rheinische ART
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rheinische ART 04/2017

Archiv 2017

BLUT UND TRÄNEN
Albrecht Bouts und das Antlitz der Passion

 

Vom Weinen gerötete Augen und Tränen, die über die Wangen rollen – eindrücklich wie kaum ein anderer Künstler vermochte Albrecht Bouts das Leid der Muttergottes und die Leiden Christi darzustellen. Seine Andachtsbilder waren um 1500 sehr begeht. Dass er sie in Serie kopieren ließ, machte ihn zu einem wohlhabenden Mann.

 

Albrecht Bouts Triptychon mit Christus mit Dornenkrone und zwei Engeln mit Leidenswerkzeugen, um 1495, Eiche, 57,2 x 37,2 cm, Foto: Privatsammlung / Guillaume Benoit, Paris

 

Bislang trat er hinter seinen berühmten Vater Dirk zurück. Doch jetzt widmet ihm das Suermond-Ludwig-Museum in Aachen eine erste Werkschau. Insgesamt 280 Werke einschließlich der Werkstattarbeiten werden Albrecht Bouts heute zugeschrieben. Sie sind über die ganze Welt verteilt und in großen Museen in Berlin, Brüssel, London oder Madrid zu finden.

     Albrecht Bouts tat das, was viele Künstler seit dem Mittelalter machten, und was Lucas Cranach viele hundert Kilometer entfernt zur Meisterschaft führen sollte: Er ließ Bilder von den Mitarbeitern seiner Werkstatt in Serie anfertigen, um sie auf dem freien Markt zu verkaufen. Sein Geschäftssinn machte Albrecht Bouts zu einem vermögenden Mann, er war sozial anerkannt und in mehreren Vereinen und Bruderschaften engagiert.

 

 

Albrecht Bouts Mater dolorosa (oben), Christus mit Dornenkrone (unten), um 1495-1500, Eiche, 25,6 x 37,5 (Christus) und 25,6 x 37,3 cm (Mater dolorosa), Foto: Luxemburg, Musée National d`Histoire et d`Art / Tom Lucas

 

 

Den Grundstein für seinen beruflichen Erfolg hatte zuvor sein Vater Dirk Bouts d.Ä. (1415-1475) gelegt, der vermutlich aus Haarlem stammte, sich im flämischen Leuven niederließ und Andachtstafeln, Stifterporträts und Altarbilder malte. Seine Söhne Dirk d.J. (1448-1491) und Albrecht (1451/55-1549) traten in seine Fußstapfen und wurden ebenfalls Maler. Als Dirk d.J. 1491 starb, übernahm Albrecht die florierende Werkstatt und verlegte sich auf die Massenproduktion einiger weniger Andachtsbilder, die die Werkstattarbeit bestimmten.

     Dabei kopierte er zunächst die Bildschöpfungen seines berühmten Vaters, um später auch eigene Kompositionen zu entwickeln. Die kleinformatigen und nahsichtig konzipierten Passionsbildnisse erfreuten sich großer Beliebtheit. Denn damals gab es mit der Devotio moderna eine religiöse Erneuerungsbewegung innerhalb der spätmittelalterlichen Kirche, die – verkürzt formuliert - in einer persönlichen und innerlichen Frömmigkeit darauf abzielte, mit Christus im privaten Kontext mitzuleiden. Hier bewies Albrecht Bouts viel Geschäftssinn, als er die Zeichen der Zeit erkannte und mit seinen Kopien den Markt bediente.

 

Albrecht Bouts Johannesschüssel, um 1495-1500, Pappel, Ø 28,3 cm, Foto: New York, The Metropolitan Museum of Art, Bequest of Rupert L. Joseph, 1959 / 60.55.2

 

Während die Kompositionen seines Vaters den dornenbekrönten Christus als Brustausschnitt und die mater dolorosa zeigen, schuf Albrecht Bouts später mehrere eigene Passionsbilder von Christus mit der Dornenkrone, die ikonographisch sowohl den Schmerzensmann mit den Wundmalen als auch den Ecco homo-Christus umfassten. Noch eine Werkgruppe, die sich ebenfalls auf seinen Vater zurückführen lässt, gehörte zum Repertoire der Werkstatt: die Johannesschüssel. Diese als Tondi konzipierten Gemälde zeigen in drastischer Illusionistik das abgeschlagene Haupt Johannes des Täufers auf einer Schale. Dass dieser Bildtypus nicht aufgehängt, sondern wie eine Schale gelegt wurde, erhöhte nur den realistischen Eindruck des Werks.

