rheinische ART
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rheinische ART 12/2017

Archiv 2017

RHEINISCHE PILGERORTE
Das Gute liegt so nah

Das Pilgern und die Wallfahrtsziele erfreuen sich großer Beliebtheit. Werden doch damit Ruhe, Einsamkeit und ein Innehalten im hektischen Alltagsleben verbunden.

 

Pilgerort Bruder-Klaus-Kapelle Ein Platz für Menschen auf der Suche nach sich selbst: Die private Wallfahrtsstätte in Wachendorf wurde vom Landwirte-Ehepaar Scheidtweiler errichtet. Die Architektur stammt vom Schweizer Starbaumeister Peter Zumthor. Foto © rheinische ART. 2017

 

Seit 1976, dem Heiligen Jahr, hat vor allem der „Camino de Santiago“, der Jakobswegs, zum Pilgerort der Katherdale von Santiago de Compostela eine Renaissance erfahren.

     Was das Fußpilgern auf diesem Wallfahrtsweg durch Spanien bedeuten kann, gab Hape Kerkeling, bekannter Komödiant, Buchautor und Moderator, in seinem Erlebnisbericht unter dem Titel „Ich bin dann mal weg“ zum Besten – ein publizistischer Erfolg mit Millionenauflage.

 

Buchcover Das Motiv zeigt den Eingang der Bruder-Klaus-Kapelle Foto © Florian Monheim, Greven Verlag Köln 2017

 

Die Apollinariskirche Remagen, ein neugotisches Juwel des Baumeisters Ernst Friedrich Zwirner (mehr), beherbergt die Silberbüste des heiligen Apollinaris. Sie wird nur an Wallfahrtstagen hervorgeholt. Foto © Florian Monheim, Greven Verlag Köln 2017

 

Doch warum in die Ferne schweifen … „Sieh, das Gute liegt so nah“, wusste schon Goethe in seinen „Erinnerungen“ zu betonen. Und mit Blick auf den soeben veröffentlichten Bildband „Pilgerorte im Rheinland“ aus dem Kölner Greven Verlag ist man eher geneigt, sich einem Kommentar des rheinischen Politikers Wolfgang Bosbach anzuschließen - „Ich bleib dann mal hier“.
     Denn die prächtige Publikation macht neugiering auf heimische Stätten christlicher Verehrung, vor allem auf die, die allgemein eher lokal im Verborgenen existieren. Und in der Hinsicht lüftet der Bildband so manches Unbekannte und präsentiert einen erstaunlichen Reichtum an Pilgerstätten im Rheinland. 36 Orte der Heiligenverehrung - von Kevelaer bis Koblenz und von Aachen bis Essen - werden mit Bild und Text erfasst und spiegeln das gesamte Spektrum rheinischer Gnadenorte, wie der Verlag betont.
     „Dieses Buch zeigt, dass die jahrhundertealten christlichen Stätten noch heute eine große Anziehungskraft besitzen, egal, ob man gläubig ist oder nicht“, befand Bosbach bei der Vorstellung des Werkes.


Die Autoren beschreiben bekannte Klassiker des Pilgerwesens wie den Schrein der Heiligen Drei Könige im Kölner Dom, das Marienbildchen in Kevelaer, die Gebeine Karls des Großen im Aachener Münster, den wehrhaften Neusser Stadtpatron Quirinus oder die Sandale Jesu Christi in der Abteikirche von Prüm. Aber auch "kuriose Pilgerziele" wie etwa Kölns Kirche Sankt Ursula mit der Goldenen Kammer (mehr) und dem Kult der "wundersamen Reliquienver(m)ehrung".

