Archiv 2017
DEUTSCHE JAGDSZENEN
Röhrender Hirsch im Tann
Zu den ältesten bildlichen Motiven in der Kunstgeschichte gehören Jagd-Darstellungen. Über Jahrhunderte hinweg hat das bewegte Treiben der Waidleute auf Feldern und in Wäldern den Blick der Künstler, vor allem der Maler, gefesselt. Gibt es Unterschiede in den künstlerischen Abbildungen zu diesem Genre in Frankreich und Deutschland?
Ferdinand von Rayski Jagdgesellschaft im Wermsdorfer Wald (Halte de chasse dans la fôret de Wermsdorf) 1850, Öl auf Leinwand, 114 x 163 cm; Foto © Musée de la Chasse et de la Nature, Paris-DR 2016 |
Sind etwa in Deutschland die Wälder dunkler und geheimnisvoller, die Hirsche mächtiger oder die Jagdreviere wilder als in Frankreich?
Ferdinand von Rayski Hase im Schnee (Lièvre dans la neige) 1875, Öl auf Leinwand, 80,5 x 97 cm, Staatliche Kunstsammlungen Dresden–Galerie Neue Meister, Photo © BPK, Berlin, Dist. RMN-Grand Palais/Hans-Peter Klut; Fotoquelle Musée de la Chasse et de la Nature, Paris- DR 2016
Max Liebermann Der Jäger und seine Hunde (Le chasseur et sa meut) 1913, Öl auf Leinwand, 71 x 89,3 cm, Solothurn, Kunstmuseum © SIK-ISEA, Zürich, Photo Philipp Hitz; Fotoquelle Musée de la Chasse et de la Nature, Paris–DR 2016
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Jagdkultur Die Thematik ist ungewöhnlich für ein französisches Ausstellungshaus, hätte allerdings keine bessere Schau-Plattform erhalten können. Denn das Museum der Jagd und der Natur in Paris ist das führende Spezialmuseum dieser Art in Frankreich, exquisit, innovativ und - gut besucht (mehr).
Das Hauptziel dieser Ausstellung, die nur Künstler aus dem deutschsprachigen Kulturraum zeigt: Die Gemälde sollen die spezifische Art verdeutlichen, mit der bildnerische Jagdszenen geschaffen wurden. Denn die besonders reichhaltige künstlerische Produktion hierzulande ist dem französischen Publikum weitgehend unbekannt.
Im ersten Teil der Ausstellung wird der Zeitraum von 1830 bis 1914 gespiegelt. Annähernd 100 bedeutende Werke wurden aus diversen Museen in Deutschland und der Schweiz zusammengetragen. Darunter befinden sich Arbeiten so namhafter Künstler wie der Impressionist Max Liebermann, der Realismus-Vertreter Wilhelm Leibl oder der berühmte Jagd- und Tiermaler Johann Christian Kröner.
Kröner (1838-1911) kam mit 24 Jahren an die Düsseldorfer Malerschule und war Mitglied im Düsseldorfer Künstlerverein Malkasten. Er galt um die Jahrhundertwende als der herausragende Tiermaler im rheinischen Raum. Selber Waidmann verstand er sich besonders darauf, dramatische Momente zwischen Jägern und gejagtem Wild auf die Leinwand zu bringen.
Johann Christian Kröner Hirsche am Brocken (Scène de brame au Brocken) 1885, Öl auf Leinwand, 123 x 178 cm, Leipzig, Museum der bildenden Künste © Museum der bildenden Künste Leipzig, Foto InGestalt Michael Ehritt; Fotoquelle Musée de la Chasse et de la Nature, Paris–DR 2016 |
Joseph Anton Koch Landschaft nach dem Sturm (Paysage après l'orage) um 1830, Öl auf Leinwand, 75,7 x 103 cm, Staatsgalerie Stuttgart © BPK, Berlin, Dist. RMN-Grand Palais/Foto Staatsgalerie Stuttgart; Fotoquelle Musée de la Chasse et de la Nature, Paris–DR 2016
Wilhelm Leibl, Johann Sperl Birkhuhnjäger (Le chasseur de tétras-lyre) 1893, Öl auf Leinwand, 60 x 80 cm © Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg; Fotoquelle Musée de la Chasse et de la Nature, Paris–DR 2016
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Um 1830 war die deutsche Jagdmalerei zunächst eine Malerei der romantischen Szenerien, die als Staffage für prachtvolle Landschaftsbilder genutzt wurden. Es war eine Phase vielfältiger Bildproduktion, in der die Geselligkeit von Jagdfreunden, der Stolz der Jäger sowie die zur Schau gestellte Kraft des Wildes thematisiert wurden.
Gleichzeitig lieferten die Künstler dieses Zeitraums jene Kunstwerke, aus denen später zahlreiche romantisierte Wald- und Wiesenmotive wie etwa das des röhrenden Hirsches stammen, heute im deutschen Kulturraum bekanntlich ein Synonym für Kitsch. Es war, wenn man so will, die Vorstufe zum stolzen Hirsch über dem Wohnzimmer-Sofa, der irgendwann die Wand dann auch noch in gestickter Form heimsuchte.
