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rheinische ART 02/2021

Archiv 2021

RELIQUIEN

Ursula und das „Kölner Lächeln“

 

Nur wenige Gehminuten vom Kölner Dom entfernt befindet sich die romanische Kirche St. Ursula, eine der ältesten und mit ihrer barocken „Haube“ markantesten Landmarken in der Kölner Silhouette.

 

Im 17. Jahrhundert wurde der Innenraum der Kirche barockisiert und die Goldene Kammer eingerichtet. Es ist ein prächtig ausgestatteter Raum zur Aufbewahrung und Präsentation des ungewöhnlich reichen Reliquienschatzes. Foto © rheinische ART 2021

 

Regelrechte Touristenströme verirren sich – im Gegensatz zum Dom – eher seltener hierher. Dabei ist die ungewöhnliche Hauptsehenswürdigkeit der 900 Jahre alten Kirche kein Geheimnis: Ihre Goldene Kammer ist eines der größten Reliquiengemächer der Welt. Und ein Besuch darin deutlich intimer als eine Visite des Doms.

 

Exportschlager aus der Pilgerstadt Köln, vor allem für betuchte Käufer: Kunstvolle Büsten lächelnder Frauen mit Ursula-Reliquien unter der Schädelkalotte. Ihre Mimik gingen als „Kölner Lächeln“ in die Geschichte ein. Foto © rheinische ART 2021

 

Kultisch religiös verehrte Reliquienbüsten und Schädelreliquiare an einer Seitenwand in der Goldenen Kammer. Foto © rheinische ART 2021

 

Am Ursulaplatz lässt sich die kultische Verehrung frühchristlicher Märtyrerinnen bis in römische Zeit zurückverfolgen. Hier gab es schon um das Jahr 400 eine Basilika, die "heiligen Jungfrauen" gewidmet war, die an diesem Orte ihr Martyrium erlitten haben sollen.
     Betritt der Besucher die Kirche St. Ursula durch ihr Westportal und wendet sich direkt nach rechts, gelangt er zu einer beeindruckenden Stahltür, die dem Portal einer Schatzkammer alle Ehre macht. Und ein Schatz wird hier tatsächlich gehütet.

 

Der Eintritt ist überwältigend wie irritierend. Die Wände des kapellenhaften Raumes sind mit verzierten Regalen aus dunklem Holz bekleidet, in denen sich zahllose Reliquienbüsten und Schädelreliquiare verbergen. Die verbleibenden Wandflächen sind bis hoch zum Deckengewölbe mit mosaikartig angeordneten Menschenknochen verziert. Bei Sonneneinfall erstrahlt der Raum in goldenem Licht.
     Bei einer genauen Betrachtung ist zu erkennen, dass sich aus der Anordnung der Knochen Schriftzüge lesen lassen, etwa „S. Ursula pro nobis ora.“

     Die Erschaffer sind dabei durchaus kreativ gewesen. Zur besseren Lesbarkeit wurden die einzelnen Buchstaben aus starken Oberschenkelknochen geformt, den Hintergrund bildet ein Muster aus Rippen und zahlreichen kleinteiligen Knorpeln. Ursprünglich wurden die Gebeine für die sterblichen Überreste der berühmten Kölner Jungfrauen gehalten. Mittlerweile ist erwiesen, dass es sich um Relikte des ehemaligen Friedhofes handelt, der Sankt Ursula umgab.

     Makaber? Für den zeitgenössischen Besucher mit Sicherheit. Erschauern lag jedoch im Sinne der Erbauer, handelt es sich doch um einen Ort der Verehrung der „Heiligen Ursula von Köln“ und ihrer 11000 Jungfrauen.

 

Meister der kleinen Passion Das Martyrium der Heiligen Ursula vor der Stadt Köln, 1411-1414, Leiwand, 60 x 179 cm. Bildquelle Museen Köln Foto © Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud. WRM 0051


Dieser Gruppe
spätrömischer Märtyrerinnen war schon früh auf dem heutigen Kirchengelände ein spätantiker Memorialbau gewidmet. Der Legende nach waren es aber nur elf Gefährtinnen der bretonischen oder englischen Königstochter Ursula, die wie ihre Anführerin bei einem Hunnen-Angriff niedergemetzelt wurden. Mit seligen Gesichtern und zuversichtlich auf ein Leben im Himmel bauend sahen sie dem Tod entgegen, so die Überlieferung. Dies ging als „Kölner Lächeln“ in die Kirchengeschichte ein. Die Untat soll bei der Rückkehr der Damen von einer Rom-Wallfahrt vor den Toren Kölns geschehen sein.
     Die Zahl der frommen Frauen wuchs jedoch im Laufe der Zeit rasant an, wann immer im Kirchenareal gegraben, geborgen, gebaut wurde und dabei unzählige Gebeine zutage traten. Im damaligen Denken deuteten die Gläubigen die Funde gerne als Überreste jener vermeintlich 11000 Leidensgenossinnen. Die hohe Zahl beruhte aber wohl auf einem Lese- oder Schreibfehler.

     Wie auch immer: Die legendäre Ursula wurde letztlich „Titelheilige der Kirche und neben den Heiligen Drei Königen und dem hl. Gereon Stadtpatronin von Köln“, wie es in einer Erklärung heißt.

 

Meterhoch verzieren Knochen die Wände bis unter die Decke. Die Goldene Kammer in St. Ursula ist das größte kirchliche Beinhaus nördlich der Alpen. Foto © rheinische ART 2021

 

Die Goldene Kammer ist eine Schöpfung des Barock und zeigt sehr deutlich die für diese Epoche typische Kultivierung des Memento-Mori. Ihre Errichtung im Jahr 1643 muss vor dem Hintergrund des allgegenwärtigen Sterbens während des dreißigjährigen Krieges gesehen werden und nicht etwa aufgrund einer Pest oder anderen Seuche.
     Nördlich der Alpen ist die Zurschaustellung der Reliquien auf diese Weise einzigartig. Auch kunsthandwerklich ist die Ausschmückung der Goldenen Kammer bemerkenswert. Sie beinhaltet nicht nur die meisten sogenannten Ursulabüsten, typisch kölnische Reliquiare des hohen Mittelalters, sondern auch einige Kopfreliquiare von prominenter Herkunft, etwa aus der Werkstatt Peter Parlers.
rART/RMW

 

St. Ursula
Ursulaplatz 24
50668 Köln

Öffnungszeiten Kirche und Goldene Kammer

DI - SA 10.00 - 12.00 und 15.00 - 17.00 Uhr
SO 15.00 Uhr - 17.00 Uhr (auf Anfrage)

Während der Gottesdienste ist keine Besichtigung in der Basilika möglich, zum stillen Gebet sei jedoch selbstverständlich während der gesamten Öffnungszeiten eingeladen.
Die Anmeldung von Gruppenführungen durch die Basilika St. Ursula erfolgt über das Pfarrbüro St. Agnes:
Tel.: 0221 / 7880750
E-Mail: pfarrbuero(at)st-agnes(punkt)de
 

Die Goldene Kammer wird nur auf Anfrage geöffnet.

 

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