rheinische ART
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rheinische ART 12/2017

Archiv 2017

JACOPO TINTORETTO
Der dreiste Maler

 

An markanten Attributen fehlte es nie: arbeitswütig, dynamisch, aufmüpfig, aber auch genial, kühn, modern. Der Venezianer Tintoretto (1518/19-1594) gehörte zu den produktivsten und einflussreichsten Künstlern aller Zeiten.

 

Jacopo Tintoretto Die Bekehrung des Saulus, 1538/39, Öl auf Leinwand, 152 x 236 cm, National Gallery of Art, Samuel H. Kress Collection, Washington. Foto: © National Gallery of Art, Washington, Fotoquelle Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud 2017

 

Um das zu sehen, was das Kölner Wallraf-Richartz-Museum derzeit präsentiert, muss man üblicherweise weit reisen. Das Haus leitet zum anstehenden 500. Geburtstag des wichtigsten Malers der Spätrenaissance mit der Sonderschau „Tintoretto – A Star was born“ den internationalen Jubiläumsparcour ein. Es ist eine große Ausstellung in Köln, die sich ausschließlich mit Tintorettos Frühwerk beschäftigt – und eine Seltenheit, nicht nur am Rhein.

     Denn die letzte große Werkschau fand vor zehn Jahren im Prado in Madrid statt. Davor war der große Bildererzähler außerhalb Venedigs, wo 1937 seine Werke in einer Ausstellung gezeigt wurden, sage und schreibe 70 Jahre lang nirgendwo in Gänze zu sehen.

 

Jacopo Tintoretto Liebeslabyrinth, um 1538 und um 1552, Öl auf Leinwand, 147 x 200 cm, Royal Collection Trust/© Her Majesty Queen Elizabeth II Foto: © Her Majesty Queen Elizabeth II, Fotoquelle Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud 2017

 

Das Wallraf bietet den Besuchern nicht nur weltberühmte Werke des jungen, malwütigen und einfallsreichen Tintoretto, sondern nach eigenen Angaben auch brandneue Forschungsergebnisse.

     So fand Kurator Roland Krischel unter anderem heraus, dass ein großes und rätselhaftes Gemälde aus der Sammlung der britischen Königin nicht etwa von einem flämischen Maler stammt, sondern vom jungen Tintoretto. In Köln wird das Gemälde „Liebeslabyrinth“ der Royal Collection erstmals im Dialog mit gleichzeitig entstandenen Meisterwerken des Italieners ausgestellt.

 

Jacopo Tintoretto Selbstporträt, um 1547, Öl auf Leinwand, 45 x 38 cm, Philadelphia Museum of Art. Foto: © Philadelphia Museum of Art, Fotoquelle Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud 2017

 

Jacopo Tintoretto Deukalion und Pyrrha beten vor der Statue der Göttin Themis, 1541/42, Öl auf Holz, 127 x 124 cm, Gallerie Estensi, Modena. Foto: © Paolo Terzi Fotoquelle Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud 2017

 

Jacopo Tintoretto wurde 1518 oder 1519 in Venedig als Sohn eines Färbers geboren - auf ein präzises Geburtsdatum hat sich die Forschung bisher nicht einigen können.

     Ähnlich ist es mit seinem Namen. Dass nicht nur italienisch lieblich klingende Tintoretto, übersetzt „Färberlein“, abgeleitet von der väterlichen Profession, behielt er lebenslang. Sein wirklicher Name war lange unklar. Die Variante Jacopo Robusti in Anlehnung an den Ehrennamen seines Vaters ist eine bekannte Bezeichnung. Eine neuere lautet der kunsthistorischen Forschung zufolge Jacopo Comin nach dem wahrscheinlichen Familienname.


Ohne Rücksicht
auf sein finanzielles Auskommen und getrieben von unbändigem Ehrgeiz malte der junge Jacopo Comin, also Tintoretto, wie ein Besessener.

     Er verwandelte die Kirchen, Häuser und Paläste seiner Heimatstadt Venedig mit traumhaften Parallelwelten, bevölkert von Mensch und Tier: riesige Leinwände voller Zeichen und Wunder, historischer Begebenheiten und Visionen - darunter das kolossale „Paradies“ aus dem Dogenpalast, eines der größten je gemalten Ölbilder.


