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rheinische ART 11/2024

SURREALISMUS 
Rätselhaftes in Brühl


Im 100. Jahr des Surrealismus sind die Schauhäuser europaweit mit großen und kleinen Ausstellungen zu dieser revolutionären Kunstrichtung gefüllt. In jedem Land klugerweise mit einem anderen Akzent. Manches liefert Überraschungen!

 

Alberto Giacometti Le palais à 4 heures du matin (Der Palast um 4 Uhr morgens), 1932, Fondation Giacometti © Succession Alberto Giacometti / VG Bild-Kunst, Bonn 2024. Bildquelle © Max Ernst Museum 2024

 

Die gewaltigste Präsentation zum Thema Surrealismus zeigt derzeit das Pariser Centre Pompidou. Es ist quasi ein Blockbuster mit rund 500 Exponaten (mehr).

     In Brüssel gab es über das Jahr gleich zwei Blicke auf die surrealistische Philosophie und ihren heimischen Großmeister René Magritte, einschließlich eines Seitenblicks auf die Symbolisten. Und im wallonischen Belgien, namentlich in der alten Industriestadt Charleroi, hat sich das dortige Foto-Museum der Thematik in Schwarz-Weiß verschrieben (mehr).

 

Alberto Giacometti La Cage, première version (Der Käfig, erste Version), 1949-1950, Fondation Giacometti © Succession Alberto Giacometti / VG Bild-Kunst, Bonn 2024. Bildquelle © Max Ernst Museum 2024

 

Auch das Rheinland, einst Hort surrealistischer Experimente, Verbindungen und Ideen, liefert einen interessanten Geburtstagsgruß. Nämlich mit der Ausstellung Alberto Giacometti – Surrealistische Entdeckungen im Max Ernst Museum in Brühl.

     Wenn nicht hier, wo denn sonst, könnte man zu Recht fragen. Denn schließlich war der gebürtige Brühler Maximilian Maria Ernst (1881–1976) mit der Kölner Dada-Gruppe (mehr) ab 1924 wichtiges Mitglied in der surrealistischen Bewegung um André Breton in Paris.

     Und aktuell bemerkenswert: Max Ernst´s surrealistisches Gemälde „Der Hausengel oder der Triumph des Surrealismus" (L'ange du foyer ou le Triomphe du surréalisme ), jenes berühmte schwebende Ungeheuer über einer undefinierbaren Landschaft. Die Anspielung auf den spanischen Bürgerkrieg schuf er 1937. Das Gemälde ist allgegenwärtiges Titelbild der großen Pariser Überblicksausstellung.

 

Installationsansicht Alberto Giacometti – Surrealistische Entdeckungen, Max Ernst Museum Brühl des LVR, Fondation Giacometti, © Succession Alberto Giacometti / VG Bild-Kunst, Bonn 2024, Foto: J.Vogel / LVR. Links im Bild Le Nez (Die Nase), 1949, Fondation Giacometti.


Da ist es schwer, sich abzuheben. Dem Brühler Museum gelingt es. Denn es blättert, in Kooperation mit der Fondation Giacometti in Paris, das surrealistische Schaffen des Schweizer Bildhauers, Malers und Zeichners Alberto Giacometti (1901–1966) aus. Dabei wird eines deutlich: Es gab eine künstlerische und freundschaftliche Verbindung von Giacometti zu dem 20 Jahre älteren Max Ernst.

 

Rogi André Porträt Alberto Giacometti, um 1935, Archiv Fondation Giacometti. Bildquelle © Max Ernst Museum 2024

 

Umschlag der Surrealistenzeitschrift DOKUMENTE Nr.4.  Alberto Giacometti: Skulpturen, Gemälde, Zeichnungen. Paris 1929. Bildquelle © Wikipedia gemeinfrei

 

Giacometti, der aus einer höchst künstlerischen Familie stammte (mehr), zählte zu den wichtigsten Bildhauern der Moderne. Er ist bekannt für seine langgestreckten und ausdrucksstarken Bronzefiguren, die vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden sind.

