KUNSTAKADEMIE DÜSSELDORF
Wer war Walter Kaesbach?
„Lieber Herr Klee, ganz persönlich und ganz vertraulich möchte ich die Frage an Sie richten: Würden Sie eine Berufung als Leiter einer Malklasse an die D‘dorfer Akademie annehmen?“ Dies schrieb der Direktor der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf Walter Kaesbach 1929 an Paul Klee.
Kunstakademie Düsseldorf: Der Professor für Gebrausgrafik, Ernst Aufseeser, entwickelte diese Wandgestaltung Düsseldorf, 1928 © Foto Kunstakademie Düsseldorf |
Wie Kunstinteressierte wissen, folgte Paul Klee diesem Ruf und kam vom Dessauer Bauhaus 1930 nach Düsseldorf an den Rhein. 1931 begann seine Lehrtätigkeit, wenn sie auch nicht dauerte. Bereits 1933 wurde er aufgrund des von den Nationalsozialisten erlassenen Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums zunächst freigestellt und kurz darauf entlassen – genauso wie Heinrich Campendonk, Ewald Mataré und der, der ihn gerufen hatte: der Direktor Walter Kaesbach.
Heinrich Nauen Portrait Dr. Walter Kaesbach, 1918, Darstellungsmaß 44,5 x 33,5,, Privatbesitz Schweiz
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Kaesbach? Nein, dieser Name gehört nicht zu den bekannteren. Dabei hat er, der aus Mönchengladbach (1879-1961) stammte, die Kunstakademie von 1924 bis 1933 geleitet. Er war ein Intellektueller, auch extravagant, und ein kluger Streiter für die Moderne, ein bestens vernetzter Kunsthistoriker, der seine erfolgreiche Tätigkeit als Direktor des Städtischen Museums in Erfurt für Düsseldorf aufgab.
Er war persönlich bekannt mit vielen Kreativen der Avantgarde wie Walter Gropius, Christian Rohlfs, Heinrich Nauen, Max Pechstein, Emil Nolde und anderen Künstlern in Kunstvereinen, mit Sammlern sowie Museumsleuten.
„Bekannt als undogmatischer Neuerer, besaß er jenes Charisma einer Persönlichkeit, die mit Enthusiasmus Reformen durchzusetzen wusste. Politisch stand Kaesbach für einen Bruch mit den alten wilhelminischen Traditionen und Institutionen und hatte klare Vorstellungen hinsichtlich der Entwicklung der Kunst…“ schreibt Vanessa Sondermann in dem Buch „Walter Kaesbach und die Kunstakademie Düsseldorf“, das dieses Jahr erschien.
Cover der Schrift: Walter Kaesbach und die Kunstakademie Düsseldorf, 2024
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Sondermann ist auch Herausgeberin dieser beeindruckenden Schrift, die die Vorgänge an der Kunstakademie in den 1920er und -30er Jahren wissenschaftlich beleuchtet und damit eine einmalige Analyse dieser Jahre liefert, die auch die Zeit während und nach dem Zweiten Weltkrieg berücksichtigt und somit detailreich wie umfänglich in der Historie der Kunstakademie eine Lücke schließt.
Walter Kaesbach war ein Reformer, der doch an den Traditionalisten der Akademie sowie an der kulturpolitischen Neuausrichtung des Nationalsozialismus scheiterte. Die Traditionalisten wollten »deutsche Kunst von deutschen Lehrern und deutschem Geist« lehren, während Kaesbach doch den Geist der Moderne mit seinem Willen zu Veränderung und Neuem auch in den verstaubtesten Winkeln der großartigen Akademie wehen zu lassen wünschte. Ob ein fast missionarischer Eifer ihn beseelte?
Das ist schwer zu beurteilen. Sicher scheint aber zu sein, dass er, der die diplomatische Klaviatur eigentlich perfekt beherrschte, seinen Widersachern gegenüber kaum Wertschätzung ihrer Leistung aufzeigte.