Was ihn so gnadenlos antrieb, macht ein Blick auf das zeitgenössische Künstlerumfeld deutlich. Tintoretto lebte und arbeitete im Spannungsfeld dreier Künstlergiganten: dem Hauptmeister der italienischen Hochrenaissance, Tizian, dem Neuerer und Perfektionisten Michelangelo und dem großen Maler Paolo Veronese. Sich in diesem hochrangig besetzten Kunstbetrieb einen Platz zu sichern, war außerordentlich schwer.

 


Jacopo Tintoretto Der heilige Ludwig, der heilige Georg und die Prinzessin, 1551, Öl auf Leinwand, 230 x 150 cm, Gallerie dell'Accademia, Venedig. Foto: © bpk / Scala - courtesy of the Ministero Beni e Att. Culturali, Fotoquelle Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud 2017

 

Rastloses Arbeiten, hohes Tempo und die geschickte Aneignung erfolgreicher Konzepte dieser Konkurrenten - bei denen er sich durchaus keck, wenn nicht gar frech, bediente - waren die eigentlichen Erfolgshebel.

     Es konnte nie verwundern, dass Tintoretto so von Anfang an Kritik auf sich zog. Seine Auflehnung gegen die malerischen Normen, der naturalistische Stil, die Effekthascherei und die eine und andere Komik in seinen Bildern wurden ihm vorgeworfen.

     Er wurde aber auch geliebt. Zeitgenossen bejubelten seine kühnen malerischen Erfindungen, die ungewöhnlichen Kompositionen und den bravurösen Stil. Der Rebell hatte bereits zu Lebzeiten den Nimbus, einer der dreistesten Maler zu sein.
     Schon in seinem Frühwerk, so die Wallraf-Kuratoren, zeigte Tintoretto das, was ihm ungeheuren Applaus einbrachte: seine unnachahmliche Erzählkunst. Rund 400 Jahre später nannte ihn der französische Philosoph und Romancier Jean-Paul Sartre anerkennend den „ersten Filmregisseurs“ der Welt.
     Und wie kein anderer venezianische Maler reflektierte Tintoretto die Lebenswirklichkeit in der Lagunenstadt. Auf durchaus riskante Weise spiegelte er dabei auch die sozialen und religiösen Spannungen seiner Zeit. So zeugen seine Bilder vom Glanz und Elend einer dahinsiechenden Großmacht, die ihre weltpolitische Rolle einbüßt.

 

Jacopo Tintoretto Joseph und Potiphars Weib, Öl auf Leinwand, 54 x 117 cm, Museo Nacional del Prado, Madrid. Foto: © Museo Nacional del Prado. Madrid Fotoquelle Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud 2017

 

Religiöse, allegorische, erotische Gemälde sowie Porträts des jungen Tintoretto kommen in der Kölner Ausstellung nicht nur erstmals zusammen, sondern begegnen auch verwandten Werken seiner künstlerischen Vorbilder und Konkurrenten wie zum Beispiel Andrea Schiavone und Paris Bordone.

     Ausgewählte Zeichnungen, Druckgraphiken und Skulpturen verdeutlichen darüber hinaus den weiten kulturellen Horizont des aufstrebenden Malers. Aber obwohl er nach Tizians Tod als dessen Nachfolger angesehen wurde, starb er selbst so gut wie mittellos. Einst selbst ein „Moderner“, wurde Tintoretto zum zeitlosen Vorbild und blieb es bis heute.
K2M


Nach der Ausstellung in Köln wechselt die Kollektion zu Frankreichs ältestem Museum, dem Musée du Luxembourg in Paris.

 

Die Ausstellung „Tintoretto - A Star was born“ wird bis zum 28. Januar 2018 gezeigt.
Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud
Obermarspforten 40
Am Kölner Rathaus
50667 Köln
Tel. 0221 / 221 - 211 19
Öffnungszeiten
DI – SO 10 – 18 Uhr

 

 

 

 

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