruch in die Moderne markieren - insgesamt sind es 119 Arbeiten, davon 45 aus Japan -, überwältigend.

 

Doch den Besucher erwartet mehr: Erzählt werden auch die Geschichten der Sammler Karl Ernst Osthaus (1874-1921) und Kojiro Matsukata (1866-1950), die diese außerordentlichen Konvolute zusammentrugen. Mit ihnen werden zwei Persönlichkeiten in den Fokus gerückt, deren Motivation und Leidenschaft, Kunst zu sammeln, erstaunliche Parallelen aufweisen.

 

Paul Signac Le Port de Saint-Tropez, 1901/02 (Der Hafen von Saint-Tropez), Öl auf Leinwand, 131 x 161,5 cm, The National Museum of Western Art, Tokyo (ehemals Museum Folkwang, Hagen/Essen) © NMWA

 

Ida Gerhardi Porträt Karl Ernst Osthaus, 1903, Öl auf Leinwand, 110 x 76,5 cm, Osthaus Museum, Hagen,
Foto © Achim Kukulies, Düsseldorf

 

Frank Brangwyn Portrait of Mr. Kojiro Matsukata, 1916, Öl auf Leinwand, 73,8 x 84 cm, The National Museum of Western Art, Tokyo. Ex-Matsukata Collection, Schenkung der Erben von Kojiro Matsukata 2017, Copyright © David Brangwyn

 

In Essen treten die beiden Sammler nicht nur in einen Dialog, sie begegnen sich auf Augenhöhe und dem Museum Folkwang gelingt es mit der gemeinsamen Präsentation, die eigene Sammlung in einem bedeutenden internationalen Zusammenhang aufzuzeigen.

     Was die Sammler hervorhebt ist, dass ihre Kunstsammlungen jeweils zu eigenen bedeutenden Museen geführt haben. Osthaus gründete das Folkwang Museum 1887 ursprünglich in seiner Heimatstadt Hagen, bevor Name und Sammlung nach seinem Ableben nach Essen gingen, wo 1922 das neue Museum gegründet wurde.

      Für die Matsukata-Sammlung errichtete der japanische Staat 1959 nach Plänen des Architekten Le Corbusier (mehr) das National Museum of Western Art in Tokio. Vielleicht sollte man noch betonen, dass es sich hier um Bestände handelte, 375 Werke an der Zahl, die von der französischen Regierung 1944 beschlagnahmt worden waren und erst gegen Ende der 1950er Jahre restituiert wurden. Insgesamt, so informiert das ausstellende Haus, umfasste die Sammlung Matsukata einmal um die 3000 Werke von 600 europäischen Künstlern und 8000 japanische Holzschnitte.


Beide Sammler entstammen einem industriellen Umfeld. Beide erwarben Medien- und Epochenübergreifend und interessierten sich für fremde Kulturen. Und beide sammelten Kunst, weil sie ihre eigenen Gesellschaften bereichern wollten. Osthaus gründete zum Museum die Folkwang-Schule, da er davon überzeugt war, dass das Leben positiv durch Kunst und Kultur zu fördern sei.

     Matsukata wiederum wünschte, dass die europäische Kultur in seinem Heimatland Japan bekannt werde. Japan hatte sich erst vor wenigen Jahrzehnten geöffnet, es kannte praktisch nur die eigene Kunst und Kultur. Und während die europäischen Künstler im 19. Jahrhundert fasziniert waren von der japanischen Kultur, die in vielfältigen Erscheinungsformen in Europa staunend aufgenommen wurde und zum Begriff „Japonismus“ führte, war der umgekehrte Vorgang eher ein schwaches Rinnsal. Japanische Künstler beklagten Matsukata gegenüber, dass es ihnen nicht möglich sei, die westliche Kunst zu studieren und kennenzulernen, während unzählige Holzschnitte das eigene Land gen Westen verließen.

     

Dieser Umstand war wohl mit ein Beweggrund für Matsukata, westliche Kunst zu sammeln. Darüber hinaus kaufte er in Europa hochqualitative japanische Holzschnitte auf und brachte so bedeutende Arbeiten der japanischen Kunst zurück in sein Heimatland, wo er sie der von seinem Vater ererbten Holzschnittsammlung zufügte. Für seine Kollektion westlicher Kunst beabsichtigte er, ein eigenes Haus in Tokio zu errichten. Mit der Planung beauftragte er den englischen Architekten Frank Brangwyn, dessen Museumsentwürfe in der Essener Schau ausgestellt sind.

 

Gustave Courbet La vague, um 1870 (Die Wogen), Öl auf Leinwand, 72,5 x 92,5 cm, The National Museum of Western Art, Tokyo. Matsukata Collection, © NMWA

 

Paul Gauguin Jeune fille à l‘éventail, 1902 (Mädchen mit Fächer), Öl auf Leinwand, 91,9 x 72,9 cm Museum Folkwang, Essen © Museum Folkwang

 

Auguste Rodin Le penseur, (Der Denker) 1881/82 (Guss: spätestens 1919) Bronze, 71,5 x 45 x 60 cm.
The National Museum of Western Art, Tokyo. Matsukata Collection Foto © Norihiro Ueno

 

Die Sammler pflegten engen Kontakt zu den Künstlern und besuchten diese in ihren Ateliers. Osthaus begann Ende des 19. Jahrhunderts moderne Kunst zu sammeln, Matsukata ungefähr ab 1916. Osthaus wurde von dem belgischen Architekten und Designer Henry van de Velde (mehr) beraten und besuchte die Avantgarde seiner Zeit.

     Matsukata unterhielt in England ein Netzwerk an Beratern, die für ihn einkauften, und konzentrierte den Sammlungsaufbau später in Brankwyns Händen. Zusammen besuchten sie Galerien und Künstler und tätigten in London bis 1918 mehr als 1000 Ankäufe im Bereich englischer Kunst, Alte Meister und Kunsthandwerk.

     In Frankreich war Léonce Bénédite, der zukünftige Direktor des entstehenden Musée Rodin in Paris sein wichtigster Ansprechpartner und sein Sammlungsfokus konzentrierte sich ab 1917 fortan auf Werke französischer Künstler. Die Avantgarde – die besuchte auch er. Und die hinterließ bei ihm einen nachhaltigen Eindruck.

     Noch im Alter dachte er, so ist es überliefert, sehnsüchtig an diese Ateliersbesuche und die gemeinsame Betrachtung der Kunst zurück. Kojiro Matsukata ist auch Titelgeber dieses Beitrages. Kunst und Kultur waren für ihn „Ausdruck und Seele eines Volkes“.
Irmgard Ruhs-Woitschützke

 

Die Ausstellung „Renoir, Monet, Gaugin – Bilder einer fließenden Welt“ ist bis zum 15. Mai 2022 zu sehen.
Museum Folkwang
Museumsplatz 1
45128 Essen
Tel. 0201 / 8845-444
Öffnungszeiten
DI, MI + SO 10 – 18 Uhr
DO + FR 10 – 20 Uhr


Im Anschluss an die Ausstellung im Museum Folkwang setzt das National Museum of Western Art die Gegenüberstellung der Sammlungen Osthaus und Matsukata mit einer Ausstellung zum Dialog zwischen Mensch und Natur in Tokio fort (4. Juni bis 11. September 2022). Mehr zum National Museum of Western Art (hier)


► Der reich bebilderte und mit außergewöhnlichen Informationen und Geschichten versehene Katalog „Renoir, Monet, Gauguin – Bilder einer fließenden Welt“ ist erschienen im
Hatje Cantz Verlag
ISBN: 978-3-7757-5127-8

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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