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rheinische ART 07/2017

Archiv 2017

BALENCIAGA IN LONDON
Mode als Kunst


Das große Victoria & Albert Museum (V&A) in London verneigt sich vor einem der größten Schneidermeister des 20. Jahrhunderts. Das Haus ehrt den spanischen Couturier Cristóbal Balenciaga mit einer Schau, die die Blütephase des Modeschöpfers spiegelt.

 

Hiro Wakabayashi Alberta Tiburzi in 'envelope' dress by Cristóbal Balenciaga (Ausschnitt). Photography by Hiro Wakabayashi for Harper's Bazaar, June 1967. © Hiro 1967 Fotoquelle Victoria & Albert Museum London 2017

 

Es gab jüngst mehrere Expositionen zum Wirken des baskischen Createurs, die Schau im V&A ist jedoch die erste Mode-Ausstellung über Cristóbal Balenciaga (1895-1972) in Großbritannien.

 

Cristóbal Balenciaga Silk taffeta evening dress, 1955, Paris, France. Museum no. T.427-1967. Foto © Victoria & Albert Museum, London 2017

 

Verborgene Strukturen eines ikonischen Balenciaga-Kleides aus der Sicht des Roentgenkünstlers Nick Veasey: Evening dress, Balenciaga, 1965. Museum no. T.435-1985. Foto © Victoria & Albert Museum, London. X-ray by Nick Veasey, 2016. © Nick Veasey.

 

Henri Cartier-Bresson Cristóbal Balenciaga at work, 1968, Paris, France. Photography © Henri Cartier-Bresson/ Magnum Photos. Fotoquelle Victoria & Albert Museum London 2017

 

Paco Rabanne Evening mini-dress 1967. Museum no. T.165:1 to 3-1983. Foto © Victoria & Albert Museum, London 2017

 

Sie titelt Balenciaga: Shaping Fashion (Gestaltung der Mode) und erinnert an den 100. Jahrestag der Eröffnung seines ersten Modehauses in San Sebastian sowie an die Einweihung des berühmten Pariser Balenciaga-Ateliers im Jahre 1937.

     Der damals 42-Jährige zeigte in jenem Jahr bereits eine Furore machende Haute Couture-Kollektion: alles in Schwarz, inspiriert von der spanischen Folklore. Schwarz, das war für Balenciaga stets eine lebendige Farbe und auf keinen Fall so etwas wie eine Begräbnis-Anmutung.

 

Die Ausstellung in London ist mit rund 100 Kleidungsstücken und 20 Hüten, sowie mit Skizzen, Fotografien und Stoffbeispielen reich ausgestattet. Sie erlaubt einen tiefen Einblick in die Handwerkskunst des gelernten Schneiders, der sich in der Spätphase seiner Karriere den Ruf eines der innovativsten und einflussreichsten Modeschöpfer des 20. Jahrhunderts erfreute.


Bemerkenswert: Im Gegensatz zu vielen anderen Couturiers verstand sich Cristóbal Balenciaga in excellenter Weise selbst auf das Handwerk mit Schere und Nadel und scheute sich nicht, bei missratenen Musterteilen selbst Hand an zu legen.

     So manches Kleid mit Mängeln, so wird immer wieder betont, habe er eigenhändig aufgetrennt und seinen Vorstellungen entsprechend wieder zusammengenäht - eigenhändig, versteht sich. Er war eben im wahrsten Sinne ein Meister seines Faches.

 

In London gibt es keine klassische Retrospektive zu sehen. Vielmehr hat sich die Kuratorin Cassie Davies-Strodder ausschließlich auf die Fünfziger- und Sechzigerjahre konzentriert. Es sind die zwei Jahrzehnte, in denen Balenciaga den Höhepunkt seiner Schaffenszeit erreichte und von der Riege der internationalen Modeschöpfer als „Erster unter Gleichen“ (primus inter pares) anerkannt wurde.
      Balenciaga war einer der einflussreichsten Modedesigner des 20. Jahrhunderts, „…verehrt von seinen Zeitgenossen, einschließlich Coco Chanel und Hubert de Givenchy“, so Davies-Strodder. Mit einer exquisiten Handwerkskunst, einer bahnbrechenden Verwendung von Stoffen und innovativem Schneidern setzte er ganz eigene Akzente in der Haute Cuture. 