Jagdmotive schätzten auch viele andere, so wie der Kölner Wilhelm Leibl (1844-1900), der 1870 in München den sogenannten Leibl-Kreis gründete, eine Vereinigung gleichgesinnter Maler des Realismus. Leibl blieb auch in den Jagdbildern seinem eigentlichen Stil treu. Der Rheinländer war ein Menschendarsteller (mehr) und malte die Jäger realistisch, ohne Idylle und genrehaften Posen.
Viele Maler gingen eigene Wege, so zum Beispiel die Anhänger des in Frankreich von Gustave Courbet (mehr) entwickelten Realismus oder die Künstler des Leibl-Kreises, die sich durch ihre starke und originelle Ausdrucksform auszeichneten.
Richard Friese Hirschkampf (Combat de cerfs) 1906, Öl auf Leinwand, 100 x 170 cm, © Stiftung Dome und Schlösser in Sachsen-Anhalt, Jagdschloss Letzlingen, Foto N. Perner; Fotoquelle Musée de la Chasse et de la Nature, Paris–DR 2016 |
In der europäischen Malerei generell waren, trotz regionaler Unterschiede, über Jahrhunderte die Gemälde mit Jagdszenen vielfach typische Prestige- und Repräsentationsobjekte in hochherrschaftlichen Häusern und in den Wohnstuben der wohlhabenden Bürger. Zeitweise wurden sie gerne mit mythologischem Inhalt – etwa der jagenden Göttin Diana – aufgeladen. Teils ging die Jagdmalerei fließend in die reine Tiermalerei über, zum Beispiel in Form von Jagdhund-Darstellungen. Die Grenzen zwischen beiden Motivgruppen blieben fließend. Einer der brillantesten Vertreter dieser Kunst war der französische Barockmaler Jean Baptiste Oudry (1686 - 1755).
Es gab in Europa zahlreiche großen Namen, die sich des Themas Jagd im weiteren Sinne annahmen. Erinnert sei hier an Peter Paul Rubens und seine phantasievoll mythologischen und exotischen Szenerien („Löwenjagd“), an Carl Spitzweg („Jagdunglück“) oder an den Flamen Frans Snyders („Hirschjagd“), dessen realistische Auftragsmalerei mit Still- und Tierleben wie Jagden, Wildbret und Geflügel, berühmt waren.
Georg Baselitz Von Wermsdorf nach Ekely (De Wermsdorf à Ekely) (Remix) 2006, Öl auf Leinwand, 300 x 250 cm, Privatsammlung, © Georg Baselitz 2016 Fotoquelle Musée de la Chasse et de la Nature, D.R. 2016
Georg Baselitz Der Jäger (Le chasseur) (Remix) 2008, Öl auf Leinwand, 250 x 200 cm, Privatsammlung © Georg Baselitz 2016, Fotoquelle Musée de la Chasse et de la Nature, Paris–DR 2016 |
Der zweite Teil der Ausstellung ist dem sächsischen Maler Ferdinand von Rayski (1806-1890) gewidmet, einem der bedeutendsten Repräsentanten der Dresdner Schule, und dem zeitgenössischen Künstler Georg Baselitz (*1938).
Von Rayskis Gemälde "Jagdgesellschaft im Wermsdorfer Wald" (Bild oben), das er im Auftrag des sächsischen Hofes schuf, wurde vor Kurzem vom Musée de la Chasse et de la Nature erworben.
Das Gemälde hat eine wichtige Rolle im Schaffen des Malers Georg Baselitz gespielt. Denn Baselitz hat Rayskis vorherige Studie zu diesem Werk von 1895, ("Wermsdorfer Wald", Staatliche Kunstsammlungen Dresden), die ebenfalls in Paris ausgestellt ist, in mehreren seiner Arbeiten zitiert. Es war das Werk, das ihn 1969 zu seinem Gemälde „Der Wald auf dem Kopf“ inspirierte; dies war die erste Arbeit von Baselitz, bei der er das Motiv umdrehte.
Die Persönlichkeit und das Werk Rayskis, so wird es heute gesehen, haben Baselitz’ Arbeiten vom Frühwerk bis heute begleitet. So auch in dem Gemälde „Von Wermsdorf nach Ekely (Remix)“ von 2006. Die in Oslo liegende Künstlerkolonie Ekely war Edvard Munchs letzter Wohnsitz. Die Ausstellung bietet somit in diesem zweiten Teil einen Dialog zwischen zwei Künstlern verschiedener Epochen und verschiedener Temperamente, für die das Genre Jagd und Tierwelt zur Inspirationsquelle geworden ist.
K2M
Die Ausstellung „Jagdszenen in Deutschland, Rayski/Baselitz“ (Scènes de chasse en Allemagne, Rayski/Baselitz) wird bis zum 12. Februar 2017 gezeigt.
Musée de la Chasse et de la Nature
Hôtel de Guénégaud
60-62, rue des Archives
75003 Paris
Tel +33 (0) 1 53 01 92 40
Öffnungszeiten
DI, DO, FR, SA, SO 11 – 18 Uhr
MI 11 – 21.30 Uhr