 

Moderner Pilgerort Sankt Anna Düren. Der Schrein der heiligen Anna im Pilgerschiff der vom Architekten Rudolf Schwarz radikal modern umgebauten Kirche. Foto © Florian Monheim, Greven Verlag Köln 2017

 

Raum nehmen daneben jüngere Entwicklungen ein. So die als architektonische Meisterleistung gefeierte und mittlerweile international berühmte private Bruder-Klaus-Kapelle des Schweizer Baumeisters Peter Zumthor. Das "Pilgerziel wider Willen", wie es in der Publikation heißt, liegt in Wachendorf bei Mechernich am Pilgerweg Köln-Trier (mehr). Ein weiterer „moderner“ Pilgerort ist der Mitte der Fünfzigerjahre errichtete Neubau der Annakirche in Düren mit dem Mataré-Türgriff. Die historische Kirche und Wallfahrtsstätte war im Zweiten Weltkrieg völlig zerstört worden.
     Der Leser kann in dem Bildband eine ganz andere, spannendere Art von Regionalgeschichte sowie landschaftliche und architektonische Schönheit entdecken. Längst vergangene Vorstellungswelten mit fast märchenhaften wie magischen Zügen ziehen in den Bann. Selbst wer schon nach Santiago de Compostela gelaufen ist oder in den berühmten christlichen Wallfahrtszielen Rom oder Jerusalem war, wird vor der Vielfalt und Bedeutung der Pilgerorte des Rheinlandes hochachtungsvoll seinen (Pilger-)Hut ziehen.

 

Die Wallfahrtskirche Fraukirch in der Eifel, auch Genovevakirche genannt. Inmitten von Getreidefeldern erhebt sich die mittelalterliche Verehrungsstätte als Teil eines barocken Klosterhofes. Foto © Florian Monheim, Greven Verlag Köln 2017

 

Bonn Pützchen Vor St. Adelheid am Pützchen sprudelt bis heute die angeblich von der heiligen Adelheid mit ihrem Stab geschaffene wundertätige Quelle. Foto © Florian Monheim, Greven Verlag Köln 2017

 

In der Dorfkirche von Lüftelberg befindet sich heute eine schlichte Bodenplatte am Bestattungsort der heiligen Lüfthildis. Foto © Florian Monheim, Greven Verlag Köln 2017

 

Dem Autorenduo Jürgen Kaiser (Text) und Florian Monheim (Fotografie) gelang ein überaus lesen- und sehenswertes Sachbuch. Illustriert mit brillanten Kunst-, Reliquien-und Architekturfotografien.

     "Pilgerorte im Rheinland" ist weder ein traditioneller Wanderführer noch eine Westentaschenausgabe für Kreuzweg-Sucher, sondern eher ein fulminantes Nachschlagewerk, das die Atmosphäre der rheinischen Pilgerorte widerspiegelt und die dazugehörigen Geschichten von Lokalheiligtümern unterhaltend und kurzweilig erzählt.
     So etwa die Vita der Heiligen Jungfrau Lüfthildis von Lüftelberg - einem Örtchen bei Meckenheim -, die als „wunderthätige Schutzpatronin“ unter anderem von Gläubigen mit Ohrenleiden verehrt wird oder die regionale Sage der frommen Genoveva in Fraukirch.

     Die seit dem Mittelalter als Wallfahrtsort bekannte katholische St. Maria-Kirche bei Thür, auch Fraukirch genannt - eine der ältesten Kirchenbauten der Eifel - zeigt im Inneren unter anderem Darstellungen der Genovevasage, die zu den schönsten Legenden des Mittelalters gerechnet wird.

     „Pilgerorte im Rheinland“ verbindet gekonnt Kunst und Kult, Glaube und Aberglaube und nicht zuletzt Spiritualität und Kommerz - „…eine äußerst reizvolle Mischung“, so das Fazit von Wolfgang Bosbach.
rART/cpw

 

Literaturhinweis:
Pilgerorte im Rheinland
Jürgen Kaiser (Text)
Florian Monheim (Fotografien)
248 Seiten mit 222 farbigen Fotografien
Leinen mit Schutzumschlag | 24 × 31 cm
Greven Verlag Köln
ISBN 978-3-7743-0639-4 | 48 Euro


 

 

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