 

Doch Albrecht Bouts allein auf die Andachtsbilder zu reduzieren, würde ihm nicht gerecht. Er ging zunächst bei seinem Vater in die Lehre, um sich später bei Hugo van der Goes (um 1420-1482) weiterzubilden, der sich unweit von Leuven in Auderghem niedergelassen hatte. Er fertigte mehrere Auftragsarbeiten an, darunter das Triptychon der Himmelfahrt Mariens (Brüssel, Königliche Museen) und eine Verkündigung in der Alten Pinakothek in München. Beide Werke zeugen davon, dass Albrecht um 1500 zu einem persönlichen Stil gefunden hatte, der jenseits der Generation seines Vaters die künstlerischen und maltechnischen Neuerungen des beginnenden 16. Jahrhunderts widerspiegelte.
     Valentine Henderiks, die auch die aktuelle Ausstellung konzipierte, hat das in ihrer Dissertation über Albrecht Bouts hervorgehoben. Danach fokussierte sich Albrecht darauf, die Physiognomien feiner zu modellieren, und er entwickelte einen zunehmend atmosphärischen Gesamteindruck und bis in die Tiefe des Raums hinein eine kleinteilige Malweise.

 

Albrecht Bouts Selbstbildnis als memento mori, um 1523, Eiche, 42,6 x 33 cm, Foto: Sibiu / Hermannstadt, Nationalmuseum Brukenthal

 

Vielleicht ist es sein 70. Geburtstag gewesen, der ihn zu seinem Selbstporträt veranlasst hat, das um 1523 datiert wird und erst kürzlich entdeckt wurde (Brukenthal Museum, Hermannstadt). Albrecht Bouts präsentiert sich im pelzbesetzten Umhang als wohlhabend. Mit seiner Linken weist er auf einen Totenkopf, den er in seinen Pelzmantel einhüllt, und erinnert damit nicht nur an die Gewissheit des Todes, sondern auch an die Vergänglichkeit seines irdischen Reichtums.

 

Die Ausstellung Dass sich die Betrachter von heute bei Weitem nicht so intensiv auf die Leiden Christi einlassen können wie die Gläubigen des 16. Jahrhunderts, ist den Kuratoren Dagmar Preising und Peter von den Brink durchaus bewusst. Deshalb haben sie sich eine besondere Inszenierung ausgedacht: Sie präsentieren die Gemälde in einem dunklen Raum, aus dem sie als Solitäre, wie Lichtinseln gleichsam, herausstrahlen, um ihre mystische Aura zurückzuerlangen. Untermalt wird die Ausstellung mit klassischer Musik. Einen zeitgenössischen Kommentar zur Passionsthematik liefert Bill Viola mit seinem Video „Study for Emergence“ aus dem Jahre 2002, das die Präsentation ergänzt.

 

 Die Kuratoren haben 48 Werke zusammengetragen, die die Bandbreite Bouts Schaffens verdeutlichen, sich aber hauptsächlich auf die berühmten Andachtsbilder und den Kopf Johannes des Täufers konzentrieren. Die Auswahl wird ergänzt durch Werke seines Vaters Dirk Bouts d.Ä. und von Hans Memling und Colijn de Coter (um 1460-1510), um mit ihnen andere Kunstzentren wie Brügge und Brüssel zu bedienen.
Marion Lisken-Pruss

 

Die Ausstellung „Blut und Tränen. Albrecht Bouts und das Antlitz der Passion“ ist noch bis zum
11. Juni 2017 zu sehen.
Suermondt-Ludwig-Museum
Wilhelmstraße 18
52070 Aachen
Tel. 0241 / 47980-40
Öffnungszeiten
DI - SO 10 - 17 Uhr
Ostermontag geschlossen

 

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