Heinrich Nauen Sonnenblumen, um 1914, Öl auf Leinwand, 36 x 66 cm, Museum Abteiberg Mönchengladbach, Foto: Achim Kukulies |
So war es nur eine logische Folgerung, dass Kaesbachs Wirken als kultur- und kunstzerstörerisch empfunden wurde. Doch was tat er, was nicht „systemkonform“ war? „Zu den strategischen Reformvorhaben an der Akademie gehörten die bereits am Staatlichen Bauhaus in Weimar vollzogenen Einheitsideale der von Bruno Taut 1919 formulierten Leitsätze ‚Kunst und Volk müssen eine Einheit bilden. Die Kunst soll nicht mehr Genuß Weniger, sondern Glück und Leben der Masse sein‘ …
Jankel Adler Ohne Titel, um 1927, Mischtechnik auf leichtem Karton, 45,3 x 31,5 cm, Privatsammlung © Foto Kunstakademie Düsseldorf
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Im Rückgriff auf diese Ideen setzte Kaesbach seine gesellschaftlichen Vorstellungen in Ausstellungen und Veranstaltungen mit radikalen Einschnitten für die Kunstakademie Düsseldorf um“, schreibt Sondermann.
Zahlreiche öffentlichkeitswirksame Ausstellungen sind vermerkt, die nicht zwingend in den Räumen der Akademie stattfinden mussten, und die Schau „Ausstellung des Reichsbundes deutscher Kunstschüler“ 1926, wird heute als Vorbild des ersten „Rundgang“ 1932, konzipiert als Leistungsschau der Studenten, gewertet. Damals wie heute war und ist dieses Ereignis ein Publikumserfolg!
Neuberufungen von Professoren und die bauliche Neugestaltung der Aula gaben der Akademie inhaltlich wie optisch ein neues Gesicht. Mehr noch: die Aula wurde ein Raum, wo sich gewünscht Kunst und Bürger trafen und zahlreiche Veranstaltungen, Lesungen, Vorträge, für ein interessiertes Publikum angeboten wurden.
Paul Klee Anklage auf der Strasse, 1933, 85 © Foto Kunstakademie Düsseldorf |
Seine Entfernung vom Posten des Direktors der Kunstakademie wurde von den Verantwortlichen schmählich gestaltet und ist heute noch nachzulesen in einem Hetzartikel in der Zeitung Volksparole vom März 1933: „In der Düsseldorfer Kunstakademie wird aufgeräumt. Was das System Kaesbach verbrochen hat!“ Verfasst war dieser Beitrag „Von der Fachgruppe für bildende Kunst in Düsseldorf“.
Als »vorläufiger Stellvertreter« für Walter Kaesbach wurde kein anderer als sein früherer Widersacher Julius Paul Junghanns ernannt und die »dunkle Zeit« begann auch in der Kunstakademie Düsseldorf. Walter Kaesbach zog an den Bodensee und kehrte nicht nach Düsseldorf zurück.
Irmgard Ruhs-Woitschützke
► Aus Wikipedia zur Person Walter Kaesbach:
1922 stiftete er einen Teil seiner Sammlung expressionistischer Kunstwerke an das Städtische Museum in seiner Heimatstadt Mönchengladbach. Zur Förderung von Ausstellungsmöglichkeiten dieser Sammlung gründete sich – ebenfalls 1922 – der „Kunstverein der Dr.-Walter-Kaesbach-Stiftung“. Diese erste Stiftung Walter Kaesbachs bestand aus insgesamt 97 Gemälden, Aquarellen und Zeichnungen mit Werken von Erich Heckel, Heinrich Nauen, Lyonel Feininger, Emil Nolde und Christian Rohlfs. Bevor die Sammlung 1928 geeignete Räume im Mönchengladbacher Karl-Brandts-Haus des Städtischen Museums beziehen konnte, waren die Werke zwischenzeitlich im Krefelder Kaiser-Wilhelm-Museum ausgestellt worden. 1928 kamen im Zuge einer weiteren Stiftung Walter Kaesbachs Werke von Heinrich Campendonk, Wilhelm Lehmbruck, August Macke, Ernst Ludwig Kirchner, Otto Mueller, Hermann Max Pechstein und Karl Schmidt-Rottluff hinzu. 1928 schenkte der Galerist Alfred Flechtheim das Gemälde „Der Holzfäller mit dem Gekreuzigten“ von Wilhelm Morgner der Stiftung.
Literaturhinweis:
Walter Kaesbach und die Kunstakademie Düsseldorf
2024 Deutscher Kunstverlag
ISBN 978-3-422-80203-2