     Die Ausstellung zeigt ferner die nachhaltige Wirkung auf die Kreationen all derer, die mit ihm arbeiteten oder bei ihm ausgebildet worden waren. So gilt Balenciaga als Vorbild und Inspirateur des Mode-Designers Paco Rabanne (*1934), dessen Mutter einst in Balenciagas Atelier "Première Main" (erste Schneiderin) war.

 

Balenciaga suit, fashion illustration This drawing was used for illustration in The Lady magazine in 1953 and 1954. Foto © Victoria & Albert Museum London 2017

 

 

Cristóbal Balenciaga Spiral silk hat, Balenciaga for Eisa, 1962, Spain. Museum no. T.146-1998. Foto © Victoria & Albert Museum, London 2017

 

Aus der Werkstatt des Mode-Maestros kam ab etwa 1950 Bekleidung, die von Jahr zu Jahr strenger und reduzierter wirkte, aber dennoch von höchster Eleganz war. Vieles wurde zu Klassikern.

     Es war Mode als Kunst, Haute Couture eben, mit völlig neuen Silhouetten und in einer geradezu sprachlos machenden Präzision. Dies revolutionierte die damalige Modewelt von Grund auf. Die Stars aus der Film- und Unterhaltungsindustrie verehrten den Spanier, um nicht zu sagen: sie himmelten ihn an. Größen wie Ava Gardner, Grace Kelly - die spätere Fürstin von Monaco - oder Audrey Hepburn gehörten zur Stammkundschaft.

     Balenciagas Kreationen wurden millionenfach fotografisch reproduziert, wenn Damen aus der Politik, wie etwa Jacqueline („Jackie“) Kennedy, sie zu allen möglichen Anlässen ausführten.

     Die Gattin des US-Präsidenten, damals zu einer der bestangezogenen Frauen der Welt gekürt, war es auch, die Balenciagas modischen Damenhut mit der wenig schmeichelhaften Bezeichnung „Pillbox“ populär machte. Der Pillbox-Hut, ein steifer, flacher, ovaler bis runder Hut ohne Krempe, ist bis heute ein modisches Accessoires geblieben.

     Andere Hautevolee-Mitglieder wie die Mode-Ikone Gloria Guinness oder die legendäre US-Philanthropin Mona von Bismarck ließen große Teile ihrer gesamten Garderobe, vom Ballkleid bis zur Gartenhose, von Balenciaga fertigen.

 

Das heutige Modehaus Balenciaga mit Sitz in Paris trifft offenbar nicht immer uneingeschränkt den Geschmack der Couture-Spezialisten. Karl Lagerfeld (mehr), deutschstämmiger Modezar mit Kultcharakter und ebenfalls in Paris ansässig, ist als Spötter bekannt. Blumenmuster sind modisch für ihn offenbar ähnlich verheerend wie Jogginghosen. Über das Mode-Label Balenciaga, das Florales in einer Kollektions-Schau dem staunenden Publikum vorführte, kam des Meisters Urteil ebenso knapp wie hart hernieder: „Blumenmuster sind für übergewichtige Muttis.“
cpw


Die Ausstellung „Balenciaga. Shaping fashion“ wird bis zum 18. Februar 2018 gezeigt.
Victoria & Albert Museum
Cromwell Rd, Knightsbridge,
London SW7 2RL,
Vereinigtes Königreich
Tel +44 20 7942 2000
Öffnungszeiten
MO - SO 10 – 17.45 Uhr
FR 10 – 22 Uhr

 

 

 

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