     Die Ausstellung präsentiert eine bisher zwar nicht unbekannte, gleichwohl doch eher selten angesprochene Seite von Giacometti: die Beziehung zu Ernst.

     Bereits in den 1930er Jahren, als er Mitglied der surrealistischen Gruppe war, die sich 1924 vor genau hundert Jahren um den Schriftsteller André Breton in Paris formierte, schuf er bedeutende einfallsreiche und psychologisch aufgeladene Werke.


Anlässlich des Jubiläums werden in Brühl Skulpturen, Zeichnungen, Gemälde sowie Fotografien und Dokumente gezeigt, die die Bandbreite des surrealistischen Schaffens von Giacometti vor Augen führen, das von seinem Interesse an der Erforschung des Unbewussten, der Auseinandersetzung mit den Themen Sexualität, Tod und Gewalt sowie dem Einfluss des Zufalls geprägt ist.

     Außerdem geht die Schau der Frage nach, inwieweit der Surrealismus als Kunst- und Denkrichtung Giacomettis Werk auch über seine offizielle Zugehörigkeit zur Bewegung hinaus bestimmte und surrealistische Motive und Themen in seinen Arbeiten der Nachkriegszeit zum Vorschein kommen.

 

Illustre Wandergruppe im Engadin. Unbekannter Fotograf: Luciano, Odette, Diego, Bianca, Ada, Alberto Giacometti und Max Ernst bei der Forno-Hütte, 1935, Copyprint von 1989, Schenkung Bruno Giacometti © Max Ernst Museum Brühl des LVR, Stiftung Max Ernst. Bildquelle © Max Ernst Museum


Den Künstler Giacometti zog es wie Max Ernst ab 1922 nach Paris. Dort lernten sich die beiden um 1929 kennen und arbeiteten in benachbarten Ateliers.

     Zu derselben Zeit etwa traf Giacometti auf Kreative wie Louis Aragon, Alexander Calder, Jean Cocteau oder Joan Miró. Zusammen mit Joan Miró und Hans Arp (mehr) war Giacometti 1930 in einer Gruppenausstellung in Paris vertreten, wo André Breton – so die Geschichte – Giacomettis Kunstobjekt, die Plastik Boule suspendue (Schwebende Kugel), sah und kaufte.

     Bei einem folgenden Besuch im Giacometti-Atelier gelang es Breton, den Künstler für die Surrealistengruppe zu gewinnen. 1933 veröffentlichte Giacometti Gedichte in Le Surréalisme au service de la révolution sowie einen surrealistisch verfassten Text über seine Kindheit. 1935 wurde der Schweizer Bildhauer aus der Gruppe ausgeschlossen.

rART/cpw


 Kuratorin Friederike Voßkamp: „Unter den Surrealisten war Giacometti der surrealistische Bildhauer par excellence: Surrealistische Einflüsse lassen sich bis in seine Werke der Nachkriegszeit nachverfolgen, also auch in seinen filigranen langgestreckten Figuren, die bis heute als seine Markenzeichen gelten.“

 Kuratorin Laura Braverman von der Fondation Giacometti, Paris: „Giacomettis surrealistische Werke sind höchst rätselhaft – darauf ausgelegt, das Unterbewusstsein der Betrachtenden zu wecken. Sie wirken verspielt und bedrohlich zugleich, verführerisch und verstörend.“ Spuren der revolutionären Richtung seien auch nach seinem Ausschluss aus der Pariser Gruppe 1935 in seinen Werken zu erkennen. Daher vermittele die Schau ein „breiteres, dynamischeres Bild dessen, was Surrealismus sein kann, jenseits der formalen Zugehörigkeit zur surrealistischen Bewegung um André Breton.“
 
Die Ausstellung Alberto Giacometti – Surrealistische Entdeckungen wird bis zum 15. Januar 2025 gezeigt.
Max Ernst Museum
des LVR in Brühl

Comesstraße 42 / Max-Ernst-Allee 1
50321 Brühl
Tel. 02232 / 5793-0
Öffnungszeiten
DI – SO 11 – 18 Uhr

 

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