rheinische ART
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rheinische ART 03/2024

Archiv 2024

EMOTIONALES ERLEBNIS
Bitte berühren!


Anfassen erwünscht? Das lässt aufhorchen. „Ja, was denn?“ Es geht um Kunst, genauer um Skulpturen von Tony Cragg. Der Kunstpalast präsentiert diese in einer Schau mit dem ungewöhnlichen Titel „Please Touch!“.

 

Eine Besucherin berührt die Skulptur Outspan. Foto: Anne Orthen


Diese zeigt eine Auswahl Skulpturen des britischen Bildhauers, die unterschiedlicher hinsichtlich Oberflächenbeschaffenheit, Größe und Form nicht sein könnten.
     Es hat etwas instinkthaftes. Was drängt den Menschen, etwas zu berühren? Wann greift er zu? Wann tastet er sich vor? Wie interagieren Menschen mit Kunst, die sie auch haptisch erfahren dürfen? Entsteht gar „eine neue Beziehung“ zu dieser Kunst? Es ist die Frage nach der Wirkung von Berührung von Kunst, die diese Ausstellung auch zu einem Forschungsfeld macht.

 

Tony Cragg Companions, 2023, Fiberglass, 318 cm x 274 cm x 363cm, © Tony Cragg / VG Bild-Kunst, Bonn, 2024, Foto: Michael Richter

 

Der Besucher darf sich fühlen ähnlich eines Kindes, das seine Umgebung mit den Händen ertastet, erkundet und auf diese Weise kennen lernt. Erforschen ist daher auch ein Stichwort, das dem Besucher ein Kunstwerk eben auch mit seinen Händen erfahrbar machen soll.

     Die Psychologie geht davon aus, dass bei dreidimensionalen Kunstwerken das Verlangen nach Berührung möglicherweise stärker ist als bei den flachen Gemälden, da die Skulpturen greifbarer erscheinen. Sicher ist: der Mensch wünscht sich bewußt oder unbewusst die Berührung, wenn Neugierde oder Sympathie die Motivationen sind.

 

Tony Cragg ohne Titel, 2019, Travertin, 110 cm x 90 cm x 68 cm, © Tony Cragg / VG Bild-Kunst, Bonn, 2024, Foto: Michael Richter

 

Der Tastsinn vermittelt Nähe, zeigt auf, ob das Objekt kalt oder warm, rau oder glatt oder körnig ist. Die visuelle Vermittlung dieser Eigenschaften ist das eine. Das direkte Erleben mit dem händischen Nachzeichnen der Formen hat dagegen einen ganz anderen Stellenwert.

     Es ist eine neue Form von Erfahrung, ein Gewinn. Doch was für den einen ein persönlicher Kontakt ist, ist für den anderen ein respektloser Akt, gerade Kunst gegenüber.

 

Tony Cragg Teilansicht The Wave, Bronze, 2022, Foto rheinische ART 2024


Natürlich: Eine unumstößliche Regel in einem Museum ist, dass die Kunstwerke nicht berührt werden dürfen. Das hat konservatorische Gründe, denn Schweiß oder Partikel von Schmutz fügen den Kunstwerken auf Dauer großen Schaden zu. Deshalb ist es so ungewöhnlich, dass es in dieser Schau heißt: „Please Touch“.

 

Blick in die Ausstellung "Please Touch!" von Tony Cragg im Kunstpalast Foto rheinische ART 2024

 

Felix Krämer, Generaldirektor am Kunstpalast und gemeinsam mit Tony Cragg Kurator der Schau: „Ich freue mich sehr, unseren Besucherinnen und Besuchern dieses außergewöhnliche Erlebnis anbieten zu können. Die Wahrnehmung durch Berührung ist für uns Menschen zentral.“
     Dass die Idee von Please touch! kein neuer Gedanke ist, so das ausstellende Haus, zeigt sich bei den englischen Künstlern Barbara Hepworth (1903–1975) und Henry Moore (1898–1986), die davon überzeugt waren, dass man nur durch Berührung ein wirkliches Verständnis von Skulpturen erreichen könne. Tatsächlich war es wohl in der 1950 im Kunstpalast gezeigten Henry Moore Ausstellung schon einmal erlaubt, einige der präsentierten Skulpturen zu berühren, wie Zeitzeugen berichten. Zudem gab es bereits damals besondere Angebote für blinde Menschen.

 

Tony Cragg Stack, 2019, Holz, 360 cm x 262 cm x 181 cm, © Tony Cragg / VG Bild-Kunst, Bonn, 2024, Foto: Michael Richter

 

Den Wunsch und Impuls der Rezipienten seiner Kunst, diese zu berühren, kennt Tony Cragg sehr gut, und welche Gefühle und Bedeutungen durch den Einsatz verschiedener Werkstoffe hervorgebracht werden, interessiert den Bildhauer schon lange. „Es ist ein Experiment, auf das wir uns hier einlassen“, so Cragg. Mitgedacht sei die haptische Erfahrung seiner Skulpturen im Entwicklungsprozess nicht. Hier stehe die visuelle Wirkung im Vordergrund. „Ich selbst habe die Arbeiten natürlich in den Händen, weil ich sie erschaffe, weil ich das Material, von dem ich ausgehe, verändere und bearbeite. Ist eine Arbeit fertig, verspüre ich selbst nicht mehr das Bedürfnis, sie anzufassen“, erklärt der Künstler.

 

Videostill: Tony Cragg und Felix Krämer im Gespräch über "Please Touch!" Foto rheinische ART 2024


Please Touch! bietet auch einen Blick über die Schulter des Bildhauers: in einem der Ausstellungsräume findet sich das nachgebaute Atelier Tony Craggs – der Ort, an dem sein künstlerischer Prozess und seine Arbeitsweise nachvollziehbar wird. Hier arbeitet er gleichzeitig an mehreren Werken in verschiedenen Entwicklungsstadien und testet die Grenzen und Möglichkeiten von Techniken und Materialien.
     Übrigens: Die Ausstellung bietet, abseits des von Tony Cragg betriebenen Skulpturenparks Waldfrieden in Wuppertal, einen einmaligen Überblick über die Vielfalt der von ihm eingesetzten Materialien und Formen.
ruwoi

 

Die Ausstellung „Tony Cragg. Please Touch!“ ist bis zum 26. Mai 2024 zu sehen
Kunstpalast
Ehrenhof 4–5
40479 Düsseldorf
Öffnungszeiten
DI – SO 11 – 18 Uhr

 


 

 

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