Archiv 2017
POP ART, AMERIKANISCH
Farbengewitter
Raum ist sein Ding. Und Farbe. Der amerikanische Pop Art-Künstler James Rosenquist ergießt wahre Farbtornados über seine Gemälde. Ausufernd, mächtig, gewaltig und vor allem: groß.
James Rosenquist The Stowaway Peers Out at the Speed of Light (Der blinde Passagier späht bei Lichtgeschwindigkeit nach draußen), 2000, Öl auf Leinwand, 520,7 × 1402,1 cm, Estate of James Rosenquist, Art: © Estate of James Rosenquist/VG Bild-Kunst, Bonn 2017, Foto: Courtesy of the Estate of James Rosenquist |
Es ist das Museum Ludwig in Köln, das mit der Ausstellung „Eintauchen ins Bild“ James Rosenquist (1933 – 2017) Reverenz erweist. Rosenquist selbst, so heißt es, habe Konzept und Werksauswahl noch autorisiert und mitgestaltet. Dass er die Schau in ihrem, fast darf man sagen: monumentalem Format, nicht mehr erleben durfte, ist dem Schicksal geschuldet. James Rosenquist verstarb am 31. März 2017.
James Rosenquist Untitled (Joan Crawford says…), Ohne Titel (Joan Crawford sagt…), 1964, Öl auf Leinwand, 242 × 196 cm, Museum Ludwig, Köln, Art: © Estate of James Rosenquist/VG Bild-Kunst, Bonn, 2017, Foto: Courtesy of the Estate of James Rosenquist
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Pop Art – das bedeutet die Konzentration auf das Sujet Konsum und Konsumkultur und die Beschäftigung mit gesellschaftlichen und politischen Ereignissen. So ist es auch bei Rosenquist. Die Kölner Schau zeigt die faszinierende Auseinandersetzung des Künstlers mit seiner Zeit. Quellen seiner teils surrealen Bildfindung waren hunderte der berühmten amerikanischen Life-Magazine. Rosenquist, der als gelernter Plakatmaler Größe bei seinen Werken wahrlich nicht scheute, collagierte seine Werke experimentell in „klein“ vor. In Köln widmen sich die Kuratoren Yilmaz Dziewior und Stephan Diederich deshalb nicht ausschließlich den Gemälden, sondern auch der Arbeitsweise des Künstlers. Es ist ein spannendes Detail dieser Schau, weil es dem Besucher seltene Einblicke in eine Kreativwerkstatt erlaubt.
Vor einem Monumentalgemälde von Rosenquist zu stehen – so misst eines der Hauptwerke, das Gemälde „The Swimmer in the Econo-mist“ 27 Meter -, bedeutet für den Betrachter, Ausschnitte eines großen Ganzen zu sehen. Viele seiner Arbeiten sind zu groß, als dass sie aus der Nähe blicktechnisch erfassbar wären. So richtet sich die Aufmerksamkeit auf einzelne Sequenzen oder Szenen im Bild, die beim Abschreiten der Gemälde an Wucht noch gewinnen.
James Rosenquist bei der Arbeit an Star Thief (Sternenräuber), 1980, Art: © Estate of James Rosenquist/VG Bild-Kunst, Bonn 2017, Foto: © Estate of Bob Adelman/VG Bild-Kunst, Bonn 2017 |
Stephan Diederich machte bei einer Präsentation darauf aufmerksam, dass Rosenquist sehr gut mit der Menschen Art zu Schauen umzugehen verstand. Nicht allein das, was der Mensch „im Auge hat“, bestimme seine Wahrnehmung, sondern ebenso das, was sich in seinen äußersten Blickwinkeln befinde. In der Folge darf sich der Betrachter von wüsten Farbengewittern, vorlagentechnisch in verspiegelten Röhren, vielleicht einem Kaleidoskop, entstanden, getrieben und – im Längenverlauf der Gemälde - von einer „Motivflut“ überwältigt fühlen. Was die abgebildeten Dinge so manchesmal miteinander zu tun haben, sei anheimgestellt. Oder was bringt Dübelbohrer und Lippenstifte zusammen? Oder der mit Bauchspeck gepflasterte Weg einer offensichtlichen Rakete, wie in „Star Thief“ (Sternenräuber), der in das sternenreiche Universum führt? Rosenquist selbst sagte, seine Motivwahl geschehe intuitiv. Man darf es ihm glauben.
James Rosenquist Forest Rangers (Waldhüter), 1967, Öl auf geschlitztem und in Form geschnittenem Mylar, Schenkung Ludwig 1976 © Museum Ludwig, Foto rheinische ART 2017 |
Doch „Eintauchen ins Bild“ ist bei diesem Künstler auch noch anders möglich. Da ist zum einen sein berühmtes Werk „Forest Rangers“, eine dreidimensionale Arbeit aus ineinander gehängten, breit geschnittenen Plastikstreifen, die in ihrer Konstruktion an frühere Fliegenbändervorhänge erinnern. Rosenquist, der in seiner politisch aufgeheizten Zeit immer für den Frieden eintrat, plastiziert hier einen Panzer, der unter anderem einer Holzsäge anheim fällt.
James Rosenquist Installationsansicht von F-111 in der Leo Castelli Gallery, 1965 (kolorierte Fassung nach dem Originalfoto), F-111, 1964/65, Öl auf Leinwand und Aluminium (mehrbahnige Rauminstallation), 304,8 × 2621,3 cm, The Museum of Modern Art, New York, Purchase Gift of Mr. And Mrs. Alex L. Hillman and Lillie P. Bliss Bequest (both by exchange), 1996, Art: © Estate of James Rosenquist/VG Bild-Kunst, Bonn 2017, Foto: Courtesy of the Estate of James Rosenquist |
Zudem sind drei seiner Rauminstallationen ausgestellt, die der Künstler für die legendäre Castelli Gallery schuf. Für den Besucher sind es begehbare Gemälde. Zu ihnen zählen „F 111“ (1964 – 65), nach Angaben des Hauses eine Ikone der Pop Ära aus dem New Yorker MoMA, „Horse Blinders“ (1968 – 69) und „Horizon Home Sweet Home“ (1970).
Die "Quelle" des James Rosenquist, auch sie ist in der Schau "Eintauchen ins Bild" zu sehen. Foto rheinische ART 2017
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Plakatmaler, selbst wenn sie wie Rosenquist riesige Plakatwände am Times Square schufen, unterliegen schnell dem Klischee eines Malers bunter Werbewelten. Davor war auch ein Rosenquist als Pop Art-Künstler nicht gefeit. Und seine Kritik, vor allem eine politische, formulierte er gekonnt wie subtil mit Objekten der Konsumgüterwelt. Nahezu unübertrefflich ist ein Detailmotiv in der Rauminstallation F 111. Da stülpt er einem goldblonden, fröhlichen, ja unschuldigen Kind eine seinerzeit übliche Haartrockenhaube über. Im Motiv daneben lässt er eine Atombombe explodieren. So wird die Haube gefühlt zum Kopf einer Bombe. Sarkastischer geht es kaum.
Irmgard Ruhs-Woitschützke
Die Ausstellung „Rosenquist: Eintauchen ins Bild“ ist bis zum 04. März 2018 zu sehen.
Museum Ludwig
Heinrich-Böll-Platz
50667 Köln
Tel. 0221 / 22126165
Öffnungszeiten
DI – SO 10 – 18 Uhr